Der Elefant des Magiers

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  • Erschienen: April 2010
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Der Elefant des Magiers
Der Elefant des Magiers
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2010

Idee

Ihre Charaktere sind kleine Kunstwerke; sie sind Gestalten voller Eigensinn und Sehnsüchten, angetrieben von ihrem persönlichen Schicksal.

Bilder

Yoko Tanakas fast durchsichtig wirkenden Figuren, ihre fliessende und doch kühle Bildsprache unterstreichen Kate DiCamillos Balanceakt zwischen Realität und Fiktion.

Text

Die poetische und doch so klare Sprache berührt die Leser auf direktem Wege; sie reisst uns mit und so manches Mal nehmen uns ihre schlichten Worte ganz und gar gefangen.

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Kinderbuch des Monats [04.2010]. Während eines trübgrauen Winters in Balta findet ein tapferer kleiner Soldat heraus, dass seine verstorben geglaubte Schwester noch lebt. Er solle dem Elefanten folgen, so die Wahrsagerin. Aber ein Elefant in Balta - wie kann das möglich sein? Doch dann fällt tatsächlich ein Elefant vom Himmel und ein kleines Mädchen im Waisenhaus träumt davon, endlich nach Hause gebracht zu werden.

Peter, der seinen Vater im Krieg verlor und seine Mutter im Kindsbett, lebt bei dem alten Soldaten Vilna Lutz. Der alte Griesgram hat keinerlei Gespür für Peters zarte Kinderseele. Statt Liebe zeigt er dem Jungen soldatischen Gehorsam und bringt ihm das Marschieren bei. Peter will, da er nichts anderes kennt, auch ein ehrenhafter Soldat werden. Als er eines Tages auf den Marktplatz geht, um für Vilna Lutz Brot und Fisch zu kaufen, sieht er das Schild einer Wahrsagerin, die verspricht für einen Florit - gerade so viel hat Peter bei sich - die "tiefgreifendsten" und "schwierigsten" Fragen zu beantworten. Und Peter hat eine schwierige Frage.

Die Wahrsagerin sagt Peter, dass seine Schwester lebt und dass er, um sie zu finden, dem Elefanten folgen solle. Peter, der von Vilna Lutz nie etwas anderes gehört hat, als dass seine Schwester bei der Geburt gestorben sei, ist verwirrt. Mal bezichtigt er in Gedanken Vilna Lutz der Lüge, ein anderes mal die Wahrsagerin.

Doch dann kommt, durch ein Missgeschick des Zauberers, durch die Decke des Opernhauses ein Elefant gekracht und landet direkt auf dem Schoß der Madame LaVaughn, wo eigentlich Lilien landen sollten. Die Adlige ist seitdem verkrüppelt und es bricht fortan unvermittelt aus ihr heraus: "Ja, begreifen Sie denn nicht..." und beginnt ihre immer gleiche Geschichte über das unglaubliche Unglück, das ihr durch den Zauberer widerfahren ist. Der Zauberer wird kurzerhand ins Gefängnis geworfen; aber der Elefant, der aus dem Nichts gekommen zu sein scheint, bereitet dem Polizeichef von Balta Kopfzerbrechen. Der halbherzige Versuch des Zauberers, den Elefanten wieder zurück zu zaubern, schlägt fehl. Doch das ist auch nicht verwunderlich, denn insgeheim ist der Zauberer, der sonst doch immer belächelt wird, unglaublich stolz auf sein Meisterstück: Der Elefant ist lebendig, riesig und ER hat ihn hergezaubert. Der kluge Polizist Leo Matienne, der sich als einziger traut, Fragen wie "Was wäre, wenn" - "Warum nicht?" und "Könnte es sein?" zu stellen, berichtet Peter sofort von der Ankunft des Elefanten. Peter ist überwältigt und weiß nun, dass die Wahrsagerin die Wahrheit gesagt hat - und damit auch, dass Vilna Lutz in belogen hat.

Doch wie kann Peter zu dem Elefanten gelangen?

Nicht weit von Peter lebt die kleine Adele im "Waisenhaus der Schwestern zum Ewigen Licht" und träumt von dem Elefanten. Wie er an der Tür klopft und Schwester Marie sagt "Es geht um Adele, ich bin gekommen, um sie zu holen." Dieser Satz geht Adele nicht mehr aus dem Sinn und sie wartet sehnsüchtig auf die Nacht, da es endlich zu schneien beginnt und ein Elefant sie nach Hause bringt.

Nach ihrem Welterfolg "Die wundersame Reise von Edward Tulane" meldet sich amerikanische Erfolgsautorin nun mit einem neuen Roman zurück, der wieder einmal unter Beweis stellt, was für ein Ausnahmetalent Kate DiCamillo ist. Berührend und mit Worten voller Hoffnung entführt sie in die zunächst kalte, graue Welt von Peter. Sie zeigt seine Einsamkeit in der Obhut des alten Soldaten, der ganz in seiner Vergangenheit gefangen ist. Der tiefe Glaube an ein Wunder, ein Wunder in Gestalt des Elefanten, verbindet die beiden Geschwister wie ein unsichtbares Band. Peter, der sich schließlich daran erinnert, wie er die winzige Adele in seinen Armen hielt und seiner Mutter versprach, sich um sie zu kümmern, weiß, dass er seine ganze Liebe diesem einen Menschen gehört.

