Andreas Hüging und Angelika Niestrath

10 | 2022 Interview zu Das fantastische fliegende Fundbüro mit Andreas Hüging und Angelika Niestrath.

"Mobbing ist eine ernste Sache mit vielen Gesichtern. Es können vordergründig „kleine“ Hänseleien sein, die im Verborgenen große Verletzungen hinterlassen. Und nicht jeder hat die Kraft, sich dagegen zu wehren."

Kinderbuch-Couch.de: Das Buch hat viele fantasievolle Ideen, wo kommen Eure Einfälle her?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Am Anfang eines neuen Projekts haben wir oft nur ein starkes Bild im Kopf. In diesem Fall waren es zwei Bilder: das Raketenbett und Alex‘ Karussell aus Sperrmüllteilen. Davon lassen wir uns inspirieren und entwickeln nach und nach eine Geschichte dazu. Während der Arbeit kann alles, was von außen auf uns zukommt, zu neuen Ideen führen – Kinder, denen wir in der Stadt begegnen, die Späße unserer Katze oder irgendetwas, das wir beim Spazierengehen entdecken. Da kommt es uns entgegen, dass wir an wechselnden Orten leben und arbeiten – in Berlin, in einem kleinen Dorf in Niedersachsen und auf Reisen. Beim Fundbüro hat uns auch geholfen, dass wir alte Sachen mögen und oft auf Flohmärkten und in Trödelläden unterwegs sind.

Kinderbuch-Couch.de:Die beiden Hauptcharaktere Alex und Anton sind ziemlich gegensätzlich. Was können die beiden voneinander lernen?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Alex ist kreativ und praktisch veranlagt. Sie bewahrt in gefährlichen Situationen die Ruhe, ist manchmal aber auch etwas ruppig. Anton lernt von ihr, dass man immer etwas machen kann, auch wenn die Lage hoffnungslos erscheint. Anton ist besonders einfühlsam und fantasievoll. Deshalb durchschaut er Pogos verdrehte Vorhersagen so gut und vermittelt, wenn Alex und die verrückte Kugel sich streiten. Er zeigt Alex, dass man auch auf die sanfte Tour gewinnen kann. Aber natürlich ist keiner von den beiden nur schwarz oder weiß.

Kinderbuch-Couch.de: Anton hat es in der Schule nicht leicht und wurde von seinen Mitschülern ausgegrenzt und geärgert. Welche Tipps würdet Ihr Kindern, denen es ähnlich geht, geben? Was können diese vielleicht sogar aus diesem Buch mitnehmen?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Mobbing ist eine ernste Sache mit vielen Gesichtern. Es können vordergründig „kleine“ Hänseleien sein, die im Verborgenen große Verletzungen hinterlassen. Und nicht jeder hat die Kraft, sich dagegen zu wehren. Andreas zum Beispiel hat früher in der Schule auch einiges einstecken müssen, weil er immer der Kleinste war. Aber er war auch ein Kämpfer und hat sich nichts gefallen lassen – ganz anders als Anton, der dazu anfangs nicht selbstbewusst genug ist. In so einer Situation muss man sich Hilfe suchen und schauen, was einen stärken kann. Wir möchten die Kinder ermutigen, sich ihrer Talente bewusst zu werden und daraus Bestätigung und Selbstvertrauen zu schöpfen, so wie es Anton mit Hilfe des Fundbüros gelingt. Niemals aufgeben – das können Kinder vom Fundbüro sicher mitnehmen. Oder wie Opa Elmer sagt: Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.

Kinderbuch-Couch.de: Besonders witzig sind die Szenen mit der frechen Wahrsagekugel Pogo. Was macht ihre Rolle im Buch aus?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Pogo ist der Chaosfaktor in der Geschichte. Unberechenbar wie ein Kobold, hat sie Freude daran, Verwirrung zu stiften – und sie macht sich gerne über andere lustig. Dadurch wirkt sie ein bisschen zwiespältig und manchmal auch nicht hundert Prozent sympathisch. Pogo zeigt uns, dass es im Leben selten eindeutig zugeht – und dass es oft ein vermeintlicher Umweg ist, der letztlich zum Ziel führt. Außerdem sorgt sie für eine Menge Slapstick. Und wir lieben Situationskomik!  

Kinderbuch-Couch.de: Was ist Euch besonders wichtig, wenn Ihr ein Kinderbuch schreibt?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Mit unseren Geschichten möchten wir Räume schaffen, in denen Kinder für einen Moment in eine andere Welt eintauchen können – ganz besonders, wenn die Realität ihnen so verstörende und beunruhigende Dinge zumutet wie gerade jetzt. Es darf spannend und abenteuerlich zugehen, aber immer so, dass man sich im Grunde geborgen fühlen kann, gut aufgehoben in der Gesellschaft unserer Figuren.
Persönlich sind wir beide etwa so unterschiedlich wie Anton und Alex. Deshalb ist es für uns als Autorenduo wichtig, dass jeder seinem ureigenen Kompass folgen kann, im Leben wie bei der Arbeit – auch wenn das immer wieder zu Momenten führt, an denen wir uns überhaupt nicht einig sind, wie es weitergehen soll. Dann müssen wir gemeinsam einen dritten Weg finden. Am Ende entsteht immer etwas, das keiner von uns allein hätte schreiben können. Ein tolles Gefühl!

Kinderbuch-Couch.de: Ist eine Fortsetzung geplant? Darf man darüber schon etwas wissen?
 

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Ja und jein! Der zweite Band erscheint 2023, über den Inhalt verraten wir erst einmal nur so viel: Er wird mindestens so turbulent wie der erste, mit vielen verrückten Überraschungen.

Und zum Schluss noch ein paar Shorties:

Kinderbuch-Couch.de: Liebste/r Kinderbuch-Autor/in?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Viele! Wir halten immer die Augen auf nach Autor*innen und Illustrator*innen, die uns mit ihren Ideen begeistern und inspirieren. Sehr beeindruckt hat uns zuletzt zum Beispiel Josefine Marks „Trip mit Tropf“– eine Graphic Novel, über die man gleichzeitig lachen und weinen kann. Angelika liebt auch die Klassiker unserer eigenen Kindheit: Astrid Lindgren, Otfried Preußler, Roald Dahl, Ursula Wölfel ... um nur einige zu nennen.

Kinderbuch-Couch.de: Liebstes Kinderbuch?

Andreas: Latte Igel und Peter Pan.
Angelika: Jeden Tag ein anderes! Es sind so viele, ganz unterschiedliche Geschichten, die mich im Lauf der Zeit auf die eine oder andere Weise berührt haben.

Kinderbuch-Couch.de: Liebste/r Protagonistin eines Kinderbuchs?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Siehe oben!

Kinderbuch-Couch.de: Welche Figur ist euch am ähnlichsten?

Andreas Hüging und Angelika Niestrath: Wahrscheinlich unsere eigenen. Jedenfalls steckt in jeder unserer Figuren, so verschieden sie alle sein mögen, etwas von uns beiden mit drin. Andreas fühlt sich am meisten mit Dingi verbunden – dem kleinen Detektivboot aus einem seiner ersten Bücher.

Das Interview führte Kathrin Walther im Oktober 2022.
Foto: © Isabelle Grubert

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