Wie weckt man eine Elfe?

Wie weckt man eine Elfe?
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonAug 2010

Idee

Zwei ganz unterschiedliche Schwestern und jede Menge eigenwillige Elfen. Viele Details verleihen der Geschichte ihren eigenen Zauber.

Bilder

Die vielen kleinen und schlichten s/w Zeichnungen von Nadine Jessler zeigen, wie Elfen wirklich aussehen und werden vor allem Mädchen gefallen. Liebevolle Gestaltung durch kleine Blumenranken auf jeder Seite.

Text

Tanya Stewners Sprache ist leicht und schlicht, ihre kurzen Sätze sind präzise und vermitteln selbst emotional komplexe Sachverhalte auf eine Weise, die die Leserinnen involviert.

[ab 9 Jahren]

Die stille Florentine steht ganz schön im Schatten ihrer begabten Schwester Pauline. Dann aber entdeckt Florentine das Geheimnis der Elfen: Es gibt sie tatsächlich! Doch bis auf eine kleine, emsige Elfe schlafen sie alle. Damit die große Rettungsaktion gelingt, muss Florentine ausgerechnet mit ihrer Schwester zusammenarbeiten. Schließlich sollen so viele Elfen wie möglich wieder auf ihrem Posten sein.

In Florentine Buchmachers Familie gibt es zwei Fraktionen: Die Mama-Florentine-Fraktion und die Papa-Pauline-Fraktion. Florentine, die darunter leidet, dass ihr Vater der literarisch begabten Zwillingsschwester viel mehr Aufmerksamkeit schenkt, hat nur einen Lichtpunkt am Tag: Sie liest jeden Abend zusammen mit ihrer Mutter in dem alten Elfenbuch, das sie zufälligerweise hinter den Regalen des Buchladens der Mutter gefunden haben. Dabei sind sie keineswegs unbeobachtet: Jeden Abend fliegt die kleine Elfe Hummelbi an das Fenster, um die beiden zu betrachten. Und so kommt es, dass nur Hummelbi von Florentines großer Begabung weiß.

In dem Elfenbuch gibt es ein Ritual, das es einem ermöglicht, Elfen sehen zu können, denn sonst sind sie für Menschen unsichtbar. Es sind Sommerferien und eines Morgens, in aller Frühe, versucht Florentine abermals das Elfenritual durchzuführen. Und tatsächlich erblickt sie kurz darauf eine pummelige kleine Person mit glitzernden Flügelchen. Die Elfe Hummelbi ist ganz begeistert und erzählt Florentine, dass sie einst mit deren Urgroßmutter befreundet war. Eigentlich hatte sie die Urgroßmutter für die Hummeln erschaffen, allein indem sie sich eine Geschichte über Hummelbi ausdachte und niederschrieb: Das alte Elfenbuch, in dem Florentine und ihre Mutter jeden Abend lesen. Dadurch, dass Florentine jeden Abend mit ihrer Mutter aus diesem Buch liest, ist Hummelbi die einzige noch wache Elfe. Alle anderen - die Haus-, Baum-, Igel- oder Maulwurf-Elfe schlafen allesamt, weil niemand mehr ihre Geschichten erzählt. Es stellt sich heraus, dass Hummelbi dadurch alle Hände voll zu tun hat, um die Aufgaben der anderen Elfen zu erledigen. Und so muss sie sich um die Bäume und Tiere im Wald kümmern - aber auch um kaputte Geräte im Hause Buchmacher.

Immer wenn Hummelbi hilft, nehmen ihre Flügel die Farbe des Objekts oder des Tiers an, dem sie sich gerade widmet. Ansonsten sieht die zerzauste, bunt durcheinander gekleidete Elfe lustig aus und legt ziemlich ungeschickte Landungen hin. Das Problem sei, so Hummelbi, dass sich die Menschen die Elfen immer wie Feen vorstellten: Schlank, schön, strahlend und mit wallenden goldenen Haaren. Selbst wenn ein Buch von Elfen handele, würden die Bilder doch Feen zeigen und die so dringend benötigte Energie ginge an nicht an sie, sondern an die Feen. Doch Elfen brauchen die Energie der menschlichen Fantasie und ihren Glauben an sie, damit sie wach bleiben können.

Florentine hat verstanden und findet auf dem Dachboden die alten Elfen-Bücher ihrer Mutter, und sie erzählen nicht nur von Elfen, ihre Abbildungen zeigen auch Elfen, die Hummelbi sehr ähnlich sehen. Florentine zögert nicht lange und liest laut daraus vor. Dabei wird sie von ihrer Schwester überrascht, die schon seit längerem das eigenartige Verhalten und die Selbstgespräche ihrer Schwester argwöhnisch beobachtet.

Als es Florentine tatsächlich gelingt, zwei weitere Elfen aus ihrem Tiefschlaf zu holen, entsteht ein verwegener Plan: Es muss ein Buch geben, in dem alle Elfen vorkommen. Doch da Florentine zwar eine ausgezeichnete Zeichnerin aber keine gute Schriftstellerin ist, braucht sie die Hilfe ihrer Schwester. Sie einzuweihen, kostet sie große Überwindung. Doch wie sagen die Elfen so schön: Elfen helfen! Hummelbi gelingt es, die längst überfällige Aussprache zwischen den beiden Schwester herbeizuführen. Nun bilden Florentine und Pauline endlich wieder Einheit - so, wie es früher einmal war. Sie werden gemeinsam ein Buch schreiben, das möglichst viele Kinder und ihre Eltern lesen werden. Und so schreiben sie ihre Geschichte auf, angefüllt mit den wunderschönen Zeichnungen Florentines, die zeigen, wie eine echte Elfe aussieht.

