Freischwimmen

 Julian Greis (Sprecher), Birgitt Kollmann (Übersetzerin)

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Sigrid Tinz
75%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonFeb 2020

Idee

Weil Cyms Mutter Angst hat, ihrem Sohn könnte beim Schwimmen etwas passieren, passiert genau das, was sie vermeiden will. Und es passieren noch viel schlimmere Dinge, die mit ehrlicher Offenheit vielleicht weniger schlimm gewesen wären.

Text

Dieses Hörbuch wird wirklich gelesen, nicht gespielt wie so viele andere. Diese ruhige Art tut der dramatischen Geschichte gut.

Angstschwimmer

Cymbeline, genannt Cym, ist neun, aber das passt nicht so. Manches Mal in dieser Geschichte könnte man meinen, er sei sogar noch viel jünger. Denn seine alleinerziehende Mutter behandelt ihn wie ein Kleinkind, lässt ihn nicht aus den Augen, ist überfürsorglich, was Schule, Körperpflege, Medienkonsum und alles rund um den Alltag angeht. Gleichzeitig lässt sie ihn in vielen Dingen aber komplett allein, weil sie mit sich und ihrer Vergangenheit beschäftigt ist; wovon sie Cym selbst in den den Punkten, die ihn betreffen, nichts erzählt. So muss er emotional an mancher Stelle mehr leisten, als es für einen Neunjährigen angemessen ist. Und auch dann passt sein Alter nicht mit dem Eindruck zusammen, dann wirkt er nämlich viel, viel älter.

Ein Junge, der noch nie schwimmen war

Konkret vermeidet die Mutter das Thema Schwimmen wie der Teufel das Weihwasser, und zwar in Theorie und Praxis. Sie hat ihre Gründe, ihrem Sohn erzählt sie aber etwas von Bakterien, Chlor und Schamhaaren anderer Menschen, die im Wasser schwimmen und eklig sind. Sie betrügt ihn regelrecht, wenn er sich wünscht, doch endlich mal schwimmen zu gehen. Denn das war er noch nie. Noch NIE. Cym will aber, denn bald steht in der Schule Schwimmen auf dem Stundenplan. Weil die Mutter so abweisend und ausweichend ist, übt er heimlich in der Badewanne und liest Tutorials im Internet. Als Badehose packter er die alte von seinem Vater ein.
Als er am Schwimmtag einfach ins Becken springt, kommt es, wie es kommen muss: er ertrinkt beinahe. Weil Papas Badehose viel zu groß ist, rutscht sie runter, sein Retter zieht ihn ohne aus dem Wasser – und die ganze Klasse schaut zu. Das letzte was er hört ist „Man sieht seinen Pimmel, man sieht seinen Pimmel.“ Dann kommt die Mutter, ihn abzuholen.
Am nächsten Tag wird sie selber abgeholt, nach einem psychischen Zusammenbruch, in die Klinik gebracht. Cym wird bei seinem Onkel und seiner Tante einquartiert. Dann, ausgerechnet an seinem Geburtstag, ist die Mutter ganz verschwunden.
Und wenn eine Helikoptermutter an dem Geburtstag ihres Sohnes nicht da ist, dann ist es wirklich ernst. Und es wird noch viel ernster.

Cym wirkt älter und jünger zugleich

Der Autor schreibt sonst Romane für Erwachsene, dies ist sein erstes Kinderbuch. Das ist vielleicht der Grund, warum es manchmal fast zu ernst sein könnte für die anvisierte Altersgruppe. Nur weil die Geschichte aus Sicht eines neunjährigen Kindes geschrieben ist und dieses Kind auch der Ich-Erzähler ist, heißt es nämlich nicht, dass es auch für Neunjährige passt vom Inhalt. Ein solches Drama aufzudröseln wie in Cyms Familie geht eigentlich gar nicht mit kindlichen Worten. Vor allem, wenn der eigentliche Grund für alles gar nicht wirklich der lange zurückliegender Badeunfall ist – denn Cym ist schon einmal fast ertrunken als Baby – sondern das Gerangel zweier Frauen um einen Mann.
Gelesen wird das Hörbuch von Julian Greis. Der junge Schauspieler er liest es wirklich und spielt es nicht. Das wäre bei dem intensiven Inhalt wohl auch zuviel gewesen.

Fazit

„Aus Angst, der Tod könne uns das Kind entreißen, entziehen wir es dem Leben“, das hat ein  berühmter Pädagoge und Kinderarzt, Janusz Korczak, einmal gesagt. Was man damit einem Kind antun kann, vor allem wenn noch Geheimniskrämerei und Vermeidungsverhalten dazukommt, zeigt Cyms Geschichte in aller möglichen Dramatik. Es geht um viel mehr, als nur darum, dass er noch nie Schwimmen war.

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