Der Magische Dieb

  • cbj
  • Erschienen: Dezember 2009
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonDez 2009

Idee

Eine atmosphärisch neue und dichte Welt der Zauberei, sehr nahe an der Perspektive der Kinder und bietet, trotz aller Bedrohungen, einen gut verdaulichen Nervenkitzel. Sehr schöner Aufbau der Hauptcharaktere, allen voran Conn und Benet.

Bilder

Die Aufmachung des Buches ist insgesamt sehr ansprechend; begleitende s/w-Ilustrationen von Antonio Javier Caparo, die eine Karte Wellmets, Gebäude und andere Details aus der Welt Conns zeigen.

Text

Sarah Prineas schreibt stimmungsvoll und ganz aus der Perspektive von Conn, bzw. Neverys. Ihre Sprache ist treffend, bildreich und gewährt durch ihre Betrachtungsweise auch humorvolle und herzliche Einblicke. Aus dem Englischen von Knut Krüger.

Kinderbuch des Monats [12.2009]. Der Junge Conn schlägt sich als Taschendieb in den finsteren Gassen von Twighlight durch. Doch der Diebstahl eines magischen Steins verändert sein Leben vollkommen. Eigentlich hätte Conn bei dem Versuch, Zauberer Neverys "Locus Magicalicus" zu stehlen, sterben müssen. Dass dem aber nicht so ist, weckt die Neugier Neverys und verhilft dem Jungen nicht nur zu einer ordentlichen Mahlzeit...

... Der Junge mit Namen Connwaer hegt zunächst Misstrauen gegenüber dem alten Mann, der offensichtlich ein Magier ist. Aber die Tatsache, dass er seit Tagen nichts mehr gegessen hat und dass ihm die Kälte sehr zusetzt, lässt den Jungen alle Vorsicht vergessen. Conn ist zerlumpt, trägt noch nicht einmal Schuhe, hat aber seinen Stolz und ist mit seinen geschickten Fingern und seinen lautlosen Bewegungen immer einigermaßen durchs Leben gekommen.

Der Zauberer, der ihn in seine Dienste nimmt, Nevery Finnglas, hat viele Jahre in der Verbannung gelebt und ist wieder nach Wellmet zurückgekehrt. Die magische Kraft des Ortes, aus der sich alle Energie speist, droht zu schwinden. Die Herzogin, die Nevery einst verbannte, begnadet ihn widerstrebend, denn er soll seine wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Aufklärung des Phänomens einbringen. Nevery selbst ist sicher, dass weder die Herzogin noch der Rat der Magier ohne ihn etwas ausrichten können und tritt entsprechend selbstbewusst auf.

Auf dem Weg zu dem alten Familienstammsitz der Familie Finnglas, der Villa Herzensleicht, holt Nevery einen furchteinflößenden, hünenhaften Mann ab, der Connn mit dem Namen Benet vorgestellt wird. Benet scheint, gelinde gesagt, nur wenig begeistert über den neuen "Rekruten" zu sein und Conn fürchtet sich vor dem finsteren Kerl. Doch das wird sich noch von Grund auf ändern.

In der halb verfallenen Villa angekommen, richten sich die drei so gut es geht ein. Conn bezieht das zugige Dachzimmer, deren Fenster noch nicht einmal Glasscheiben haben.

Nevery, der ausspionieren will, ob sich alles zu seinen Gunsten entwickelt, verwandelt Conn in eine Katze. Dabei war es nicht von vornherein klar, welche Gestalt der Junge annehmen würde - die tierische Gestalt entspricht dem Wesen des Menschen. Auch diese Verwandlung übersteht der Junge außergewöhnlich gut und hat sogar sichtliches Vergnügen an seiner neuen Gestalt. Als Katze getarnt, soll Conn nun in das Ratsgebäude eindringen, dem Regierungssitz der Magier, um die Ratsmitglieder auszuhorchen. Doch unversehens findet sich Conn schnurrend auf dem Schoß des Zauberers Brumbee wieder. Conn kann in Erfahrung bringen, dass zur Aufklärung des magischen Energieverlusts zunächst der machthungrige Pettivox mit dem Fall betraut werden soll. Doch die Allgemeinheit spricht sich dagegen aus - da scheint ihnen der ehemals verbannte Nevery Finnglas doch der bessere Kandidat zu sein.

