Florenturna - Die Kinder der Nacht

Florenturna - Die Kinder der Nacht
Florenturna - Die Kinder der Nacht
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJan 2010

Idee

einfallsreich, stellenweise etwas behäbig umgesetzt. Wir erleben das Abenteuer eines verletzlichen Charakters aus zwei Welten. Der erste Band konzentriert sich auf die Hauptperson und das besondere Weltengefüge.

Text

Kathrin Langes Sprache ist sehr emotional. Eine melancholische und etwas düstere Grundstimmung beherrscht die Geschichte. Sie schafft eindrucksvolle Bilder und viele dramatische Momente.

Was wäre, wenn es eine Parallelwelt gäbe, nur durch einen ganz dünnen Schleier von der unsrigen getrennt? Der elfjährige Girolamo macht diese unglaubliche Entdeckung und findet heraus, dass nur er und die "Kinder der Nacht" beide Welten vor dem Untergang bewahren können.

Girolamo wächst in einem kleinen Dorf, nahe bei Florenz, bei seinem Vater auf. Eine Mutter hat er nicht mehr. "Mama Martha" vertritt ihre Stelle. Piero, sein Vater, ist dem Jungen gegenüber gewalttätig und unberechenbar. Als Piero seinem Sohn verbietet, an der Darbietung des Spielmannes Matteo dabei zu sein, schleicht sich der Junge heimlich aus dem Haus und entdeckt eine enge, innere Verbindung zu dem jungen Mann. Von ihm erfährt Girolamo zum ersten Mal, dass er ein "Narratore" - ein Erzähler ist - und genau wie Matteo aus dem Nichts etwas erschaffen kann. Doch ehe Girolamo versteht, was das alles zu bedeuten hat, greifen unheimliche Flugwesen sein Heim an. Alle Menschen, Mama Martha, Matteo und sein Vater scheinen verloren. Das Dorf brennt, als Folge des Angriffs der Biester, lichterloh. Die Dorfbewohner machen Girolamo dafür verantwortlich und jagen ihn fort.

Ganz auf sich allein gestellt, geht Girolamo nach Florenz, um dort den Maler Hieronymus Bosch aufzusuchen. Doch ehe er sich versieht, wird er von Straßenkindern angegriffen. Zum ersten Mal begegnet er dem blinden Nadir, der ihm aus der Bedrängnis hilft. Doch es soll noch schlimmer kommen: Die unheimlichen, kopflosen Flugwesen, die Nadir "Jäger" nennt, greifen erneut an. Wieder rettet Nadir den Jungen vor den Biesern. Vor Hunger und Erschöpfung bewusstlos geworden, findet sich Girolamo im Kloster "San Marco" wieder. Er ist von keinem geringeren als Hieronymus Bosch aufgelesen worden. Bosch, der selbst ein Narratore ist, erzählt dem Jungen, dass die Narratore aus einer parellelen Welt stammen - aus der Welt Selenes, die, wie Gott, eine Welt erschaffen hat. Durch den Maler und dessen Bilder lernt Girolamo Selenes Welt kennen. Die Narratore wurden von der Göttin Selene dazu bestimmt, über diese Welt zu herrschen. Doch "Mercurius", der ihre Welt beherrscht und zugrunde richtet, greift nun auch nach dieser Welt. Florenz ist in Gefahr. Die Jäger sind der beste Beweis dafür.

Nachdem Girolamo versucht, seine Kräfte einzusetzen, gelingt es ihm erstaunlicher Weise einen Vogel aus Selenes Welt zu holen. Der Maler eilt zum Frater des Klosters, Savonarola. Dieser will den Jungen unter keinen Umständen mehr gehen lassen. Girolamo flieht.

Er trifft auf den Straßenjungen Silvio, der ihn "Palolo" nennt und ihm fortan nicht mehr von der Seite weicht. Nadir findet beide und führt sie zu seinem Versteck in einer Gruft. Dort lernt Girolamo drei weitere Narratore kennen. Sie verbünden sich und Girolamo erfährt, der er Allessandra Sohn und damit auserwählt ist, Selenes Welt zu retten. Es gilt, mehr über die Geheimnisse der "Viandanti" zu erfahren, die Reisende zwischen den Welten waren. Ein weiterer massiver Angriff der Jäger treibt sie jedoch zurück zum Kloster. Doch sie kommen zu spät; Hieronymus ist verschwunden. Sein Atelier und seine Bilder sind zerstört. Sie müssen sich dem Frater anvertrauen. Dieser hilft ihnen, mit den "Schlüsseln" - in diesem Fall mit einem Ring, einem Anhänger und einem Dolch - in Selenes Welt überzutreten. Dort angekommen, werden sie von dieser fremden und doch so ähnlichen Welt mit aller Härte empfangen. Doch zum Glück finden sie dort mächtige Verbündete. Das Schicksal dieser Welt lastet nun allein auf Girolamos Schultern und schließlich auch das jener Welt, aus der er eigentlich glaubte zu entstammen. Doch trotz aller Angst wagen sich die Kinder der Nacht in die Schwarze Burg Florenturna. In das Zentrum des Bösen. Dort macht Girolamo eine Entdeckung, die ihm endgültig den Boden unter den Füssen zu ziehen droht...