Tanya Stewner, bekannt durch ihre erfolgreiche "Lilliane Susewind"-Reihe betritt mit dem Elfen-Thema nicht unbedingt Neuland. Doch schon nach wenigen Seiten wird klar, dass sie eine eigenständige Welt erschafft, deren Gesetzmäßigkeiten ebenso originell wie verblüffend sind. Zwar bedient auch sie sich gängiger Vorstellungen; dem setzt sie jedoch jede Menge guter Einfälle entgegen, wie zum Beispiel das Kernproblem der Elfen, dass sie eben nicht wie Feen aussehen und überhaupt ganz anders sind. Damit bricht Tanya Stewner mit den Klischees und erzeugt mit der dahinter liegenden Familiengeschichte einen fesselnden Handlungsbogen.

Tanya Stewners Sprache ist leicht und schlicht, ihre kurzen Sätze sind präzise und vermitteln selbst emotional komplexe Sachverhalte auf eine Weise, die die Leserinnen involviert. Wirkt der Einstieg auch ein wenig holprig, da einige Sachverhalte und Andeutungen für meinen Geschmack ein wenig zu häufig wiederholt werden, gewinnt die Geschichte ab dem Auftauchen von Hummelbi an Fahrt und verbreitet ihren ganz eigenen "Elfenzauber". Dass es auch eine Elfe gibt, die Rasenmäher oder gar Laptops reparieren kann, wird wohl gerade uns Erwachsene etwas abwegig vorkommen. Doch bei näherer Betrachtung finde ich es absolut gelungen, dass Tanya Stewner ihren Elfen einen festen Platz im Alltag der Kinder reserviert - fernab von allen rosarotfarbenen Klischees. Immerhin weiß die Autorin sehr gut zu erklären, warum es eine so moderne Elfe gibt und wie ihr Wirken auf unsere aufgehängten Laptops funktioniert.

Ein durchaus bekannter aber nicht minder einnehmender Gedanke setzt sich fest, der uns auch aus Michael Endes Klassiker "Die Unendliche Geschichte" oder aus J. M. Barries unvergesslichen "Peter Pan", bekannt vorkommt: Wenn wir tatsächlich die Macht haben, durch unsere Fantasie Elfen zu wecken oder gar zu erschaffen... dann helfen wir gerade jetzt, da wir Tanya Stewners Buch lesen, ordentlich beim Wecken der vielen schlafenden Elfen mit!

Dieser Effekt fasziniert Kinder natürlich, denn sie können sich so als Teil der Geschichte fühlen. Doch die Geschichte hat mehr zu bieten, als die vermeintliche Existenz der Elfen - die Elfen mögen mir den Zweifel verzeihen. Hinter dem Zauber gibt es nämlich noch ein handfestes Familienproblem, das niemand sehen möchte aber das bereits zu Anfang offensichtlich wird. Da glänzt Pauline vor den Gästen der Eltern mit ihren selbsterdachten Geschichten und Florentine zieht sich traurig zurück. Während die begeisterte Gästeschar ihrer Schwester Beifall zollt und der Vater buchstäblich vor Stolz platzt, sieht sich Florentine nur als chancenlos. Doch was Florentine in ihrer Eifersucht nicht sieht, ist, dass auch Pauline unglücklich ist. Sie leidet unter der Erwartung des Vaters, ständig brillant sein zu müssen.

Durch die gemeinsame Arbeit der Schwestern, dem selbst verfassten Buch, wird dem Vater endlich klar, in welcher Schieflage sich seine Familie befand. Damit zieht Tanya Stewner den Bogen zu einem doppelten Happy-End. Eine Stärke, die die Autorin auch in ihren "Liliane Susewind"-Bänden wunderbar beherrscht. Bei Tanya Stewner geht es nie nur um das vordergründige Abenteuer, stets legt sie dahinter eine persönliche Entwicklungsgeschichte, die sie geschickt in die abenteuerliche Handlung verwebt. Ihre Botschaften sind klar, aber nicht minder subtil - denn das hier geschilderte Problem der Eifersucht unter Geschwistern ist ein weitverbreitetes, wenn auch ungutes Gefühl. Diese emotionale Spiegelung beschäftigt sicherlich noch über die Lektüre des Buches hinaus, denn seine Botschaft lautet: Redet miteinander!

Nicht zuletzt, da die Elfen über die Verbreitung von Geschichten in Büchern gerettet werden, ist Tanya Stewner auch ein Plädoyer für den Zauber der Bücher gelungen. Sie erzählt so glaubwürdig, dass nicht nur Kinder durchaus animiert werden könnten, selbst kreativ zu werden. Ich werde mir vielleicht eine Elfe ausdenken, die sich um verstopfte Rohre kümmert, dann könnte ich mir den Klempner sparen. Wäre doch mal was...

Fazit:

"Elfen helfen!" - fast mag man dieser schönen Geschichte glauben, die ebenso eigensinnig daherkommt wie die kleinen pummeligen Elfen selbst. Wieder einmal ist es Tanya Stewner auf humorvolle Weise gelungen, ihre originellen Ideen mit einer sensiblen Thematik zu verknüpfen. Das Ergebnis ist ein Abenteuer mit Happy-End-Garantie - für Elfen und Schwestern gleichermaßen.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Wie weckt man eine Elfe?

Tanya Stewner, Fischer Schatzinsel

Wie weckt man eine Elfe?

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