Die kleine Gans, die aus der Reihe tanzt

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Kinderbuch Couch
87%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2011

Idee

Eine niedliche Protagonistin, die schnell ans Herz wächst und glaubhaft ist. Humorvolle und überzeugende Geschichte.

Bilder

Die stimmungsvollen, doppelseitigen Aquarellbilder überzeugen durch Humor, gekonnte Darstellung von Emotionen, dynamischen Perspektivwechseln, die den Handlungsverlauf optimal widerspiegeln.

Text

Die lautmalerische Sprachelemente - im Text gut abgesetzt - machen einfach Spaß beim Lesen und Zuhören. So mancher wird da mit einstimmen. Kurze Textpassagen sind schön in die Bilder integriert.

Um eine kleine Gans geht es in dem neuen Buch von Jean-Francois Dumont - und diese kleine Gans ist sozusagen "taktlos", denn ihr Watschel-Rhythmus fügt sich so gar nicht in den der großen Gänsen ein. Beim täglichen Gang ans Meer gibt es daher so manche Schelte. Umso erstaunlicher, was die kleine "Zita" mit ihrem eigenen Takt dann doch erreicht. Ein Buch über das Selbstvertrauen.

Ein alltägliches Bild auf Zitas Bauernhof, der kleinen Gans: die Gänseherde marschiert jeden Morgen zum Baden ans Meer - angeführt vom strengen Gänserich Igor. Doch eines Tages hört er mitten in seinem strengen Rhythmus: "Eins, zwei /Eins,zwei ... "ein kleines "tak". Schnell findet er den Übeltäter: die kleine neue Gans Zita, die vor Scham errötet und schließlich die Herde nicht mehr begleiten darf. Mehr als traurig, von Zweifeln und schweren Selbstvorwürfen geplagt, läuft sie zurück zum Bauernhof. Trotz größter Mühe will ihr der vorgegebene Takt einfach nicht gelingen. Zita läuft an allen Tieren mit ihrem "Platsch,Platsch I noch mal platsch I schnief, platsch ..." weinend vorbei. Dem Specht gefällt aber der Rhythmus und er fügt sich mit einem "tok" ein. Auch ein Huhn gesellt sich mit einem schnellen "tak,tak,tak" zu einem "platsch" von Zita dazu. Nach und nach kommen noch eine Kuh -"Muuuh", ein Esel - "Iaaah", und Schafe - "Määäääh". Dazu gesellen sich noch gluckernde Truthähne, wiehernde Pferde sowie ein quakender Frosch - und siehe da: ein faszinierender Rhythmus entsteht. Als Zita schließlich doch das Meer erreicht, bemerkt sie erst, wer ihr wie gefolgt ist. Ihr gemeinsamer Rhythmus reißt alle mit, die ihn hören. Seit diesem Tag darf der stolze Igor nun allein ans Meer laufen, denn selbst seine Gänseherde kann Zita´s Rhythmus nicht widerstehen. Und überhaupt: Wer möchte denn schon zum alten monotonen Gleichklang zurück?

Jean-Francois Dumonts Geschichte ist für alle, die gerne mal aus der Reihe tanzen; aber auch für diejenigen, die es ruhig mal versuchen sollten. Wer hat schon Lust, immer mit allen im Gleichschritt zu marschieren? Ist es nicht viel schöner, einen gemeinsamen, bunten Rhythmus zu finden? Je reicher und abwechslungsreicher, desto schöner!

