Die Ballade von der gebrochenen Nase

  • Boje
  • Erschienen: März 2016
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMär 2016

Idee

Bart ist eine sympathische Identifikationsfigur, die beweist, dass Mut und Tapferkeit in vielen kleinen Dingen liegen. Viele Geschichten in einer machen das Buch abwechslungsreich und spannend.

Text

Ich mag die Sprache von Arne Svingen sehr. Sie ist humorvoll, ohne jedes Pathos - diese unsentimentale Erzählweise wirkt umso glaubwürdiger. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs

Bart ist zwölf Jahre alt. Ja, und er wurde tatsächlich nach Bart Simpson benannt. Das sagt schon etwas über Barts Leben aus, das sich in keiner heilen Welt, sondern sich am unteren Ende der sozialen Leiter abspielt. Doch Bart will seine Welt nicht so sehen. Und wenn das nicht geht, dann würzt er die Realität tapfer mit einer guten Prise Humor. Auch ein Witz ist, dass Bart regelmäßig zum Boxtraining geht, obwohl er jedweder körperlichen Auseinandersetzung aus dem Wege geht. Lieber singt er Opern - heimlich. Doch dann mischt sich Ada, eine Klassenkameradin, in sein Leben ein und ändert alles.

Schwierige Verhältnisse

Bart lebt allein mit seiner Mutter in einem heruntergekommen Miethaus, in dem die Junkies regelmäßig ihre Spritzen im Treppenhaus entsorgen. Fast jede Nacht gibt es im Haus ein Mordstheater, flippt einer der Bewohner aus. Bart und seine Mutter ziehen dann ihre Köpfe ein und versuchen den schrecklichen Lärm zu ignorieren. Ihre Wohnung besteht nur aus einem Zimmer - und einem kleinen Badezimmer. Barts einzige Privatsphäre. Seine Mutter hat ein echtes Alkoholproblem, hängt immer wieder nachts in Kneipen herum und kommt dann sturzbesoffen nach Hause, überschüttet ihren Sohn mit Liebesbekundungen. Sie geht nur unregelmäßig einer Arbeit im Supermarkt nach und ebenso unregelmäßig gibt es für Bart auch Essen. Aber er beschwert sich nie. Wenn wieder mal jemand vor der Tür steht, um den Strom abzuschalten, weil die Rechnungen nicht bezahlt wurden, ist Bart sehr einfallsreich, um den Geldeintreiber wieder los zu werden. Bart muss oft lügen. Auch seiner Oma erzählt er stets, dass alles bestens laufe. In der Schule ist er eher ein Außenseiter. Er steht meist bei denen, die auch nicht so hip sind und sonst auch nicht dazu gehören würden. Er hört ihnen gar nicht zu, wenn sie sich über neue TV-Serien oder Computerspiele unterhalten. Und: Er will auch nichts erzählen, weil er nicht möchte, dass irgendjemand erfährt, in welchen Verhältnissen er mit seiner Mutter leben muss.

Dabei ist er ihr niemals böse, er liebt seine Mutter und denkt, durch das Verbergen könnte er ihr helfen. Kinder sind sehr loyal, das wird an Barts Geschichte sehr deutlich. Seiner Mutter zuliebe geht er auch zum Boxtraining, weil die findet, dass Bart sich in dieser Welt wehren können muss. Doch Bart ist wohl der friedliebendste Junge weit und breit. Es ist nahe an der Realität, dass es oftmals sehr lange dauert, bis Schule, Angehörige, Nachbarn und am Ende auch das Jugendamt mitbekommen, wenn ein Kind vernachlässigt wird. Die Geschichte von Bart zeigt auch dies. Und es wird an seiner Geschichte deutlich, wie gut es Kinder verstehen, die Umwelt darüber hinweg zu täuschen, dass es ihnen sehr schlecht geht. Und oftmals realisieren sie es auch zunächst gar nicht und haben Angst, aus der Familie genommen zu werden. Also machen sie das Beste daraus und das macht auch Bart - er richtet sich so gut es geht in diesem Leben ein, mit einer guten Portion Galgenhumor.

Seine Schilderungen vom Boxtraining sind vor allem erstmal witzig. Wer kann nur so schlecht sein, dass der Trainer ihm selbst vorschlägt, mit dem Boxen aufzuhören. Kurz, Bart ist als Boxer ein hoffnungsloser Fall. Er wird niemals zurückschlagen. Nur einmal, als jemand seine Mutter beleidigt hat, da kann er doch zuschlagen. Barts Leidenschaft gilt den Opern. Er hört sie so oft er kann, ist ein echter Kenner - und er singt selbst, heimlich "auf dem Klo". Als das Schulfest näher rückt, steht Bart auf einmal auch als "Act" auf der Liste der Darbietungen. Und seine Klassenkameradin Ada? Ada ist voll und ganz davon überzeugt, dass Bart das schafft. Doch Bart hat noch nie vor anderen Menschen gesungen - geschweige denn, vor großem Publikum. Als dann sogar noch Barts Mutter nach einem Zusammenbruch ins Krankenhaus eingeliefert wird, ist es Zeit, dass sich ganz viel in Barts Leben ändert. Das sieht auch Barts Mutter ein - doch zuvor schafft Bart es noch ein kleines Wunder in seinem heruntergekommenen Miethaus zu bewirken. Er findet ausgerechnet hier einen echten Freund. Aber wird er es schaffen vor so vielen Menschen zu singen? Wird er überhaupt einen geraden Ton herausbekommen?

