Paule ist ein Glücksgriff

Wertung wird geladen
Kinderbuch Couch
90%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonMär 2010

Idee

Paule erlebt Alltagsabenteuer, er wurde adoptiert, aber das ist nur ein Nebenschauplatz, denn Freunde, Mädchen und Schule sind viel wichtiger

Bilder

farbige Bilder von Silke Brix, die die Geschichte angenehm fröhlich begleiten und einfach Spaß beim Lesen machen

Text

zeitgemäßer, leichter Ton, hinter dem auch Tiefgang steckt

[ab 9 Jahren]

Paule ist ein glückliches Kind, auch wenn bei ihm so einiges anders ist. Seine Eltern sind weiß, er ist schwarz. Paule weiß, dass er adoptiert wurde. Aber das beschäftigt ihn nur ab und zu. Der Junge lebt wie fast alle Kinder intensiv in der Gegenwart und da passiert genug, womit sich Paule auseinandersetzen kann.

Paule lebt behütet mit Mama und Papa in harmonischer Eintracht. Oma und Opa lieben ihren Enkel und wie jedes Kind, will Paule ab und zu wissen, was er so gemacht hat als er noch ganz klein war. Klar ist, dass Paule nie ein Baby aus dem Heim holen würde, denn die schreien ja nur und kacken die Windeln voll. Wenn schon, dann ein größeres Kind. Aber egal, Paule ist froh, dass er Mama und Papa hat. Ab und zu denkt er an seine richtigen Eltern. Der Vater stammt aus Somalia und wenn er will, dann kann er später seine richtige Mutter und den Vater suchen. Nachdem Paule alle altbekannten Geschichten gehört hat, fragt er, wann denn nun, wenn schon kein Hund ins Haus darf, endlich ein Bruder kommt.

Gern spielt Paule mit seinem Freund Andreas, der eine große Schwester hat, Britta und eine noch sehr kleine, Bette.
In der Schule beginnen die Vorbereitungen für das Krippenspiel, das die Klasse den Eltern vorführen soll. Paule soll den Kaspar spielen, auf Vorschlag der Lehrerin, denn er war ja der Schwarze unter den drei Königen. Aber Paul möchte lieber der Erzengel Gabriel sein. Seine Klassenkameraden sind entsetzt, denn Gabriel war blond und kein "Neger".

Wütend rast Paule nach Hause und heult sich bei Mama aus. Sie nimmt sich die Zeit, um herauszufinden, was passiert ist und die Wogen einigermaßen zu glätten.

Paule darf den Engel spielen und rettet dann auch noch die Aufführung, denn Andreas hat heimlich seine kleine Schwester in die Krippe gelegt und die schreit genau bei Paules Stichwort. Er nimmt das Baby aus der Krippe, zum Glück kennt Bette Paule und sagt seinen Satz noch einmal. Andreas Mutter kümmert sich um Bette und das Krippenspiel kann weitergehen.

In vielen unterschiedlichen Geschichten, die sich um Paule und seine Erlebnis- und Erfahrungswelt drehen, lernt der Leser den temperamentvollen Jungen kennen.

Da überkommt es Paules Mutter und sie muss die Wände streichen, ein Beet anlegen und sich in wilden Aktivitäten austoben. Paule muss dann helfen und gemeinsam mit seinem Freund irgendwelche Sachen im Einkaufszentrum besorgen. Ein Kind beobachtet Paule beim Würstchenstand. Das kennt er schon. Sie beglotzen ihn, flüstern und manche fassen ihn sogar an. Das ärgert Paule, denn er will nicht anders sein als die anderen.

Andreas sieht dann plötzlich einen Mann, der fast wie Paule aussieht, nur erwachsen ist. Er spricht ihn einfach an. Das ist Paule total peinlich. Andreas und Paule nehmen den Mann mit nach Hause und stellen dann fest, dass er gar nicht Paules Vater sein kann, denn er kommt aus Ghana.

Paule macht so seine ersten Erfahrungen mit den Mädchen, auf die nie so richtig Verlass ist, auch wenn man sich große Mühe gibt, um sie nicht zu enttäuschen. Paule muss wichtige Fragen klären, z.B. ob seine Adoptivmutter seine Stiefmutter ist.
Dabei kramt er in seinem Märchenwissen nach und muss zugeben, dass ihn die ganze Geschichte eigentlich gar nicht so brennend interessiert. Viel lieber schaut er mal bei Viktor vorbei, der hat bestimmt von seinem Onkel, der gestern da war, ein Geschenk bekommen.

Dann muss Paule noch klären, ob er Ausländer ist, denn Viktor hat gesagt: "Deutsche Neger gibt es nicht." Diese Frage klärt Paule mit seinem Opa, der allerdings etwas hilflos reagiert. Als Paule erzählt, dass er, wenn er Ausländer ist, raus muss, denn am Einkaufszentrum steht so ein Spruch: "Ausländer raus!", wird der Opa richtig wütend. Paule wird später von der Polizei nach Hause gefahren, nachdem er diesen Spruch übersprühen wollte.
Wenn Paule irgendetwas in der Schule hasst, dann sind es Diktate. Er beschließt beim nächsten Mal seiner Mutter nicht zu sagen, dass sie bald ein Diktat schreiben. Das Üben macht einfach keinen Spaß. Das ist auch kein Lügen. Oder doch?
Jedenfalls fällt das nächste Diktat für Paule nicht so gut aus. Wie wird seine Mama nun reagieren? Wird sie ihn wegschicken, weil er ja doch gelogen hat? Paule beschließt, er geht weg. Dann trifft Paule Andreas und sie spielen erstmal zusammen. Paule vergisst das Abhauen und als er zu Hause ist, erzählt sein Opa, dass er auch ab und zu die Unterschrift seiner Mutter unterm Diktat nachgemacht hat. Paules Mutter ist zwar sauer, dass er einfach weggeblieben ist, aber sie versichert ihm, egal, was er anstellt, wegschicken wird sie ihn nie.

