Eierschlacht mit Furzkanone

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  • Erschienen: November 2012
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2012

Idee

liebenswerte, schräge Vögel mit so vielen Eigenheiten, dass es ein Vergnügen ist, sie in ihrem verrückten Alltag zu begleiten. Jungs werden ihren Spaß daran haben.

Bilder

Eine originelle Idee, das Daumenkino im Buch: Auf allen unteren Buchseiten eine Illustration. Wenn man die Seiten schnell durchlaufen lässt, erwartet alle eine Überraschung; s/w Illustrationen von Alexander von Knorre

Text

Aus dem Blickwinkel des Protagonisten findet die Natale Ghent viele bildhafte Vergleiche, glaubwürdige Dialoge und würzt das alles mit vielen sympathischen Individualisten. Aus dem Englischen von Franziska Gehm

[ab 9 Jahren]

"Knochen" - der eigentlich William heißt - und seine beiden Freunde "Mücke" und "Pieps" sind in arger Bedrängnis, die "Furzkanone" Larry Harry und die Zwillinge "Jones & Jones", die dem Fiesling überall hin folgen, lassen sie einfach nicht in Ruhe. Für die drei steht fest, sie müssen etwas gegen die eierwerfenden Fieslinge unternehmen. Aber was?

... dabei ist Knochen nie um eine Idee verlegen. Als der clevere Pieps die beiden mit seiner neuesten Erfindung davon überzeugen will, dass sie in diesem Jahr den Erfinderwettbewerb gewinnen werden - falls Larry Harry nicht schon wieder ihre Arbeit sabotiert -, hat Knochen eine Idee: Wie wäre es, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen? Man könnte Larry Harry zur alten Mühle locken, wo es spuken soll, ihm einen gehörigen Schrecken einjagen und gleichzeitig den Astralgraphen, den Geistermelder von Pieps, testen. Mücke will von alledem gar nichts wissen. Pieps hat keine Zeit. So muss Knochen allein in der Dunkelheit zur alten Mühle fahren und bekommt einen gehörigen Schreck.

Na gut, denkt Knochen, wenn es mit dem echten Geist nicht funktionieren will, können wir Larry Harry und Konsorten vielleicht einen Geisterstreich spielen, der sich ebenfalls gewaschen hat. Mücke ist skeptisch, denn er ist wieder der derjenige der sich vom Ast stürzen muss - als Zombiegeist -, während Knochen der Köder ist und Pieps alle Einzelheiten auf seiner Polaroid-Kamera festhalten soll. Doch wie so oft bei Knochens Plänen kommt etwas dazwischen und alles geht schief. Am Ende ist der Elvis-Anzug von Mückes Vater voller Kunstblut und er selber geht mit einer dicken Honig- und Federschicht aus diesem unfreiwilligen Selbstversuch hervor.

Dann setzt Knoches großes Talent zur "Verschlimmbesserung" ein. Der Elvis-Anzug muss in einer Nacht- und Nebelaktion in die Trockenreinigung gebracht werden und kann zum Glück wieder vom Kunstblut befreit werden. Doch leider sind alle 4.000 Pailletten verschwunden, die sich einst an dem Anzug befanden. Zwei Wochen Näharbeit und die Reparatur von Tantchens geliebten Rosengitter, das bei Knochens Ausflug in die Reinigung leider zu Bruch gegangen ist, stehen den Jungen bevor. Dabei sind die drei nach wie vor Opfer von Larry Harrys Eier-Attacken und Mücke ist nach Larry´s brutaler Spielweise beim Lacrosse jedes Mal reif für die Krankenstation.

Als Knochen seine Freunde endlich dazu bekommt, den Astralgraphen an Ort und Stelle - und zwar an der alten Mühle - auszuprobieren, schlägt dieser wie verrückt aus. Doch, wie sich herausstellt, treibt dort nur "Rufus" sein Unwesen, und der scheint alles andere als ein Geist zu sein. Also stimmt etwas mit dem Astralgraphen nicht, oder?

Drei komplett liebenswerte aber schräge Vögel, das sind Knochen, Mücke und Pieps, die ihre Namen nicht ganz zu Unrecht bekommen haben. Knochen mit seinem langen, energischen Kinn kann nichts so schnell unterkriegen. Mücke weist wohl die schrägsten Eigenheiten mit seinen roten Haaren, seinen langen, schlaksigen Armen und Beinen und viel zu großen Füßen auf. Mücke hat immer Bedenken, kein Wunder, denn meist ist er auch der Leidtragende bei Knochens genialen Plänen. Dann ist da noch der kleine Pieps, der - kein Mensch weiß warum - eine Fliegerbrille trägt, die eine viel zu große Seestärke hat, wodurch er nahezu blind durch die Gegend tappt. Ein paar richtungsweisende Ansagen am Rande sind da schon hin und wieder vonnöten.