Conn, der der Überzeugung ist, dass er ein angehender Lehrling des Zauberers ist, eignet sich jedes noch so kleine Detail an und überrascht durch seine Zähigkeit und Intuition. Doch zu seiner tiefen Enttäuschung muss er von Nevery hören, dass dieser niemals vorhatte, Conn als Lehrling zu behalten. Er könne jedoch als Laufbursche bleiben. So sehr Conn auch die regelmäßigen Mahlzeiten und ein wenigstens bescheidenes Dach über dem Kopf schätzt, als Laufbursche will er für den Zauberer nicht arbeiten. Lieber geht er zurück auf die Straße. Als Conn Nevery damit konfrontiert und sein Talent wieder einmal unter Beweis stellt, ändert Nevery seine Meinung und nimmt Conn als seinen Lehrling auf. Conn ist sein erster Lehrling und er soll in der Akademie, die sich, wie auch die Villa Herzensleicht oder das Ratsgebäude, auf einer Insel in der Mitte des Flusses befindet, unterrichtet werden. Da Conn aber nie Lesen und Schreiben gelernt hat, soll er zunächst von einer Mitschülerin Zusatzunterricht erhalten, die keine geringere als Rowan Forestal, die Tochter der Herzogin, ist. Conn lernt mit rasanter Geschwindigkeit und kann binnen kürzester Zeit an dem geregelten Unterricht teilnehmen. Alles, was Conn aber noch fehlt, ist ein eigener "Locus Magicalicus". Er hat dreißig Tage Zeit, um ihn ausfindig zu machen. Nevery soll ihm, als sein Meister, dabei behilflich sein. Doch der ist ganz mit sich und seiner Wissenschaft beschäftigt, um die Ursache für das Abnehmen der Magie zu finden. Er lässt Conn bei der Suche im Stich und das im doppelten Sinne; denn er schlägt auch Conns Verdacht, dass der zwielichtige Pettivox mit dem Energieabfluss zu tun hat, in den Wind. Zu allem Übel holt sich Nevery auch noch Keeston, den Lehrling von Pettivox, ins Haus.

Am dreißigsten Tag, dem letzten vor Ablauf seiner Frist, ist Conn verzweifelt. Wenn er nun seinen magischen Stein nicht findet, kann er nicht länger Lehrling von Nevery sein und wird die Akademie verlassen müssen. Brumbee und Rowan versuchen ihm zu helfen, doch Conn ahnt, dass sein Stein irgendwo in "Sunrise", dem wohlhabenden Stadteil von Wellmet sein muss, dort, wo auch die Herzogin herrscht. Benet, der insgeheim schon lange ein liebevolles und wachsames Auge auf den Jungen hat, weiß, dass er ohne seinen Stein nicht zurückkehren wird. Meister Nevery wird das erst bewusst, als der schweigsame Hüne ihn mit seinen knappen Worten darauf hinweist.

Als Conn endlich seinem Locus Magicalicus begegnet, ist es ein Ding der Unmöglichkeit, diesen Stein zu erlangen. Doch der Ruf des Steins ist so stark und fordernd, dass Conn alle Vorsicht fahren lässt. Es gelingt ihm zwar, den kostbaren Stein für einen Moment an sich zu bringen, doch im nächsten landet er schon in den Kerkern der Herzogin.

Dieses Mal hilft ihm Nevery aus der Patsche; doch als Conn seinen Meister am dringensten gebraucht hätte, lässt Nevery, der den Worten Pettivox mehr glauben schenkt als seiner eigenen Intuition, den Jungen fallen. Enttäuscht verlässt Conn die "Villa Herzensleicht". Doch er hat eine Spur, die zur Aufklärung der schwindenden Magie führt. Conn ist fest entschlossen, Wellmet vor dem totalen Verlust der magischen Kraft zu bewahren und schreckt vor nichts zurück; auch davor nicht, sich und seinen kostbaren Stein für diese Sache zu opfern.

Sarah Prineas erster Band der geplanten Trilogie um den magischen Dieb, holt den Leser schon auf den ersten Seiten in eine dichte Atmosphäre, die durch ihre Erzählweise und den klugen Spannungsaufbau bestimmt wird. Auf packende Art deckt die amerikanische Autorin nach und nach die Strukturen auf, die Wellments Schicksal bestimmen und beschreibt damit eine Welt, die sich am ehesten in der frühindustrielle Zeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts ansiedeln liesse. Das Elend, das in dem armen, heruntergekommenen Stadtteil "Twighlight" anzutreffen ist, mit seinen Fabriken und den schwer arbeitenden Menschen - und vielen Kindern - die unter der Monotonie ihrer Arbeit leiden, erinnert schon sehr daran. Conn hat sich entschieden, nicht an einer der Maschine zu enden und hat für sein Auskommen lieber als Taschendieb gesorgt, auch wenn das bedeutet, dass ihm der "Underlord" im Nacken sitzt. Ein Wolf im Schafspelz ist dieser Underlord, der mit sanfter Stimme eloquent über seine wahren Absichten hinwegtäuscht, während er vor einem Mord nicht zurückschreckt. Wir erfahren, dass der Underlord auch Conns Mutter auf dem Gewissen hat und dass Conn sogar dessen Neffe sein soll. Das Verwandschaftsverhältnis sowie die Herkunft Conns bleiben nebulös. Sie bedeuten ihm nichts und er verschweigt diese Dinge lieber. Conn macht ohnehin nicht viele Worte um sich, schon gar nicht zu den schmerzhaften Momenten seines Lebens. Frei von jedem Selbstmitleid, ist er ein aufrechter und zäher Kerl, der stolz ist - auch auf seine Fähigkeiten, so dass es nicht wirklich erstaunt, dass er Nevery weiterhin mit dessen Vornamen anspricht, statt, wie üblich, mit "Meister".

