(K)ein Platz für uns

Illustration: Terri Rose Baynton
Übersetzung: Bernd Stratthaus

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Sigrid Tinz
90%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonFeb 2019

Idee

Ein Bilderbuch mit Seehunden. Wenn man es von vorne liest, geht es ums Ausschließen. Von hinten wendet sich die Geschichte und erzählt vom Ankommen und Aufnehmen.

Bilder

Die Illustrationen sind meer- und himmelblaufarbene Aquarelle. Darauf und darin schwarze umrissene Seehunde mit silberigem Fell und ausdrucksvoller Mimik.

Text

Wenige Worte, die vorwärts gelesen einen ganz anderen Sinn ergeben als rückwärts. Als wäre es Magie – aber eigentlich kommt es nur auf die Betrachtungsweise an.

Ein Buch, zwei Geschichten

Das blaugraue Meer, helle Wolken, der Himmel und ein Felsen – das zeigt uns die erste Seite der Geschichte. Auf dem Felsen, in der Sonne, fläzen drei Seehunde. Liebenswerte Figuren, gleichzeitig lebensecht. Es ist mit diesem Buch ein bisschen wie im Zoo: An Seehunden kann man einfach nicht vorbei gehen und auch hier muss man hinschauen. Und hinfassen. Besonders das Cover ist optisch und haptisch ein Genuss: Das Seehundfell ist mit Silber verziert und die Flecken darauf kann man mit den Fingern spüren.

Auf der nächsten Seite sehen wir zwei weitere Seehunde, ein erwachsenes Tier und ein Baby. Sie schwimmen in Richtung des Felsens der drei anderen. Die ihnen statt einer Begrüßung „Haut ab“ entgegen rufen und auch bis zum Ende dabei bleiben: „Ihr werdet nie von uns hören: hier seid ihr willkommen!“

Kein gutes Ende, erst einmal

Text hat das Buch wenig. Es gibt immer nur einen, manchmal nur einen halben Satz pro Seite.  Fast immer ist es Redetext. Einzelne Wörter sind groß und anders gedruckt, so weiß der Vorleser, was wie zu betonen ist. Und das Gesamtbild sieht abwechslungsreich aus.

Die Geschichte der fünf Seehunde bietet viele Gesprächsanlässe: Im Kleinen zu Themen wie Mitspielen lassen und Mitfühlen und Teilen,  im Großen zu Themen wie Flucht und Heimat. Weil alles relativ offen bleibt, die Gründe, die Gefühle, kann auch das Gespräch offen bleiben. Kann jedes Kind erst einmal das darin lesen, was es zu diesen Themen selber denkt und fühlt. Deshalb eignet sich das Buch sehr gut, um es mit Kindergartengruppen oder Grundschulklassen zu lesen. Ausschließen und Mitmachen lassen sind da ja immer wieder aufs Neue in allen Varianten Thema.

Aber es geht auch anders

„(K)ein Platz für uns“ hat eine tolle Besonderheit, die durch die Klammer im Wort (K)ein schon angedeutet ist: Am eigentlich traurigen Ende ist die Geschichte gar nicht zu Ende. Auf der allerletzten Seite steht:

„Ist hier wirklich kein Platz? Lest das Buch einfach von hinten nach vorne für die andere Seite der Geschichte.“

Diese Wende-Möglichkeit ist ein spannendes Buch-Projekt – unabhängig von der Botschaft. Manche Kinder wollen gleich das ganze Buch auf den Kopf drehen und alle sind gespannt, wie das denn gemeint sein kann und ob das aufgehen kann, dass es von hinten nach vorne und auch von vorne nach hinten zu lesen ist ….

Und es funktioniert

Von hinten gelesen, startet die Geschichte mit dem Elterntier und dem Kleinen, die los schwimmen und dem anderen Felsen immer näher kommen. Die Sätze greifen auch „rückwärts“ ineinander, die Mimik der Tiere passt wie magisch zum nun neuen Inhalt. Und am Ende – auf der diesmal letzten Seite – ist alles anders: Die drei Seehunde sehen die anderen zwei und sagen: „Hier seid ihr willkommen. Ihr werdet nie von uns hören: Haut ab.“

Fazit:

Seehunde sind nicht allzu häufig die Hauptfiguren in Kinderbüchern, aber absolute Sympathieträger. Wenn sie so ausdrucksvoll, drollig und lebensecht gestaltet sind wie hier, erst recht. Die Geschichte, die mit ihnen erzählt wird, handelt vom Abweisen, Nicht-Abgeben und Ausschließen – wenn man es von vorne liest. Liest man das Buch von hinten, wendet sich das Thema und erzählt vom Ankommen, Teilen und Aufnehmen. Eine tolle Idee, großartig umgesetzt, so dass es nicht nur gut funktioniert, sondern beinahe ein bisschen magisch wirkt.

(K)ein Platz für uns

Jol Temple, Kate Temple, Annette Betz

(K)ein Platz für uns

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