Mit Kathrin Langes erstem Band zu diesem fantastischen Abenteuer lernen wir aus der Perspektive des Helden die Existenz einer parallelen Welt kennen, die nur durch einen dünnen Schleier von der unseren getrennt ist. In Selenes Welt gibt es zwei Sonnen und zwei Monde. Hier gibt es Magie und höchst eigenartige, fremde Wesen und noch ein paar Geschöpfe der Narratore, die sie einst schufen. Doch auch in der fremdartigen Welt, dem eigentlichen Zuhause der Narratore, gibt es die magischen Erzäher kaum noch. Die "Blutnacht" hatte viele Opfer gefordert; einige sind in die andere Welt geflohen, in der Girolamo aufwuchs. Auch seine Mutter, Allessandra, sei bei der großen Schlacht gestorben. Die Anführerin der Viandanti, war eine mächtige Narratora und hat vorherbestimmt, dass ihr Sohn das unterdrückte Volk eines Tages vor Mercurius retten soll.

Viele Zusammenhänge, wie etwa die Tatsache, dass die jungen Narratore in unserer Welt etwa durch Stottern, wie bei Girolamo, oder Blindheit, wie bei Nadir, beeinträchtig sind sowie ihre originellen Einfälle zu den Wesen der anderen Welt lassen aufmerken und geben der Geschichte immer wieder Antrieb. Dennoch vertieft sich Kathrin Lange nicht in Details. Es geht ihr vielmehr um die Geschichte selbst, die in diesem ersten Band erzählt werden muss. Die Herkunft und das Schicksal der Narratore, der Ursprung dieser fremden Parallelwelt und nicht zuletzt Girolamos Weg von einem unglücklichen, geprügelten Kind zu einem Helden wider Willen, der gleich gleich zwei Welten auf einmal retten soll. Fast wie ein Messias wird der Junge von der Bevölkerung Florentias begrüßt. Doch wir Leser efahren, dass Girolamo sich gar nicht heldenhaft fühlt, sondern durch seine tiefe Trauer kraft- und mutlos. Angefangen von dem Tod seiner geliebten Mama Martha bis hin zum fulminanten Höhepunkt des Buches schwingt stets eine tiefe Melancholie mit.

Auch geht Kathrin Lange nicht gerade "zimperlich" mit ihren Helden und Heldinnen um. So müssen sie sich gegen die ganze Härte des Straßenlebens und - in Selenes Welt - gegen grausame Wesen behaupten. Der ziemlich ausgedehnte Höhepunkt des Buches liefert schließlich einen großen Showdown. Es gibt zahlreiche Opfer zu beklagen, doch Kathrin Lange beherrscht den Balanceakt, Dinge in der Schwebe zu halten, perfekt. Weiterhin vermeidet Kathrin Lange es, die hier dargestellte Gewalt allzu sehr zu vertiefen. Für sehr sensible Leser und Leserinnen ist dieses Buch jedoch nicht geeignet. Allein die kopflosen Jäger könnten gut aus dem Stoff sein, aus dem Albträume gemacht sind.

Trotz der unbestreitbar dramatischen Höhepunkte und den vielen, wirklich originellen Einfällen kam mir Kathrin Langes Erzählweise zwischendurch doch recht langatmig und umständlich vor. Melancholische Betrachtungen und unheilschwangere Andeutungen werden dauerhaft eingesetzt. Gerade zum Anfang hin erzeugt sie mit immer wiederkehrenden Mitteln - nämlich dem Angriff der Jäger - Spannung. Dies hat den Effekt, dass es schnell sehr spannend wird. Doch auf Dauer erzeugen diese Wiederholungen eine gewisse Behäbigkeit. Es braucht also ein wenig Ausdauer, um schließlich zu den echten "Leckerbissen" dieses Buches vorzudringen. Ab der Hälfte gewinnt die Geschichte um den jungen Narratore schließlich an Substanz. Nachdem sich die Kinder der Nacht gefunden haben und in Aktion treten, bleibt nicht mehr so viel Raum für die Innenschau und das tut der Geschichte gut.

Ihre weiteren Charaktere zeichnet Kathrin Lange als ernste, entschlossene Kämpfer - sie wirken hier noch eher "angezeichnet", was sich vielleicht im zweiten, noch folgenden Band ändern wird. Humorvoller und leichter wirkt dagegen ihre Darstellung des Straßenjungen Silvio, der seinem "Paolo" überall hin folgen würde.

Einige ihrer Darsteller entsprechen auch historischen Personen, wie zum Beispiel der Frater Savonarola, der einst im Florenz des 15. Jahrhunderts ein strenges Regiment über die Gläubigen führte und sogar historische Ereignisse vorhergesehen haben soll. Diese Ereignisse sind zum Teil in die Geschichte eingeflossen und der Handlung angepasst worden. Unter www.florenturna.de finden sich noch weitere Informationen zu der neuen Buchserie.

Fazit:

Fantastische Literatur für Leseratten mit Ausdauer und dem Ehrgeiz, sich auf komplexe Weltengefüge einzulassen. Kathrin Lange bedient dieses beliebte Genre sehr einfallsreich und zeichnet einen verletzlichen Protagonisten, der am Ende über sich hinauswächst und doch sein Glück nicht finden kann. Der bereits angekündigte Nachfolgeband wird das aber vielleicht ändern.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Florenturna - Die Kinder der Nacht

Kathrin Lange, Fischer Schatzinsel

Florenturna - Die Kinder der Nacht

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