So allmählich Sarah Prineas ihre Charaktere aufbaut, so allmählich wird der Leser Zeuge einer langsamen Annährung der Protagonisten. Allen voran Benet ist eine wirkliche Überraschung und Bereicherung. Dabei ist es nur von Vorteil, dass die Autorin ihren Helden erzählen lässt, nämlich Conn. Seine unsentimentale Sicht auf die Dinge macht die Geschichte wirklich glaubhaft und berührend, muss man bei Conn doch oftmals zwischen den Zeilen lesen, um seine Gefühle zu erahnen. Sarah Prineas verlässt zu keinem Zeitpunkt ihrer Geschichte die Perspektive des Jungen. Dafür wechseln sich seine Schilderungen - die nicht selten, durch seine trockenen Kommentare, sehr witzig sind - mit den Tagebucheinträgen oder Briefen von Nevery ab. Dieser Mann ist so fern aller Realität, dass er als letzter mitbekommt, welche Bedeutung der "Junge", wie er ihn die meiste Zeit nennt, für ihn gewonnen hat. Es wirkt manchmal geradezu krampfhaft, wie der eigenbrödlerische und launische Nevery versucht, die Distanz zu dem "Jungen" aufrecht zu erhalten. Ganz anders Benet, der schon früh, wenn auch unmerklich, sein Herz für den tapferen Conn, der sich niemals beklagt, entdeckt. Benet - ein ganzer Kerl - zeigt dies nicht durch Worte. Bei Benet sieht man die tiefe Zuneigung über den selbstgestrickten Pullover, bei dessen Entstehung Conn die ganze Zeit zusehen konnte ohne zu wissen, dass dieser riesige Kerl für ihn strickt; oder durch die Tatsache, dass Benet endlich Fenster in die Rahmen des zugigen Dachzimmers einsetzt - natürlich ohne jede Ankündigung.

Sarah Prineas erster Band des Magischen Diebes "Auf der Jagd nach dem Stein der Macht" - im Original mit dem Untertitel "Book One" - ist ein durchweg gelungener Auftakt der Trilogie; er ist in sich abgeschlossen und doch bleiben noch ein paar interessante Fragen und damit die Neugier auf Conns Abstammung und weiteren Lebensweg. Darüberhinaus ist die Welt, die Sarah Prineas erschaffen hat, noch sehr ausbaufähig und schon jetzt von einer so einladenden Atmosphäre, dass man sehr gerne wieder zurückkehrt. Auch wenn Wellmets Welt oftmals sehr düster und ungemütlich ist, gelingt es Sarah Prineas mit leichter Hand - mittels ihrer Charaktere und ihres trockenen Humors - niemals ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit aufkommen zu lassen.

Seit August 2009 ist auch das Hörbuch zum ersten Band im Handel erhältlich. Sprecher ist Nico Sablikes, der dem Harry-Potter-Darseller Daniel Radcliffe seine deutsche Stimme leiht. Da drängt sich der Vergleich zu den berühmten Harry-Potter Romanen direkt auf. Doch den braucht die atmosphärisch ganz anders angelegte Geschichte um den Straßendieb Conn nicht zu scheuen. Obwohl es Parallelen gibt, wirkt diese Welt weit weniger heil und ist frei von jeder Sentimentalität - auch das schöne, geregelte Leben in der Schule, die in den Harry-Potter-Romanen ein Ort der Geborgenheit ist, findet hier nicht statt. Dieses Potential hätte eher die "Villa Herzensleicht" und ihre beiden etwas verschrobenen Mitbewohner... Ich freue mich auf jeden Fall schon auf den zweiten Band.

Fazit:

"Der Magische Dieb - Auf der Jagd nach dem Stein der Macht" ist ein rundum gelungener Auftakt zu einer neuen Trilogie. In ihrem Debütroman um einen Zauberlehrling der ganz besonderen Art, hat Sarah Prineas eine wunderbare Balance zwischen düsterer Spannung und gefühlvollen Lichtblicken gefunden. Sehr lesenswert!

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Der Magische Dieb

Sarah Prineas, cbj

Der Magische Dieb

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