Auf magische Weise verbindet Kate DiCamillo die Schicksale vieler zu einer poetischen Geschichte, an dessen Ende alle glücklich oder zumindest geläutert hervorgehen. Da ist die Gräfin Quintet, die so sehr darüber verärgert ist, dass alle Welt nur noch vom Elefanten spricht und sie nicht mitreden kann, dass sie kurzerhand den Elefanten in ihr Haus holt und ihn im großen Saal ankettet. Da ist der arme Elefant selbst, der vor Heimweh fast umkommt und schließlich jeden Lebenswillen verliert und da ist der mutige Polizist Leo Matienne, der an Wunder glaubt und daran, dass man Dinge verändern kann, wenn man nur die richtigen Fragen stellt.

Sie schildert die Läuterung des Zauberers, der begreift, dass es viel wichtigere Dinge im Leben gibt als die Eitelkeit. Sie lässt eine kleine Familie entstehen und den alten Soldaten, der Peter über so viele Jahre hinweg um seine Schwester betrogen hat, seine Schuld erkennen. Scheinbar zufällig stellt sie uns auch den Bettler mit seinem blinden Hund vor und den ständig lachenden Steinmetz, der beim Sturz vom Kirchturm herausfindet, dass das Leben lustig ist. Auch lässt sie uns in die Gedanken von Schwester Marie vom Waisenhaus der Schwestern zum Ewigen Licht blicken, die voller Herzensgüte ist und noch immer Träume hat: Sie alle spielen in dieser poetischen Geschichte über Hoffnung, Liebe, Sehnsucht und Zuversicht ihre große Rolle.

Ihre Charaktere sind kleine Kunstwerke; sie sind Gestalten voller Eigensinn und Sehnsüchten, angetrieben von ihrem persönlichen Schicksal. Kate DiCamillo sagt, dass jeder Charakter auch ein Teil dessen ist, was ihre Persönlichkeit ausmacht: Der Hang des Steinmetzes Bartok Whynn zum Lachen, Adeles Fähigkeit zu Warten und zu Glauben, Peters tiefes Bedürfnis die Dinge zu ändern, Leo Matiennes ausdauernde Art hoffnungsvolle Fragen zu stellen und der Wunsch des Zauberers wahre Magie zu bewirken.

In den lebendigen und humorvollen Dialogen finden wir viele kleine Andeutungen, groteske Wiederholungen und Spitzfindigkeiten, die ein eindeutiges Bild abgeben, ohne aber zu viel zu erläutern. DiCamillo schaut in die Herzen ihrer Protagonisten und fördert mit nur wenigen Worten ihren Kern zu Tage. Keinen der Charaktere - auch nicht diejenigen die uns zu Recht fragwürdig erscheinen - beschreibt Kate DiCamillo schwarz oder weiß. Sie lässt ihre Leser mit vielen Gedanken darüber zurück, warum wer so und nicht anders gehandelt hat und erzeugt damit eine Perspektive, die frei von Anschuldigungen ist.

Um dem Dukuts eines märchenhaften Wunders, das sich "gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts" ereignete, atmospährisch gerecht zu werden, bedient sich Kate DiCamillo einer teilweise blumigen Sprache, über die sie aber viel Humor in die Erzählung bringt und die Marotten ihrer "Hochwohlgeborenen" mit einem spöttischen Augenzwinkern inszeniert. Doch in den berührenden Augenblicken, den existenziellen Momenten ihrer kleinen und großen Helden, nimmt sie sich ganz zurück und verleiht ihren schlichten Worten große Ausdruckskraft. DiCamillos poetische und doch so klare Sprache berührt die Leser auf direktem Wege - dabei spielt es kaum eine Rolle wie jung oder alt ihre Leser sind- sie reisst uns mit und so manches Mal nehmen uns ihre schlichten Worte ganz und gar gefangen, da ihr tieferer Sinn ganz im Zusammenhang mit ihrer Geschichte aufgeht und so wahr ist.

Der leichten Melancholie, die der Geschichte zugrunde liegt, entsprechen auch die Bleistiftzeichnungen der in Los Angeles und Bangkok lebenden Illustratorin Yoko Tanaka. Zu Beginn der Geschichte, da die Welt noch hoffnungslos scheint, zeigen auch Yoko Tanakas Illustrationen eine diffuse und eher dunkle Atmosphäre; verloren wirkt die kleine Adele im riesigen Schlafsaal des Waisenhauses und Peter, der vor dem Schild der Wahrsagerin steht, wirkt wie abgeschnitten von der Geschäftigkeit des Marktplatzes. Die graue Kälte, die sich auf Balta gelegt hat, scheint in den Illustrationen fast greifbar. Ebenso atmosphärisch, aber schärfer, werden die Darstellungen im Verlauf der Geschichte, doch keinesfalls unbekümmerter. Ihnen haftet eine Ernsthaftigkeit an, die der Geschichte zweifellos entspricht und deren Atmosphäre die Künstlerin - aufgrund der "poetischen, surrealen und doch herzerwärmenden Sprache" - mit düster aber warm beschreibt. Ihre fast durchsichtig wirkenden Figuren, ihre fliessende und doch kühle Bildsprache unterstreichen Kate DiCamillos Balanceakt zwischen Realität und Fiktion.

Fazit:

Kate DiCamillo beherrscht die wunderbare Kunst, aus dem Nichts zauberhafte Welten zu erschaffen. Sie lässt Elefanten durch ein Operndach fallen, Unglückselige ihr Glück finden, stellt die wirklich wichtigen Fragen des Lebens und lässt am Ende einen erlösenden Vorhang aus Schnee fallen. "Der Elefant des Magiers" zeigt erneut, dass Kate DiCamillo die Magie der Worte beherrscht.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Der Elefant des Magiers

Kate DiCamillo, dtv

Der Elefant des Magiers

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