Paules Eltern haben sich entschlossen, noch ein Kind zu adoptieren. Ulla soll es sein, obwohl Paule ja einen Bruder möchte. Und dann ist Ulla auch noch weiß, aber Paule gewöhnt sich an seine neue Schwester. Als die Frau vom Jugendamt kommt, ist Paules Mutter in Panik, denn sie muss die Wohnung noch aufräumen. Paule soll Ulla spazieren fahren und wird von den Jugendlichen auf dem Spielplatz als "Bimbo" beschimpft. Im Streit vergißt Paule Ulla und läuft weg. Als er zu Hause ankommt, hat Britta, die die Auseinandersetzung mit Paule auf dem Platz provoziert hatte, Ulla bereits gebracht. In der letzten Geschichte dreht sich alles um Paules Ankunftstag, den die Familie eigentlich nie groß feiern will und doch bekommt der Junge wieder ein Geschenk, eine Kiste mit Luftlöchern, aber keinen Hund.

Vor 25 Jahren schrieb Kirsten Boie ihr erstes Kinderbuch "Paule ist ein Glücksgriff" ( nominiert 1986 für den Deutschen Jugendliteraturpreis ) und hatte neben dem Lehrerinnenberuf, den sie mit Freude ausübte, ihre zweite, wahre Berufung gefunden.
Als die Hamburger Autorin damals die ersten drei Kapitel ihres Debüts fünf Verlagen anbot, wollten gleich zwei die Geschichten drucken. Kirsten Boie hatte, ohne es zu wissen, mit ihrem Thema Adoption im Kinderbuchbereich Neuland betreten. Nichts in Kirsten Boies Kinderbuch ist autobiographisch, Nur die Szene, in der die Mutter mit etwas Bangen dem Besuch der Frau vom Jugendamt entgegenfiebert.

Als Kirsten Boie ihre Paule-Geschichten erfand, da war ihr erster Sohn noch ein Baby. Allerdings ist ihr der erste Satz ihres Buches eingefallen, als sie ihm die Flasche gab: "Bei anderen Kindern ist alles einfach. Sie wachsen bei einer Frau im Bauch, und dann werden sie geboren, und die Frau nimmt sie mit nach Hause, und die ist dann ihre Mutter." Faszinierend ist, dass die Handlung an Frische und Herzenswärme nichts verloren hat. Der Erzählton ist lebendig, die Alltagsabenteuer des Jungen überzeugend und zeitgemäß, keine Spur von pädagogischem Unterton. Und Kirsten Boie beschönigt nichts, ihr geht es nie um zwanghafte Problemlösungen und auch hier bleibt das Buch aktuell. Zwar leben heute in den Städten viel mehr Schwarze als vor 25 Jahren, aber der latente Rassismus, dem farbige Kinder ausgesetzt sind, existiert nach wie vor, nur dass niemand mehr "Neger" sagt.
Auf fast jeder Seite findet sich eine farbige Zeichnung von Silke Brix, die bereits mehr als 30 Bücher von Kirsten Boie illustriert hat. Mit Humor und Leichtigkeit erfasst die Bildkünstlerin Boies Text und erzählt mit ihren Bildern die Geschichten weiter.

" Schreiben ist für mich, als ob ich etwas lesen würde, was hinten in meinem Kopf entsteht." ( Die Zeit / Nr. 47 / 2006 ) sagte die Autorin in einem Interview. Kirsten Boie ist beim Schreiben jedesmal überrascht, weil ihr etwas einfällt, von dem sie vorher keine Ahnung hatte. Wünschen wir Kirsten Boie, dass sie noch viele, viele weitere realistische, wie fantastische Geschichten für Kinder und Jugendliche schreiben wird.

Fazit:

Kirsten Boie beobachtet und beschreibt die kindliche Erfahrungswelt wie keine andere. Auch nach 25 Jahren ist die Neuauflage des Kinderbuches "Paule ist ein Glücksgriff" im wahrsten Sinne des Wortes ein Glück. Realistisch und vor allem humorvoll schreibt die Hamburger Autorin vom Alltag eines farbigen Jungen, der sich nicht unterkriegen lässt und mit kindlichem Selbstvertrauen und liebevollen, offenen Adoptiveltern sein Leben meistert.

Karin Hahn

 

Paule ist ein Glücksgriff

Kirsten Boie, Oetinger

Paule ist ein Glücksgriff

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Paule ist ein Glücksgriff«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Lesen und Hören
mit System

Lesestifte und Audiosysteme für Kinder.
Der große Test.

mehr erfahren