Der Tag, an dem die Nacht nicht kam

Der Tag, an dem die Nacht nicht kam
Der Tag, an dem die Nacht nicht kam
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2011

Idee

Mond und Sterne sind verschwunden – eine Handlung, die in ihrer poetischen Umsetzung zu Herzen geht.

Bilder

Harmonische und sehr überzeugende Bildsprache mit einer tiefen Poesie und viel Detailreichtum, die die Phantasie des Betrachters anregt und beflügelt.

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Wie wunderbar sich eine phantastische Abenteuergeschichte ganz ohne Worte erzählen lässt, zeigt Poly Bernatenes neues Buch "Der Tag, an dem die Nacht nicht kam"

Man stelle sich vor, der Tag neigt sich dem Ende zu, die Sonne geht unter und Dunkelheit senkt sich über die Welt. Doch der nachtblaue Himmel bleibt tief und dunkel, denn kein Stern und schon gar nicht der Mond sind zu sehen. Ein Mann, der über Recht und Ordnung am Himmel wacht, ist beunruhigt. Er vergleicht seine Himmelsuhr mit der entsprechenden Karte - Mond und Sterne hätten schon längst aufgehen müssen. Plötzlich entdeckt er ein Detail: Mond und Sterne wurden in einen großen Sack gesammelt und anschließend in der Kuppel der Sternwarte wieder frei gelassen. Mit fliegenden Rockschößen eilt der Mann schier endlos viele Stufe in diese Kuppel hoch und erblickt dort fröhliche und ausgelassene Kinder und Erwachsene, deren nächtliche Vergnügungen, Akrobatik, Spiel und Spaß von Mond und Sternen beschienen werden. Doch halt, so kann es nicht weitergehen. Sterne und Mond sind für alle da und nachts wird außerdem geschlafen. Also packen alle Beteiligten die Himmelsleuchten wieder ein und entlassen sie zurück in die nächtliche Dunkelheit, damit sie dort für alle strahlen können.

So schlicht, wie die Handlung dieses außergewöhnlichen Buches auch sein mag, so erstaunlich ist doch die Umsetzung der Idee. Denn völlig ohne Worte erzählt der argentinische Illustrator Poly Bernatene diese fantasievolle und sehr poetische Geschichte. Ungemein plastisch und in der Art eines Stop-Motion Films greift er sich in seinen Illustrationen Schlüsselsequenzen heraus und vermittelt den Fortgang der Handlung rein über Gestik und Mimik der Personen sowie über die unterschiedlichen Handlungsorte und -gegenstände. Teilweise sind die Bilder großflächig ganz- oder doppelseitig angeordnet, teilweise aber auch sequenzartig mehrere Bilder neben- oder untereinander auf einer Seite.

Komplett auf einen begleitenden Text verzichtend, gelingt es ihm dennoch, den Betrachter des Buches in seinen Bann zu ziehen und eine freudige Spannung aufzubauen. Wo sind Mond und Sterne fragt sich der Leser und begibt sich gemeinsam mit dem Astronomen auf die Suche danach. So wird sich durch die Nacht gepirscht, indes jedoch verströmen selbst die dunklen Nachtszenen eine Wohlfühlatmosphäre. Denn auch ohne Mond und Sterne scheint die Stadt leicht zu leuchten und in ein warmes Licht eingetaucht zu sein, in dem man sich gar nicht fürchten kann. Diese warmen Farben durchziehen alle Illustrationen und vermitteln ein angenehmes Gefühl von Geborgenheit, aus der hin und wieder ein hellerer Farbstrahl oder die beleuchteten Häuser leuchten. Zusätzlich gelingt es ihm durch geschickte Licht- und Schattenspiele sowie Strukturelemente die Illustrationen unglaublich plastisch aussehen zu lassen, fast so, als könne der "Leser" die Figuren greifen oder selber in die Szenerie hinein schlüpfen.

Natürlich lassen die Bilder wieder viel Freiraum für eigene Entdeckungen, sei es ein rot-weiß geringelter Strumpf, der auf einer Stufe liegt und sicherlich eine interessante Geschichte zu erzählen hat oder die vielen sonderbaren Geräte und Apparaturen, mit denen die vergnügliche Truppe in der Kuppel hantiert. Auch der Himmel ist nicht in einer einfarbigen glatten Fläche gehalten, sondern mit feinen Mustern und Strukturen durchwebt. Aus dieser sanften, gedeckten Farbwelt sticht die besondere Leuchtkraft des Mondes und der Sterne heraus, aber auch dieses Licht ist warm und beruhigend.

Zu Beginn der Geschichte öffnet sich ein imaginärer, aber bildlich dargestellter sternendurchwebter Samtvorhang, der sich am Ende, wenn bereits die Sonne wieder aufgeht, wieder schließt. Dadurch vermittelt Bernatene dem Leser das Gefühlt, eine fantastische Traumwelt zu betreten, die fern vom Alltag passiert, und verstärkt den Zauber des Imaginären und Märchenhaften.

Auch wenn die Handlung sich kleineren Betrachtern nicht unbedingt auf den ersten Blick vollständig und von selbst erschließen mag, spüren auch sie die starke Poesie, die von den Bildern Bernatenes ausgeht. Und dank des Detailreichtums gibt es auf jeder Seite viel zu entdecken und Stück für Stück erschließt sich mit jedem neuen Betrachten die Geschichte. Es werden immer wieder neue Facetten auftauchen, die die Handlung mal in diese und mal in jene Richtung lenken. Und dabei ist es ein Leichtes, sich in dieser poetischen Darstellung ganz und gar zu verlieren. Denn Bernatenes Bilder haben zweifelsohne eine große erzählerische Stärke und regen jedes Mal aufs Neue die Phantasie des Betrachters an. Ob nun allein oder zu zweit, dieses Buch ist eine wunderbare Gelegenheit, miteinander die Welt um einen herum zu vergessen und in eine poetische Traumwelt abzutauchen.

Fazit:

Poly Bernatene gelingt mit "Der Tag, an dem die Nacht nicht kam" etwas, was nur wenigen reinen Bilderbüchern gelingt: eine Geschichte voller Spannung und Poesie gänzlich ohne Worte zu erzählen. Ein wunderschönes, leises, poetisches, traumhaftes Buch, das den Betrachter mit einem seligen Gefühl zurück lässt und eine märchenhafte Stimmung versprüht.

Claudia Goldammer

 

Der Tag, an dem die Nacht nicht kam

Poly Bernatene, Coppenrath

Der Tag, an dem die Nacht nicht kam

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