Großer Wolf und kleiner Wolf

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Kinderbuch Couch
86%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2009

Idee

Eine spannende aber leise Geschichte zum Thema Freundschaft und Mut, die uns nahe geht und Kindern Werte vermittelt.

Bilder

Spannung erzeugende Perspektivwechsel und ausdrucksstarke Mimik. Die kräftigen Bilder unterstützen den Text bestens.

Text

Gut gelöste, wechselseitig starke Beziehung zu den Bildern, leicht philosophisch aber jederzeit kindgerecht.

Wenn das Glück einfach nicht vom Baum fallen will, dann braucht man schon einen sehr guten Freund, der versteht, wie einem zumute ist.

Es ist Frühling und hoch oben, in der Krone des großen, schattenspendenden Baumes hängt ein ganz besonderes, zart grün leuchtendes Blatt, das der kleine Wolf unbedingt haben will. Er bittet den großen Wolf, das Blatt für ihn zu holen. Doch der ist der Meinung, dass das Blatt ohnehin eines Tages zu Boden fallen werde. Im Sommer wird der kleine Wolf schon ungeduldig und im Herbst kann er es kaum erwarten bis das Blatt, wie alle übrigen Blätter, hinuntersegeln wird. Es wird braun und sieht so kuschelig aus, dass der kleine Wolf es kaum erwarten kann, seine kleine Schnauze daran zu reiben. Aber auch jetzt vertröstet der große Freund den kleinen Träumer und bittet ihn um noch ein wenig Geduld. Als im tiefsten Winter das Blatt, mittlerweile schwarz wie Kohle, noch immer am kahlen Baum hängt gibt der kleine Wolf die Hoffnung auf.

Doch sein großer Freund nimmt die Enttäuschung wahr und entschließt sich, das Blatt nun doch zu holen. Einfach um die Augen des kleinen Wolfes wieder leuchten zu sehen. Eine waghalsige Klettertour auf den verschneiten Zweigen des Baumes beginnt, im Laufe derer der Kleine um den Großen Angst entwickelt. Nachdenklich spürt er, dass das Blatt dieses Wagnis nicht wert ist. Unbeirrbar nähert sich der große Wolf Ast für Ast dem Blatt und als er es endlich berührt löst es sich in feine schwarz-golden glitzernde Staubkörner auf, die wie ein Sternenregen am Himmel der untergehenden Wintersonne aussehen. Der Kleine schmeckt, sieht, berührt sein Blatt und zittert vor Glück. Beide lächeln und der große Wolf findet, "das war es wirklich wert gewesen".

Ob man in dem ungleichen Wolfspaar nun Freunde sieht oder ob man eher das Gefühl hat, es könnte sich um Vater und Sohn handeln, ist nicht ausschlaggebend. Denn die Botschaft ist klar: manchmal ist es eben einfach wichtig über seinen Schatten zu springen und etwas zu tun, auf das man keine Lust hat oder das man sich nicht traut, um dem anderen eine Freude zu schenken. Freunde tun so etwas und auch Erwachsene sollten sich immer wieder daran erinnern, dass dieses gewisse Strahlen in den Augen unserer Kinder so kostbar ist.

In jedem Fall schult dieses Buch das emotionale Empfinden von Kindern. Es zeigt, dass es gut ist, Wünsche zu überdenken; dass es normal ist, in brenzligen Situationen Angst um einen Freund zu haben und wie gut es tun kann, wenn man sich für den anderen einsetzt.

Unterstützt wird diese Vielzahl an positiven Denkanstössen durch stimmungsvolle Farben und den mit ganz einfachen Mitteln beeindruckend erstellten, doppelseitigen Zeichnungen von Olivier Talec. Mit groben Pinselstrichen im Hintergrund wird die passende jahreszeitliche Atmosphäre geschaffen. Mit gezielten Bleistift-Strichen die richtigen Akzente gesetzt. Die eher ungewöhnlich dargestellten Wölfe, der Kleine in hellblau mit treuen Augen und der Große mit der langen, spitzen Schnauze, sprechen in ihrer Originalität sofort an. Das gilt ganz besonders auch für die Mimik des großen Wolfs, dessen Gefühlswelt - von entspannt-nachdenklich über mutig-ängstlich bis hin zu zufrieden - beinahe ausschließlich über die Augen ausgedrückt wird.

Diese Reduktion auf das Wesentliche macht jedoch den geschickt platzierten Einsatz von Text nötig, was Nadine Brun-Cosme zu jederzeit bestens gelungen ist. Wenn z.B. das Blatt nach Berührung durch den großen Wolf zu Staubkörnchen zerfällt, dann sind das optisch schwarz-braune Punkte, die durch die Luft segeln. Trotzdem sehen wir Sterne, denn "...der kleine Wolf staunte den Sternenregen an, der sich sacht auf ihn herabsenkte". Gepaart mit dem staunenden Gesichtausdruck des Kleinen, sehen auch wir die Sterne tanzen. Ein Beispiel dafür, wie sich Bilder und Text perfekt ergänzen können.

Beim ersten Durchblättern könnte man vermuten, dass kleine Kinder den Sinn des leicht philosophisch angehauchten Buches nicht erfassen können. Doch diese Befürchtung ist unbegründet, was auch daran liegt, dass es einfach sehr spannend ist. Dem großen Wolf ist die Angst vorm Herunterfallen aus der verschneiten Baumkrone anzusehen und durch den optisch geschickt eingesetzten Perspektivwechsel (von der Sicht des kleinen zur Sicht des großen Wolfes), kann man die Furcht vor der schwindelerregenden Höhe gut nachempfinden.

Entgegen dem Untertitel " Das Glück das nicht vom Baum fallen wollte" fällt es mit Hilfe des großen Wolfes schließlich doch und der kleine Wolf "zitterte vor Glück". Wirklich rührend!

Fazit:

Eine feinfühlige Geschichte um Mut und den Wert von Freundschaft, die in der vor uns liegenden schmuddelig-kalten Jahreszeit richtig gut tut. Nicht nur, dass das Buch seinen spannenden Höhepunkt im verschneiter Landschaft hat, es wärmt auch das Herz, so dass man es immer wieder hervorholen möchte, um es dann aneinandergekuschelt auf der Couch noch einmal zu genießen.

Gabriele Jansen

 

Großer Wolf und kleiner Wolf

Nadine Brun-Cosme, Gerstenberg

Großer Wolf und kleiner Wolf

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