Witzig, pointiert, humorvoll

Und doch sehr traurig. So könnte man Barts Geschichte zusammenfassen. Natürlich gelingt es diesem außergewöhnlichen Helden, der in keine Schublade passen will, sich irgendwie aus dem Sumpf aus Lügen und Geheimniskrämerei zu ziehen. Doch allein schafft er das nicht. Vor allem Ada ermutigt ihn immer wieder und stellt sich - trotz ihrer Fehler - als echte Freundin heraus. Auch als seine Großmutter endlich einen Ansatzpunkt hat, da die Mutter ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, ist für Bart unter dem Strich ein echter Glücksfall. Last but not Least gibt es sogar in dem Haus voller Junkies Menschen, die ihn mögen und die zu ihm halten. Familie, ein Zuhause kann so vieles sein.

Der norwegischer Autor Arne Svingen erzählt diese vielen Höhen und Tiefen, die vielen Abgründe, in die Bart uns nur zögerlich einen Blick erhaschen lässt, aus Barts tapferer, humorvoller und wirklich witziger Perspektive. Bart sieht das Glas lieber halbvoll und versucht aus allem das Beste zu machen, auch wenn er weiß, dass die Versprechungen seiner Mutter allesamt hohle Worte sind. Auch wenn es schlimm aussieht in ihrem Ein-Zimmer-Appartement, auch dann als seine Mutter wieder einmal sturzbetrunken nach Hause kommt und ihn mit ihrer falschen Liebe weckt. Er sieht und versteht das alles - aber will und kann nicht aufgeben. Und vielleicht kann sein echter Papa ihm helfen?
Vielleicht kann er dann wirklich ein Junge wie alle anderen sein, der sich mit seinen Freunden über Computer-Games oder Serien unterhalten kann.

Eine Geschichte mit vielen Facetten

Bart ist einem von der ersten Zeile an sympathisch. Er lässt sich nicht hängen, bemitleidet sich zu keinem Zeitpunkt, ist tapfer und viel zu bescheiden. Da die die Geschichte von ihm erzählt wird, bleibt man auch als Leser/in lange im Ungewissen, ob Bart wirklich so gut singen kann - denn er findet sich natürlich nur überzeugend, wenn er nur für sich singt. Ein cleverer Kniff von Arne Svingen, der damit die Spannung aufrecht hält. Aber auch dass so viele Geschichten in dieser einen Geschichte stecken, macht das Buch einfach abwechslungsreich. Man bleibt neugierig, wie Barts Weg weitergeht, ob er es schaffen wird, endlich ein ganz normales Teenagerleben zu führen.

Ich mag die Sprache des vielfach ausgezeichneten Jugendbuch-Autors Arne Svingen sehr. Sie ist humorvoll, ohne jedes Pathos - und einfach authentisch. Besonders der Wortwitz, dem er seinem jungen Helden leiht, macht das Buch über viele Passagen hinweg sehr unterhaltsam - und es ist umso ergreifender, wenn es nichts mehr zu spaßen gibt. Da wirkt gerade diese unsentimentale Erzählweise umso glaubwürdiger. Somit ist es ein sehr gutes Buch für Leser/innen ab 10/11 Jahren -mit etwas Leseerfahrung - und natürlich auch für ältere, ab 12 Jahren, die die vielen Zwischentöne wahrscheinlich schneller wahrnehmen können. Doch gerade weil Bart seine Leser/innen sehr behutsam in seine eigene, kleine Welt mitnimmt, werden gerade die jüngeren Leser/innen in sehr gut "abgeholt".

FAZIT

Arne Svingen erzählt aus der Perspektive eines außergewöhnlichen Helden: Von einem 12-jährigen Boxer, der nicht zurückschlagt, von einem talentierten Sänger, der nur im Geheimen singt. Er erzählt gefühlvoll aber nicht sentimental. Sein gutes Gespür für die alltägliche Situationskomik macht das Buch so leicht und unterhaltsam, gerade für Leser/innen ab 10/11 Jahren. Man kommt Bart deshalb nicht gleich auf die Spur. Hat man aber einmal Bart ins Herz geschlossen, will man ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Er ist eine sympathische Identifikationsfigur, die beweist, dass Mut und Tapferkeit in vielen kleinen Dingen liegen und Stärke vor allem bedeutet, nicht aufzugeben und andere Menschen zu erreichen. Sogar jene, die sich selbst schon aufgegeben hatten.

Stefanie Eckmann-Schmechta, März 2016

Die Ballade von der gebrochenen Nase

Arne Svingen, Boje

Die Ballade von der gebrochenen Nase

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