Julie und Schneewittchen

  • Arena
  • Erschienen: Dezember 2009
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Kinderbuch Couch
89%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonDez 2009

Idee

Die lebensnahe Geschichte mit sympathischer Heldin und anderen realitätsgetreuen Charakteren bietet einen hohem Identifikations- und Erinnerungswert.

Bilder

Die lustigen Zeichnungen von Katja Spitzer bereichern und unterstreichen die Handlung

Text

Die schwungvolle Erzählweise und die kindgerechte Sprache sorgen für hohe „Suchtgefahr“.

[ab 11 Jahren]

Julie ist zwölfeinhalb und ihr Leben hat Hoch-und Tiefpunkte: Streit mit der besten Freundin, die erste Liebe, die Mutter leidet unter postnataler Depression und ihre Eltern streiten sich. Anvertrauen kann sie sich daher nur einer Frau von einer Telefonsexhotline und ihrem Tagebuch.

Das hört sich jetzt eher nach schwermütigen Problembuch an, ist es aber überhaupt nicht.

Zuerst ist Julie überglücklich, denn sie hat eine gute beste Freundin, Hanna, ist beliebt in ihrer Klasse und hat gerade eine kleine Schwester bekommen. Zu deren Geburt bekommt Julie von ihrer Oma Mumi ein Tagebuch, dem sie sich anvertrauen soll, falls sie sich einsam fühlt

Von nun an gehen die Dinge bergab: Julies Mutter leidet untetr einem schweren Fall von Baby-Blues und weint ununterbrochen, ihr Vater ist vollkommen überfordert mit Job und seiner depressiven Frau und gerade jetzt, da Julie Unterstützung gebrauchen könnte, benimmt sich Julies beste Freundin Hanna sehr seltsam. Nicht nur, dass sie die ganze Klasse gegen Scharina - die sie alle nur Schneewittchen nennen, wegen ihrer schwarzen Haare - aufhetzt.

Als Julie Hannas Schwarm Ben, der zufälligerweise ihr Nachbar ist, einen Liebesbrief von Hanna überbringen soll, eskaliert die Situation: Ben küsst Julie und Hanna ist furchtbar wütend auf sie.

Sie verbreitet Unwahrheiten über Julie, zum Beispiel, dass sie lesbisch sei und schliesst sie aus ihrer Clique aus, sodass sie in ihrer Klasse völlig isoliert und ohne Freundinnen ist. Dann spielt Hanna ihr auf einer Klassenfahrt einen lebensgefährlichen Streich.

Zu allem Überfluss kommt Julie durch Zufall dahinter, dass Scharina zu Hause von ihrem grossen Bruder verprügelt wird, mit dem sie alleine lebt, während deren Mutter noch in der Probezeit in einer anderen Stadt arbeitet. Doch das Mädchen will sich von Julie auf keinen Fall helfen lassen; Scharinas Muttter soll sich auf keinen Fall gezwungen sehen, ihren neuen Job aufzugeben und nach Hause zu kommen.

Da sie keine Freundinnen mehr hat, ihre Grossmutter seit einer Krebserkrankung einen "gesunden Egoismus" pflegt und ihre Eltern in ihre eigenen Probleme verstrickt sind, wird so Julies einzige Ansprechpartnerin Sharon von einer Telefonsexhotline.

Doch es gibt zum Glück nicht nur Probleme, sondern auch Höhepunkte:

Julie hat jetzt einen Freund, der zu ihr hält, die Freundinnen (ausser Hanna) schliessen sie nicht mehr aus. Scharina wird geholfen und sie wird Julies neue beste Freundin. Hinter Sharons Frauenstimme verbirgt sich ein Mann, der bei einer Aussprache beider Eltern Julie behilflich ist. Ihr Vater wechselt die Stelle und hat mehr Zeit für seine Familie.

Meine elf-jährige Tochter und ich haben das Buch verschlungen. Man merkt, dass die Autorin eine routinierte, aber auch preisgekrönte Drehbuchautorin ist, die sich darauf versteht, ihre Zuschauer/Leser bei der Stange zu halten. Die kurzen Tagebucheinträge, die sympathische Ich-Erzählerin, mit der sich vor allem die jugendlichen Leserinnen leicht identifizieren können, und die spannende Handlung sorgen für eine hohe Lesbarkeit.

Doch diese Routiniertheit wirkt sich nicht negativ aus, die Handlung wirkt nie aufgesetzt oder konstruiert, Probleme werden nicht verniedlicht. Probleme wie Mobbing, häusliche Gewalt, eine depressive Mutter oder eine gespannte Familiensituation überfrachten nie die Handlung, sondern sprechen das jugendliche Lesepublikum direkt an.

Ausserdem ist sowohl die Cover- als auch die Innengestaltung des Buches sehr liebevoll und originell umgesetzt. Es gibt handschriftliche Ergänzungen, verschiedene Schriftarten und witzige Zeichnungen, wichtige Wörter werden hervorgehoben, und manche Zeilen sind krakelig oder sogar verwischt, als ob Julie beim Schreiben geweint hätte.Auf Grund der kurzen Absätze, etwas größeren Schrift und der sehr schönen, lebendigen Gestaltung liest sich das Buch sehr flüssig

Julie, die Hauptperson, ist liebenswert und wird schnell die Herzen gewinnen. Sie beweist Mut und Rückgrat, als sie sich für die Klassenaussenseiterin Scharina stark macht. Sie scheut sich nicht davor, zu ihrer eigenen Meinung zu stehen und unbeliebt zu sein. Schliesslich lässt sie sich nicht von Hanna einwickeln, sondern behauptet sich ihr gegenüber und wird so zu einem positiven Rollenvorbild ihrer Leserschaft.

Auch die Nebencharaktere, wie die sogenannte "beste" Freundin Hanna, die von den anderen geächtete Scharina, oder die überforderten Eltern wirken lebensecht und nicht überzeichnet. Einziger Schwachpunkt ist die Darstellung von Julies Schwarm Ben, der vielleicht allzusehr einem unwirklichen Märchenprinzen gleicht, um so dem Wunschdenken ihrer "Pre"-teenieleserinnen zu entsprechen. Dem Lesevergnügen tut diese leichte Schwäche keinen Abbruch.

Denn vor allem die spannenden und überraschenden Wendungen der Geschichte, die manches Mal auch richtig kurios sind, machen dieses Buch zu einem schier unwiderstehlichen Lesevergnügen für alle jungen Leserinnen.

Meine Tochter wartet schon sehnsüchtig auf die Fortsetzung, denn glücklicherweise handelt es sich um den ersten Band einer Serie.

Fazit:

Eine spritzig erzählte Geschichte mit sympathischer Heldin, die den Alltag und die Probleme Heranwachsender treffend wiedergibt und Tiefgang beweist.

Andrea Delumeau

 

Julie und Schneewittchen

Franca Düwel, Arena

Julie und Schneewittchen

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