Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJun 2010

Idee

Ein Buch, das nachhaltig beeindruckt und auf leichte Weise berührt. Unterhaltsam, witzig und überaus spannend. Emma James und Paul sind zwei ganz wunderbare Charaktere.

Bilder

Die s/w Vignetten von Franziska Harvey zeigen am Anfang eines jeden Kapitels lebendige Szenen aus Emmas Alltag.

Text

Silke Scheuermanns Sprache ist geradlinig und klar; dennoch lässt sie die kleinen humorvollen und berührenden Zwischentöne nicht vermissen, die diese kluge Geschichte so unterhaltsam und zugleich fesselnd machen.

Kinderbuch des Monats [06.2010]. Immer wenn die elfjährige Emma James Kopfschmerzen bekommt, hat sie einen ihrer "Wahrträume". Meist sind es unspektakuläre Dinge, die sie da vorhersieht. Dann packt sie vorsorglich einen Regenschirm oder für ihre Freundin Mia ein Pflaster ein. Doch eines Tages hat Emma einen "Traum", der sie zutiefst beunruhigt. Denn was sie "gesehen" hat, lässt sie um das Leben ihres kleinen Bruders bangen - kann sie die Zukunft noch verändern?

Immer wieder muss Emma James erzählen, wie sie zu ihrem Namen gekommen ist. Dabei hat ihr kleiner Bruder ebenfalls einen Jungen- und einen Mädchennamen. Die Eltern fanden eben beide Namen so schön, dass sie gleich beide vergeben haben.

Doch was sich zunächst als idyllisches Zusammenleben präsentiert, zeigt schnell Risse. Emma James, deren nachhaltig beeindruckende Geschichte ganz aus Sicht der Elfjährigen erzählt wird, findet nicht viel Beachtung in der Familie. Da ihr Bruder seit seiner Geburt schwer Asthmakrank ist, liegt das ganze Augenmerk der Familie auf der Gesundung des Jungen. Da kann es schon zur Nebensache werden, was Emma-James so alles erlebt und welche Sorgen sie umtreiben.

Mit ihrem Freund Paul, der aus ausgesprochen wohlhabenden Verhältnissen stammt, erlebt sie so manches Abenteuer. Paul, der seine Eltern scheinbar nur hin und wieder zu Gesicht bekommt, ist ein sehr geschäftstüchtiger und unabhängiger Junge, der ein florierendes Geschäft mit der Betreuung von Hunden betreibt. Für die Schule hat er keine Zeit. Daher ist er auch gar nicht böse, dass es mit seinem Internats-Platz noch dauert. Als Paul entdeckt, dass der Theaterregisseur Spielvogel noch einen Hund für sein Theaterstück sucht, ist er gleich Feuer und Flamme. Emma James hat in einem ihrer "Träume" bereits gesehen, dass es der dickliche Pudel Schmitti sein wird, der ganz groß rauskommen wird. Doch der Hund entpuppt sich als ziemlich "müde Nummer", denn der stets zum Fressen aufgelegte Pudel, schläft lieber den lieben langen Tag, als auf Kommando zu bellen. Der Regisseur ist nur mäßig begeistert von dem vierbeinigen Darsteller. In Ermangelung weiterer Bewerber bleibt er jedoch im Ensemble.

Emma James hat wieder einen Traum, der ihr zeigt, wie Schmitti in einem Fitness-Studio für Hunde flott gemacht wird. Doch dieser Weg führt erst einmal in die Sackgasse, denn Schmitti kippt vor Ermattung vom Laufband. Von der Trainerin werden sie zu einem Tierpsychologen verwiesen, der zufällig auch ihr Vater ist. Der gefällt Emma James zunächst gar nicht und sie ist sich nicht sicher, ob ihre "Wahrträume" wirklich die richtigen Wegweiser für die Zukunft sind. Doch dann sagt der Tierpsychologe ein paar Dinge, die Emma James nachdenklich machen und empfiehlt, den Hund das tun zu lassen, was er am besten kann: Schlafen. Das Stück muss geändert werden. Doch wie soll Paul das bloß dem Regisseur Spielvogel klarmachen? - weiß er doch, dass Erwachsene höchst eigenwillig auf die Ratschläge von Kindern reagieren, seien sie auch noch so gut.

Schließlich gelingt es den Kindern mit einigen Finten und Tricks: das Stück wird komplett umgeschrieben und die Premiere zu einem vollen Erfolg. Eine große Party steigt. Als Emma nach Hause geht, ist es schon spät und sie macht sich Sorgen, dass ihre Eltern sauer auf sie sein könnten. Doch wieder einmal ist niemand zu Hause. Erst aus der Zeitung erfahren Emma James Eltern von Emmas und Pauls Beteiligung bei dem erfolgreichen Theaterstück im Gemeindezentrum. Zunächst an Emmas Geschichte interessiert, schwenken sie aber schnell wieder zu der Erkrankung ihres kleinen Bruders. Rainer Maria soll operiert werden. Wenn alles gut geht, wird der Junge wieder mit ihr spielen können, so das Versprechen der Eltern. Emma fragt sich, warum ihre Eltern "wieder" sagen - sie hat noch nie mit ihrem Bruder spielen können. Auch kennt sie ihn nicht besonders gut. Das einzige was sie weiß, ist, dass er am liebsten Schmetterlinge zeichnet; ein ziemlich eindrucksvolles Gleichnis. Rainer Maria schenkt seinen Schmetterlingen bunte, reich verzierte Flügel; doch als er beginnt, Schmetterlinge mit nur einem Flügel zu zeichnen, ist die Mutter außer sich. Emma denkt noch bei sich, dass niemand Rainer Maria für seine tollen Zeichnungen gelobt hat - für sie ist es kein Wunder, dass ihr kleiner Bruder fortan die einflügeligen Schmetterlinge nur noch heimlich zeichnet.

