Der Krakeeler

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJun 2010

Idee

Die Katzenfiguren überzeugen durch sehr menschenähnliche Darstellung in Aussehen und Handlung, die Geschichte stärkt Kinder und vermittelt ein wichtiges Thema mit einem Augenzwinkern.

Bilder

Der Gegensatz zwischen laut und leise wird illustrativ gekonnt umgesetzt, die Darstellungen sind detailreich und eine wahre Augenfreude für Groß und Klein.

Text

Einfache ausgewogene Sprache, vereinzelt mit einem leichten ironischen Unterton, machen die Geschichte zum Lesevergnügen auch für kleine Kinder

Können Sie sich vorstellen, mit einem Vater zu leben, der ständig nur krakeelt? Nein? Helene auch nicht. Daher beschließt sie auch eines Tages, sich ein anderes zu Hause zu suchen...

Helene ist ein junges Katzenmädchen, welches idyllisch mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder in einem gemütlichen Haus auf einer großen Wiese an einem blauen Fluss wohnt. Sie führt eigentlich ein friedliches Leben, spielt ausgezeichnet Trompete und versteht sich prächtig mit ihrer lieben Mutter und ihrem geduldigen Bruder - einzig und allein Helenes Vater macht ihr das Leben schwer. Das Problem liegt darin, dass er nicht normal laut sprechen kann sondern immer, auch die nichtigsten Dinge, schreit: "WO SIND MEINE GUMMISTIFEL? ICH HABE DURST!" usw. Helene bereitet das großes Unbehagen. Eines Tages fasst sie sich ein Herz und spricht mit ihrer Mutter darüber. Die offenbart ihr, dass Helenes Vater ein Krakeeler ist, seine Eltern und Großeltern bereits Krakeeler waren und Helene, wenn sie wollte, auch Krakeelerin werden könnte. Helene denkt lange über ihre Situation nach und fasst eine mutige Entscheidung: sie packt ihre wichtigsten Sachen in einen Koffer und verlässt dieses für sie unerträgliche Elternhaus mit dem krakeelenden Vater, um sich ein neues zu Hause zu suchen. Und tatsächlich kommt sie problemlos bei einer Frau unter, die volles Verständnis für ihre Situation hat und auf die Aussage "Mein Vater ist ein Krakeeler!" nur mit einem verständnisvollen "Ach so!" reagiert und sie zu sich herein bittet. Helenes Eltern suchen sie unterdessen überall, jedoch ohne Erfolg. Helenes Vater ist so verzweifelt, dass er ganz leise und traurig wird und beschließt, nie mehr zu krakeelen, wenn nur seine Tochter wiederkommt. Jedoch sie bleibt verschwunden. Bis Helenes Eltern sie eines Tages auf einem Plakat sehen, auf dem ein großes Konzert angekündigt wird. Aufgeregt gehen sie hin. Das Konzert wird ein voller Erfolg und am Ende klatschen und jubeln die Leute. Nur einer krakeelt ein großes "BRAVO", doch diesmal freut sich Helene darüber.

Dem Ilustratoren-Duo Philip Waechter und Moni Port ist mit "Der Krakeeler" wieder ein wunderschönes Buch gelungen, welches humorvoll aber dennoch hintersinnig ein Stück Wirklichkeit abbildet. Jeder ist mal etwas lauter, Eltern und Kinder gleichermaßen. Aber was kann "Kind" dagegen unternehmen, wenn "Eltern" ständig laut sind? Eben, die Sache bzw. das Leben selbst in die Hand nehmen und eine Lösung suchen und finden. Dass das im richtigen Leben nicht immer so einfach funktioniert, wie in diesem Buch, ist klar. Aber dennoch bestärkt diese Geschichte Kinder, gegen Dinge, die sie stören, anzugehen. So vermitteln die Autoren ganz nebenbei eine wichtige Lektion.

Der Gegensatz zwischen leise und laut wird sprachlich und illustratorisch in diesem Buch hervorragend herausgearbeitet: die stillen Passagen sind in warmen, fast pastelligen Tönen vollflächig gezeichnet, mit lachenden Gesichtern und positiven Gesten, unterlegt mit vielen Details, die von Kindern entdeckt werden wollen. Die Katzen sind sehr menschlich dargestellt, tragen Kleidung, schlafen in Betten und spielen Musikinstrumente. Passend zur Tierart ist die Strichstärke dezent und zurückhaltend. Die Wortwahl ist sanft und beruhigend. Die Sätze warmherzig, kurz und beschwingt.

Deutlich stechen davon die lauten Passagen ab: hier tobt Papa Kater auf zwei Doppelseiten - freigestellt auf weißem Hintergrund mit ausladender, wütender Gestik und massiver Präsenz. Sein befehlendes oder anklagendes Gebrüll springt quer über die Seiten und ist mit großen, massiven Versalbuchstaben dargestellt, alle anderen Dinge um ihn herum sind komplett zurück genommen, allein er steht im Mittelpunkt.

Doch nach Helenes Auszug wird Helenes Vater leiser und damit verschwindet auch der "optische Krach" in der Geschichte. Die Illustrationen sind nun durchgängig harmonisch und auch textlich gibt es keine weiteren geschrienen Äußerungen. Umso mehr fiebert der Leser dem Tag entgegen, als sich Helene und der Krakeeler wieder begegnen werden, der Tag des Konzerts. Dieses Ereignis wird auf der letzten Doppelseite zur einzigen und erstmaligen tatsächlichen Verbindung (auch illustratorisch) zwischen diesen beiden Welten: Helene verbeugt sich nach dem Konzert, der Katervater ruft laut "BRAVO" (eingebettet in das Klatschen der anderen Zuhörer) und Helene freut sich zum ersten Mal darüber. Eine Krakeelerei zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort kann also durchaus auch Freude bereiten, zum täglichen Umgang mit Kindern taugt sie jedoch nicht.

Fazit:

Ein wunderbares, alltagsweises und warmherziges Buch, welches Kinder bestärkt, auf sich zu hören und manchen Erwachsenen sicherlich zum Nachdenken anregt.

Claudia Goldammer

 

Der Krakeeler

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