Krieg der Knöpfe

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Kinderbuch Couch
90%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonJan 2010

Idee

zwei verfeindete Jungenbanden kämpfen gegeneinander und strafen sich gegenseitig, in dem sie den Gefangenen die Knöpfe als Abschreckung abschneiden

Bilder

klare, verständliche Bildsprache mit viel Humor, eindeutig erkennbare Hauptfiguren, die sich durch die Handlung im wahrsten Sinne hindurchschlagen

Text

kurze prägnante humorvolle Comictexte, leicht ironisch gehaltene Kommentierungen

Sie sind unbelehrbar, die Bewohner der beiden verfeindeten französischen Dörfer Longeverne und Velran. Den Hass, den die Erwachsenen vorleben, übernehmen ihre Kinder mit gründlicher Ernsthaftigkeit. Mit Einfallsreichtum, Witz und Präzision führen die beiden Jungenbanden ihre strategisch wohl durchdachten Auseinandersetzungen. Der Kinderbuchklassiker aus dem Jahre 1912 erscheint nun als Graphic Novel.

Die Bewohner aus Velran und aus Longverne nutzen beim Eintritt in die Kirche am Sonntag unterschiedliche Eingänge. Ein Graben tut sich zwischen ihnen auf, denn ihre gegenseitige Abneigung scheint unüberwindlich zu sein. In Kleinkriegen, Gemeinheiten und Boshaftigkeiten findet diese ihren Ausdruck. Die Kinder übernehmen den Hass ihrer Eltern, ohne ihn in Frage zu stellen und jeder noch so kleine Zusammenstoß artet in einer Schlacht zwischen den Jungen aus. Dabei haben Lebrac, Grand Gibus, Petit Gibus oder Camus zu Hause nichts zu lachen, denn die Väter reden nicht, sondern schlagen zu, wenn ihnen etwas nicht passt. In der Schule wütet der Rohrstock und Nachsitzen ist eine beliebte Strafe. Mit Freude stellt der Lehrer seinen in Orthographie schwachen Schüler Lebrac aus Longeverne bloß, indem er seinen Liebesbrief an Marie öffentlich vorliest. Aber Lebrac wirft so schnell nichts um. In der Schultoilette wird schon der nächste Plan ausgeheckt. Anlass eines erneuten Streits ist das Wort "Weichei", das die Velraner den Longverner vor der Kirche an den Kopf geworfen haben. Nun müssen die Jungen klären, was dieses Wort eigentlich bedeutet. Von den Erwachsenen erwarten sie keine Antworten. Ein Kampf am üblichen Treffpunkt, dem Bach, ist geplant. Lebrac hat eine schockierende Idee, die die Velraner umwerfen wird. Alle Jungen aus Longeverne kämpfen splitternackt. Als Munition haben die Jungen sich mit Tiergedärmen, faulen Eiern und altem Gemüse eingedeckt. Die andere Jungstruppe hat sich zeitgemäß als Indianer und Trapper verkleidet. Die Schlacht zwischen den Jungen ist gnadenlos und die bekleideten Kämpfer haben keine Chance. Natürlich gibt es auch einen Marterpfahl. An diesem schmachtet ein besonders dicker Junge aus Velran, der nicht entkommen konnte. Lebrac zückt ein Taschenmesser und schneidet dem schreienden Kind alles ab: Schnürsenkel, Knöpfe und Hosenträger. Das erfordert einen Gegenschlag. Die Velraner planen den Angriff und fordern die gegnerischen Jungen heraus. In der Schule geht der Zettel rum, aber der Lehrer ist nicht dumm und erkennt, dass die Nachricht mit Zitronensaft geschrieben wurde. Lebrac und seine Kumpel müssen daraufhin nachsitzen. Lebracs Jungen sind in der Unterzahl und müssen nun den Kampf um die Ehre allein führen. Aus dem Hinterhalt werden sie angegriffen und haben keine Chance.

Lebrac, der zu spät kommt, opfert sich für seine Jungen und lässt sich von den Gegnern an den Marterpfahl stellen. Ohne einen Knopf und wie immer zu spät kommt er nach Hause und es setzt Prügel. Die Jungen aus Longeverne beschließen, dass sie sich einen "Schatz" anlegen müssen, einen guten Vorrat an Knöpfen, Klammern und Schnürsenkeln.
Gut bewaffnet mit allem, was als Schild oder Helm herhalten kann, ziehen die Jungenbanden in den Krieg und zelebrieren ihren Kampfgeist. Wer die meisten Knöpfe ergattert hat, ist der Sieger. Und wer Pech hat, dem fehlen am Ende nicht nur die Knöpfe, sondern auch die Hose. Diese findet sich am Ende an einem Ort wieder, der eigentlich jeglichen Streit schlichten sollte.