Emma James will genaueres über die bevorstehende Operation erfahren, bekommt aber nur schwammige Antworten. Nur mit Paul kann sie über alles reden. In Rückblicken erfahren wir, dass Emma immer stark und gesund sein musste. Auch wenn sie mal krank ist, wird nicht viel Aufhebens um sie gemacht. Das erwartet sie auch nicht. Dennoch kann sie die Geschichte vom Rummelplatz nicht vergessen, als ihr Bruder einen Anfall bekam, ihre Eltern zum Auto gerannt sind und sie im Getümmel vergessen haben.

Doch dann hat Emma James eine Vision, die sie über alle Maßen beunruhigt. Ihre Bilder sind gestochen scharf, doch die Aussagen, die der Arzt macht, kann Emma nicht einordnen. Für sie steht fest: Nach diesen Bildern wird etwas Schlimmes passieren. Der praktisch denkende Paul gibt ihr den Rat, eine professionelle Wahrsagerin um Hilfe zu bitten. Emma James macht sich, couragiert wie sie ist, auf die Suche und findet in der Wahrsagerin Frau Korall eine echte Freundin. Ganz auf sich allein gestellt, mit ein wenig Unterstützung von Frau Korall, wagen sich Emma und Paul in die Großstadt Frankfurt. Sie übernachten in einem ziemlich heruntergekommenen Hotel, in der Nähe der Klinik, wo Rainer Maria operiert werden soll. Für den sorglosen Paul scheint es ein höchst abwechslungsreiches Abenteuer zu sein. Doch Emma James nimmt dies alles auf sich, um am richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein. Doch kann sie wirklich, wie Frau Korall sagt, die Zukunft verändern?

In der Reihe "Die Bücher mit dem Blauen Band" präsentiert der Fischer Verlag mit "Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge" ein weiteres hochwertiges Buch, das aufmerken lässt. Mit dem Blick der elfjährigen Emma auf die Geschehnisse, erfahren wir viel über die kleinen Abenteuer und den unbändigen Tatendrang der Kinder. Der Grundtenor ist unbeschwert und alles in Emma James Erzählung deutet zunächst auf eine ebensolche Kindheit hin. Zusammen mit ihrem Freund Paul, bei dem es alles in einer besseren Ausgabe zu geben scheint, erlebt sie so manch zotiges Abenteuer. Silke Scheuermann beschreibt sehr humorvoll, welche "Nöte" die Kinder mit dem trägen Schmitti haben, der lieber im Einkaufswagen herumgeschoben werden will, als selbst zu laufen. Vieles nimmt die Autorin in ihrem Kinderbuch-Debüt auf und lässt es wie selbstverständlich innerhalb der Geschichte wieder fallen, auf diese Weise schließt sich so mancher Kreis und gibt dem Erzählten einen nachhaltigen Sinn. Mögen zu Anfang die Schilderungen über Theaterproben und "Hundesorgen" etwas langatmig erscheinen, so haben sie doch einen ganz wichtigen Zweck zu erfüllen: Sie führen den Leser an einen Punkt, an dem er ganz in Emma James Perspektive gleitet. Von anderen Geschehnissen und Eindrücken überlagert, schlagen die destabilisierenden Ereignisse und Gedanken im Verlauf der Geschichte häufiger ein. Einen sicheren Halt findet Emma bei Paul. Wie wichtig er für Emma ist, wird deutlich, als sie ihn in Frankfurt einmal kurz aus den Augen verliert. Ein wenig knistert es sogar zwischen den beiden und man kann aus Emmas Erzählung nur ahnen, wie gern sie "ihren" Paul hat. Doch all das tröstet sie letztlich nicht darüber hinweg, dass ihre Eltern sie mit ihren Gedanken und Sorgen allein lassen.

Kinder können sich gut in Emmas Welt hineinversetzen. Silke Scheuermann erzählt einfühlsam von dem Gefühl der Elfjährigen, in ihrer Familie nur nebenher "mitzulaufen". Wenn sich ihre Eltern einmal nur um sie kümmern, hat sie gleichzeitig Schuldgefühle, da sie denkt, dass sie auch ohne ihren kleinen Bruder eine intakte Familie wären. Aber auch - und vielleicht gerade - Erwachsene finden in diesem Buch eine Perspektive vor, die sie sicherlich nachdenklich stimmt, nämlich über das, was Kindern vorenthalten wird, was sie dennoch mitbekommen und was wir ihnen letztlich damit zugemutet wird.

Am Ende begreift Emma James, dass ihr wichtigster "Traum" zugleich ihr letzter war. Emma wird schließlich doch noch zur Heldin, aber auf eine ganz andere Weise, als sie zunächst dachte. Zum Glück macht Emma sich nicht allzu viele Gedanken um Ursache und Wirkung, um das große "Was wäre wenn?" - denn sie war da. Genau zum richtigen Zeitpunkt, an genau dem richtigen Ort.

Fazit:

ein feinfühliges, psychologisch klug angelegtes Buch, das zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckt, ein "Problembuch" zu sein. Amüsant, abwechslungsreich und letztlich hochspannend erzählt Silke Scheuermann in ihrem Kinderbuch-Debüt von einer wunderbaren Freundschaft und von der Tatsache, dass die Zukunft nicht in Stein gemeißelt ist.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge

Silke Scheuermann, Fischer Schatzinsel

Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge

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