Opa, ich kann Hummeln zähmen
- Sauerländer
- Erschienen: Mai 2007


[ab 5 Jahren]
Wie schwer fällt es uns Erwachsenen, gerade auch in der eigenen Trauer, Kindern den Tod eines geliebten Verwandten zu erklären. Wie gerne möchten wir ihnen einfach ihren Kummer nehmen und suchen nach passenden Worten. Aber gelingt es uns überhaupt, ihnen kindgerecht zu begegnen? Wie denken Kinder, was fühlen sie und was können wir ihnen zutrauen? Monika Feth wirft durch die Hauptfigur Jori viele Fragen auf und gibt damit zugleich jede Menge Antworten.
Schon mit dem ersten Satz wird das Thema klar kommuniziert: ";Opa ist tot." Joris Mutter erklärt, dass Opa nun für immer eingeschlafen sei. Auch wenn Jori genau zugehört hat, versteht er das nicht genau. Für immer, das ist eine lange Zeit. Und er kann Opa nirgendwo schlafend finden. Nicht im Bett, nicht im Sessel am Fenster, nicht in der Hängematte im Garten. Oma sagt, Opa sei im Himmel. Sie weint, als sie das sagt. Ist das etwa ein so schlimmer Ort? Dabei ist Jori überzeugt, dass es Opa gefallen würde, einen Tag auf einer Wolke zu schlafen. Aber was, wenn alle Wolken verschwunden sind? ";Opa ist beim lieben Gott", meint Tante Ann. Gott ist in der Kirche, weiß Jori. Also hat er nachgeschaut. Aber auch in der Kirche ist Opa nicht. Dabei lügt Tante Ann doch nie...
Ein Traum eröffnet Jori schließlich einen neuen Zugang zu seiner Trauer. Denn hier begegnet er seinem Opa an dessen Lieblingsort - dem Garten. Doch der bietet mittlerweile einen eher verwahrlosten Anblick und so geht Jori in die Verantwortung (";Einer muss sich um Opas Pflanzen kümmern."). Aber die anstrengende Arbeit ermöglicht es ihm auch, seinem Großvater sehr nahe zu sein: Schließlich entdeckt er hier, in Opas Garten, das Wirken seines Großvaters - schöne und bleibende Erinnerungen werden wach. Als sich Jori kurz zur Ruhe setzt, meint er seinen Großvater ganz genau spüren zu können und er öffnet sich für den inneren Dialog, alls eine Hummel angeflogen kommt und sich auf seinen Arm setzt: ";Guck mal, Opa", sagt er leise. ";Ich kann Hummeln zähmen."
Monika Feth´s Begegnung mit der kindlichen Trauer ist ein komplexes und tief gehendes Bilderbuch. Sie schafft schnell emotionale Dichte und erlangt so auch die Aufmerksamkeit des Zuhörers. Sie stellt sich gleich zu Beginn auf die Seite des trauernden Kindes und versucht dessen elementare Berührungspunkte auszumachen. Die Autorin geht zielstrebig aber behutsam vor, versteckt sich nicht hinter abschweifender Poesie. Sie formuliert Joris Gedanken und Fragen, zumeist präzise und für Kinder nachvollziehbar, in kurzen Sätzen.
Für Erwachsene mag die Erkenntnis sicherlich nicht überraschend sein, dass die gut gemeinten, beruhigenden Erklärungsversuche wahrlich nicht den gewünschten Effekt erzielen und Kindern nur wenig konkrete Ansätze zur Überwindung der persönlichen Trauer liefern. Jori schöpft schließlich Kraft aus seinen eigenen Erinnerungen - schöne Momente, Geschichten, Orte und Begebenheiten. Die anfängliche Unruhe und Verwirrung weicht zusehends der Zuversicht und Klarheit.
Die Wahl auf Isabel Pin als Illustratorin konnte hier treffender nicht ausfallen. Ihr offener und leichter Stil gleicht die Ernsthaftigkeit der Thematik aus, schafft Ruhe und wichtige visuelle Ankerpunkte. Sie lässt viel Raum für die eigene Vorstellungskraft und regt die Phantasie an. Der souveräne Umgang mit Farben, perspektivischer Spannung und teils wunderbaren Symbolik, betonen die sehr sensiblen Momente.
Fazit:
";Opa ich kann Hummeln zählen" entwaffnet vielleicht in erster Linie Eltern und Erwachsene. Das auf emotionaler Ebene mit viel Substanz arrangierte und dabei zugängliche Kinderbuch richtet damit seine deutliche Botschaft an Kinder wie Eltern gleichermaßen. Auch die Trauer unserer Kinder ist ein langer Weg, auf dem wir sie begleiten können (und auch sollen), den aber nicht andere bestimmen und schon gar nicht mit wenigen Worten auflösen können. Monika Feth und Isabel Pin können mit ihrem Bilderbuch einen konstruktiven und harmonischen Beitrag zur verständnisvollen Trauerbewältigung leisten.

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