1912 erschien in Paris das inzwischen zum Klassiker gewordene Kinderbuch "Der Krieg der Knöpfe". Louis Pergaud schildert teils autobiographisch seine Erlebnisse als 12-Jähriger. Der Roman spielt um 1893 in zwei kleinen französischen Dörfern in der Nähe des Doubs bei Besançon. Erfolgreich verfilmt wurde der Stoff im Jahre 1962 mit 100 Jungen von Yves Robert. Noch heute schauen Kinder, die im Internet surfen, coole PC Spiele kennen und denen Star Wars näher ist als jede Prügelei auf der Straße, diesen Film in schwarz-weiß mit Begeisterung. Vieles erscheint uns heute fremd, doch der Grundgedanke, dass Kinder gemeinsam einem Ziel ohne Erwachsene folgen und dabei gemeinsam Erfolge und Niederlagen einstecken und sich so ihr eigenes moralisches Gerüst erschaffen, hat seine Faszination nicht verloren. Die Filmgeschichte spiegelt nicht nur die wunderbar unabhängige Welt der Dorfjungen, sie zeigt auch die Gewalt der Väter und die Angst der Anführer vor den Strafen. Die Jungen halten zusammen und fühlen sich unabhängig von den Eltern stark und unbesiegbar. Dieses solidarische Gefühl vermittelt auch der Comic, der ohne jede Prüderie die nackten Jungen zeigt und ihre unerbittlichen Kämpfe gegeneinander.

Fairness ist eines der selbst gewählten Gebote der kämpfenden Jungenbanden. Als ein Junge dem anderen einen Stein an den Kopf wirft, macht sich Empörung breit. "Wir sind keine Erwachsenen, wir sind vernünftig!" Die Jungen haben sich ihre eigenen Regeln geschaffen und diese haben nichts mit den Eltern zu tun. Völlig eigenständig setzen die Kinder mit ihrem Anführer Lebrac ihre Ideen um. Die beiden französischen Comic-Künstler Gabella und Vernay haben die Grundstimmung des Romans in ihrem Comic in schwungvolle, witzige Bildern umgesetzt. Mit wenigen Worten und in einer einfallsreichen, wie humorvollen, dynamischen Bildsprache klären sie sehr schnell die Fronten. Jeder Junge aus Longeverne hat seinen eigenen Charakter und ein unverwechselbares Erscheinungsbild. Variabel sind die Bildformate, in denen die actionreiche und freiheitsliebende Geschichte erzählt wird. Fröhlich grinsen die Gesichter der Jungen bei Siegen und gequält erscheinen sie, wenn sie eine Niederlage einstecken müssen. Jegliche Gewalt findet hinter verschlossenen Türen statt und doch weiß jeder Leser, was passiert. Die Sprache der Jungen ist modern und die Schilderung des Krieges in drei Akten liest sich am Ende wie ein zeitloses, ironisch gebrochenes Epos. Ihre Faszination und ihren Charme hat diese Jungengeschichte über die Jahre hinweg nicht verloren. Sie ist auf keinen Fall pädagogisch wertvoll, aber dafür voller Humor und Mitgefühl.

Noch ein Hinweis: Eines der wunderbarsten Hörbücher von headroom heißt ebenfalls "Der Krieg der Knöpfe" - ein Orchesterhörspiel nach Louis Pergaud mit Musik von Henrik Albrecht gespielt vom SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern unter der Leitung von Andreas Hempel. Auch hier stehen sich die Jungen gegenüber und tragen ihre Konflikte musikalisch und verbal aus. Ein Hörgenuss für alle, die Spaß an dieser Geschichte und der originellen musikalischen Umsetzung haben.

Fazit:

Wer lachen möchte und sich vor allem mit schrecklich verbotenen Schimpfwörtern eindecken will, der muss unbedingt zum Klassiker "Krieg der Knöpfe" greifen. Diese Ausgabe ist eine Comicadaption, die dem Original treu bleibt. Kein Junge darf diese Geschichte verpassen, denn sie ist herrlich unpädagogisch und dabei so lehrreich.

Karin Hahn

 

Krieg der Knöpfe

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