Die Geschichte vom kleinen Onkel

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMai 2012

Idee

Eine zeitlos-schöne Geschichte, die Herzen berührt. Sie macht Mut, auf der Suche nach Freundschaft und Zuneigung niemals aufzugeben.

Bilder

ruhige, atmosphärischen Zeichnungen im Wechsel der Jahreszeiten. Mit leichtem Strich und zarten Aquarellfarben schafft Eva Eriksson eine Atmosphäre, die sich mit der zarten Geschichte perfekt verbindet.

Text

Wie in einem Märchen erzählt Barbro Lindgren sehr ruhig und dennoch sehr dicht an unserer Realität. Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch

Die Geschichte vom kleinen Onkel ist ein zu Herzen gehendes Lehrstück für jeden von uns, denn wir alle kennen das Alleinsein. Die Bilderbuchausgabe des Kinderbuch-Klassikers von Barbro Lindgren erzählt mit den wunderschönen Illustrationen von Eva Eriksson eine zarte und zugleich zeitlose Geschichte über das Phänomen der Freundshaft: Sie vermag es - ebenso wie die Liebe - durch das Teilen noch größer zu werden.

Es ist noch Winter und der kleine Onkel sitzt allein vor seinem Häuschen und fühlt sich einsam. Er grüßt einen jeden freundlich, doch die Leute verspotten ihn nur und niemand will sein Freund sein. Schließlich hängt er einen Aufruf auf, dass ein jeder der sein Freund sein möchte, sich bei ihm melden solle. Doch es dauert lange, sehr lange, bis endlich ein großer, zotteliger Hund zu ihm kommt. Der kleine Onkel ist überglücklich, gibt dem Hund zwei Kekse und bitten ihn, am nächsten Tag wieder zu kommen. Der Hund kommt am nächsten Tag und auch an den darauffolgenden Tagen. Mit jedem Tag bekommt der Hund mehr Kekse, die er jedes Mal in windeseile verschlingt. Dann endlich bittet der kleine Onkel den Hund, bei ihm einzuziehen und der kommt tatsächlich mit allem was ein Hund so braucht zurück. Es ist ganz natürlich für den kleinen Onkel, dass er dem Hund von nun an das ganze Feld überlässt - schließlich ist er endlich nicht mehr allein - angefangen vom Frühstück bis hin zu seinem Bett.

Erst müssen sich beide an ihr Glück gewöhnen. Als sie am ersten Morgen aufwachen, denkt der kleine Onkel "Ich habe ja einen Freund gefunden" und der Hund denkt: "Ich habe ja einen kleinen Onkel gefunden." Es ist bereits Sommer, die Ameselkinder sitzen auf den grünen Zweigen, und die beiden finden einen gemeinsamen Rythmus. Sonntags essen sie gemeinsam Torte und donnerstags Erbsen mit Speck. Und das allerschönste für den kleinen Onkel, der Hund verteidigt ihn gegen all die "dummen Onkel", die ihm immer ein Bein stellen. Als es Herbst wird, sitzen die beiden wieder gemeinsam vor der Haustür und als ihnen der Popo zu kalt wird, gehen sie hinein. Im Frühling sitzen die beide wieder auf er Treppe, da gesellt sich ein "hübsches Kind mit einem gepunkteten Kleid und einer Schleife im Haar" zu ihnen.
Der Hund ist überglücklich über den Zuwachs, doch der kleine Onkel ist voller Herzschmerz, denn er glaubt, dem Hund nicht mehr zu genügen. Er verlliert das Vertrauen in ihre Freundschaft und geht fort. Als er nach sieben Tagen zurückkehrt, sieht er die beiden mit hängenden Köpfen vor der Tür sitzen - sie habe die ganze Zeit auf ihn gewartet. Von da an sitzen sie zu dritt auf der Treppe. "Der Hund mit der Nase in der Hand des Onkels. Und das Kind legte seine Hand in die andere Hand des Onkels."