Schon ab einem Alter von 3-4 Jahren entdecken unsere Kinder zunehmend die Unterschiede zu ihren Alterskameraden. "Ich bin grösser oder kleiner, habe helle oder dunkle Haare, kann besser hüpfen oder tanzen..." Unterschiede fallen natürlich dann mehr auf, wenn da einer eindeutig, wie Zita, aus der Reihe tanzt. In vielerlei Hinsicht lohnt es sich aber, einen Ausbruch aus der einheitlichen Marschrichtung zu versuchen. Das zeigt Jean-Francois Dumont mit seinem im besten Wortsinn taktvollen Bilderbuch. Denn Kinder erfahren nicht nur unter ihresgleichen Zurückweisungen durch ihre vermeintliche Andersartigkeit - auch Erwachsene konfrontieren sie stets mit Erwartungen - ob bewusst oder unbewusst. Und man fragt sich zurecht: Wie schnell muss ein Kind sein, wie selbstständig, wie selbstbewusst, um dem Idealbild zu entsprechen? Kinder merken schnell: Nicht jeder geht gelassen damit um, wenn einer "aus der Reihe tanzt". Zita zeigt Kindern mit ihrem Beispiel, dass der vermeintliche Makel der Schlüssel zu einem ganz besonderen und wertvollen Platz in der Gemeinschaft sein kann. Der eigene Rhythmus macht sie schließlich zur Inspirationsquelle für alle Tiere auf dem Bauernhof.

Auf diese Weise gelingt Zita bis dahin Unglaubliches: Sie führt letztendlich alle Tiere zum Meer - auch die Gänseschar, die genug hat vom alltäglichen, immergleichen Gänsemarsch. Als sie bemerkt, dass sie deren Anerkennung erfährt, wächst sie über sich hinaus. Ein wunderbares Beispiel, das Kindern Mut machen kann, zu dem eigenen Tempo und der ganz eigenen "Gangart" zu stehen.

Riesig Spaß bekommt man beim Vorlesen aber auch Zuhören der kurzen Textpassagen. Die lautmalerischen Worte und ihre wiederholte Aneinanderreihung, die den immer komplexer werdenden Rhythmus der Tierschar wiedergibt, verführen zum Einstimmen, so dass auch schon die Kleinsten mitgehen. Der Text ist in die stets doppelseitigen Illustrationen eingebunden und begleitet dicht die Handlung der Geschichte. Die kurzen Sätze und die vielen Dialoge sind lebendig und gut verständlich.

Die Bilder bestechen durch ihre dynamischen Perspektivwechsel. Oftmals sieht man das Geschehen auf Augenhöhe von Zita, um hautnah beim Geschehen dabei zu sein. Gerne zeigt Dumont die Ereignisse auch aus der Vogelperspektive, um dem Betrachter so einen guten Überblick zu verschaffen.

Die Farbgebung der Illustrationen ist insgesamt sehr harmonisch. Jean-Francois Dumont versteht es mit wenigen Mitteln, die Emotionen und (möglichen) Gedanken der Tiere darzustellen. So sehen wir große Kulleraugen wenn gestaunt wird, die Strenge in Igors wachem Blick, oder Zita, die sich gebückt und mit hängenden Flügeln trollt - bis sie sich verwundert umblickt und schließlich vor Stolz über die unverhoffte Gefolgschaft lächelt.

Dumont hat zahlreiche humorvolle Details in seinen Bildern versteckt, denn allein die letzten drei Doppelseiten sind zum Schreien komisch: Sie sind voll von tanzenden Tieren, mit schelmischem Grinsen in den Gesichtern, wirbelnden Gliedmaßen und einem stinkig dreinschauenden Igor, der schließlich trotzig allein zum Meer läuft, um dann, zu guter Letzt, von der begeisterten Menge regelrecht überrollt wird.

Fazit:

Eine Geschichte, die Mut macht, wenn es heißt, Vertrauen in seinen eigenen Rhythmus und in sein Können zu bekommen. Dafür lohnt es sich, ruhig mal aus der Reihe zu tanzen. Gerade für Kinder ab 4 Jahren, die so allmählich die Unterschiede zwischen sich und Altersgenossen erkennen, ist dieses Buch ein großer Lesespaß mit all seinen lautmalerischen Elementen und humorvollen Illustrationen.

Sylke Wilmer-Gruchmann

 

Die kleine Gans, die aus der Reihe tanzt

Jean-Francois, Dumont, arsEdition

Die kleine Gans, die aus der Reihe tanzt

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