Barbro Lindgrens ursprünglich 58 Seiten starker Roman für Kinder von sechs bis acht Jahren erschien bereits im Jahr 2000, ebenfalls beim Oetinger Verlag. Nun wurde dieser Klassiker mit den zarten aber gleichzeitig aussagestarken Illustrationen von Eva Eriksson ("Die besten Beerdigungen der Welt") als Bilderbuch neu aufgelegt. Das Ergebnis ist ein wunderschönes Zusammenspiel zwischen Illustration, Text und Dramaturgie. Kaum einer wird sich der kleinen, aber so zu Herzen gehenden Geschichte entziehen können. Denn der kleine Onkel verkörpert in seiner kindlichen, verletzlichen Art all das, was wir beschützen möchten. Er ist stets freundlich, niemals aggressiv oder nachtragend und letztlich nur furchtbar traurig, weil er nicht versteht, dass die Welt einen so liebenswerten Kerl nicht will. Wir verstehen es auch nicht und so fiebert der kleine, größere und sogar der erwachsene Leser mit, ob die Freundschaft zwischen dem Hund und dem kleinen Onkel - und damit ihr Glück - Bestand hat.

Dabei erfahren wir niemals ihre Namen - weder den des Hundes, noch des kleinen Mädchens - und die Erscheinung des kleinen Onkels mit seinem rundlichen Gesicht, seiner kleinen Knollennase ist nicht einmal besonders markant. Er ist ängstlich, unsicher und wirkt zu keiner Zeit wie ein Erwachsener. In seiner Liebenswürdigkeit können Kinder seine Gefühle nur zu gut verstehen und sind mit froh zu sehen, wie der Hund dem kleinen Onkel zeigt, dass man sich nicht alles gefallen lassen muss, dass man sich wehren kann. In seiner neutralen, alterslosen Art erinnert er vielleicht auch ein wenig an den berühmten Pan-Tau - ein ebenso stiller, wie verletzlicher Held. Nur, dass der kleine Onkel nicht zaubern kann mit seinem hellen, knautschigen Schlapphut.

Die einfühlsame Sprache von Barbro Lindgren erzählt die Geschichte auf eine ganz und gar ruhige Weise. Sie lässt sich Zeit und durch die zunächst unmerklichen Wiederholungen innerhalb er Geschichte schafft sie einen Rythmus, der am Ende durch seine Unterbrechung - als der kleine Onkel in den Wald geht - einen umso bedeutsameren Höhepunkt findet. Die seit 1965 schreibende schwedische Autorin hat noch heute einen starken Einfluss auf die schwedische Kinder- und Jugendliteratur. Ihre Geschichten balancieren zwischen Realität und Fantasie und behandeln auf humorvolle Art die Herzensangelegenheiten von Kindern.

Barbro Lindgren macht keine Ausflüchte, wenn es um die Gemeinheiten der "dummen Onkel" geht - es wird nichts beschönigt. Es entsteht ein Kosmos für sich, in dem Erwachsene keine Rolle spielen und doch ist er unserer Welt so ähnlich. Barbro Lindgren erzählt ein Märchen und beginnt die Geschichte mit "Es war einmal ein kleiner Onkel" - aber es könnte doch sein, dass das kleine Wunder wirklich passiert.

Die herzlich-naive und doch so ehrliche Tonart Barbro Lindgrens verbindet sich hervorragend mit den ruhigen, atmosphärischen Zeichnungen der vielfach ausgezeichneten Illustratorin Eva Eriksson. Die Kulisse ist häufig nur das typische weiße schwedische Holzhaus mit seiner roten Tür und seinem roten Dach. Im Wechsel der Jahreszeiten ändern sich die Farben der Umgebung von einem kühlen Dunkelblau über ein zartes lindgrün bis hin zu einem kräftigen Blattgrün, bis sie im Herbst schließlich in warme Gelb- und Grange-Töne übergehen. Mit leichtem Strich und zarten Aquarellfarben schafft Eva Eriksson eine Atmosphäre, die die Geschichte perfekt transportiert. Über die Körpersprache ihrer Darsteller zeigt sie Neugierde, Freude, Glückseligkeit bis hin zu tiefer Traurigkeit. Besonders der freche, struppige und zugleich so liebenswürdige Hund ist ihr in dieser Hinsicht gelungen und ist herrlich anzusehen.

Fazit:

Barbro Lindgrens schlichte und doch so berührende Geschichte versprühlt einen zeitlosen Zauber, denn sie weckt in jedem von uns die Hoffnung, dass es die kleinen Wunder doch noch gibt. Die ausdrucksstarken und zugleich zarten Illustrationen von Eva Eriksson gehen mit dem Märchen über die Freundschaft eine perfekte Verbindung ein.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Die Geschichte vom kleinen Onkel

Barbro Lindgren B., Oetinger

Die Geschichte vom kleinen Onkel

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