Sie alle drei sind einfach Sonderlinge, ohne genau zu wissen warum. Doch sie halten zusammen - sogar bis spät in die Nacht. Dann benachrichtigen sie sich gegenseitig durch ihr selbst getüfteltes Sprechrohr, das von Knochens´ Zimmer in Pieps´ Zimmer geht und von da aus in Mückes´ Zimmer. Auf diese Weise ist Pieps immer der Vermittler ihrer nächtlichen Debatten, was bei Knochens´ Begeisterungsfähigkeit und Mückes´ Skepsis nicht ohne Komik ist.

Bis auf Mücke sind Pieps und Knochen nicht gerade mit intakten Familien gesegnet. Während Pieps´ Mutter einfach fortgegangen ist und er seitdem mit seinem Vater Fertiggerichte essen muss und in Schlafsäcken nächtigt, sind die Eltern von unserem Hauptakteur, Knochen, verschollen. Er lebt seitdem bei seiner Tante und seinem Onkel, der ganz in Ordnung ist, wohingegen die Tante mit ihrer Insektenphobie und ihrer Begeisterung für kleisterdicke Dosensuppen ... nicht ganz so verträglich ist. Alle drei Jungs führen aber ein freies, selbstbestimmtes Leben - von einigen Pflichten abgesehen. Ähnlich wie in einem Geheimagentenbund verabreden sie sich, schmieden Schlachtpläne und machen es sich in ihrem Baumhaus behaglich, während Pieps wissenschaftlichen Studien nachgeht, Knochen organisiert und Mücke alle Vorräte in sich hinein futtert. Vor allem aber formieren sie sich geschlossen gegen Larry Harry und Jones & Jones, die klassischen Fieslinge: Groß, stark, dreist und dumm - wie sie eben sein müssen, damit sie zu einem echten Feindbild werden.

Die Aufzählung an Eigenheiten und täglichen, skurrilen Wiederholungen - angefangen vom Schulweg über das tägliche Martyrium im "Lacrosse" (einer sehr schnellen kanadischen Sportart, bei dem der Ball mit einem Netz gefangen und geworfen wird) bis hin zur Lineal-bewaffneten Lehrerin - könnte ich noch munter weiterführen. Doch was ich hervorheben möchte, ist, dass Natale Ghent einen ganze eigenen, heiteren Mikrokosmos voller Situationskomik geschaffen hat, in dem Freundschaft und Zusammenhalt großgeschrieben wird. Egal wer welche Idee hatte oder welchen Beitrag geleistet hat: Sie alle gewinnen oder verlieren am Ende. Gemeinsam.

Die Geschichte wird zwar aus der Perspektive des allwissendenden Erzählers transportiert, doch wir erleben das Abenteuer ganz an der Seite von Knochen. Dabei passt der kanadische Originaltitel "The Odds Get Even" (Was ungefähr so viel bedeutetet wie "die Sonderlinge rechnen ab") wie so oft viel besser als der zotige deutsche Titel, der vor allem natürlich etwas lesemuffelige Jungs ab 9 Jahren ansprechen soll. Und tatsächlich lassen sie sich gerne von dieser markanten Überschrift ködern, werden aber ganz bestimmt nicht enttäuscht, denn hinter diesem Titel verbirgt sich eine temporeiche, gut austarierte Geschichte mit sehr sympathischen Darstellern. Originelle Vergleiche, lebendig-skurrile Nebenhandlungen sowie stimmige Dialoge machen "Eierschlacht mit Furzkanone" einfach zu einem herrlich positiven und kurzweiligen Buch.

Erwähnenswert finde ich auch die Illustrationsidee, eine fortlaufende Szene am unteren Seitenrand mitlaufen zu lassen. Auf jeder Seite steht dieselbe Kulisse, doch blättert man weiter, sieht man, dass durchaus Bewegung in das Geschehen kommt. Erst jagen Larry Harry und Konsorten unsere drei Freunde ins Gebüsch, die dann in die entgegengesetzte Richtung flüchten, mit Larry Harry dicht auf den Fersen. Wenn man die Seiten wie ein Daumenkino bis zum Ende durchlaufen lässt, sieht man, was Larry Harry und Jones & Jones erwartet... ein breit grinsendes Gespenst!

Fazit:

Von Knochen, Mücke und Pieps kann es gerne noch mehr geben! Natale Ghent hat einen ganze eigenen, heiteren Mikrokosmos voller Situationskomik geschaffen hat, in dem Freundschaft ganz ernsthaft und aufrichtig großgeschrieben wird.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Eierschlacht mit Furzkanone

Natale Ghent, dtv

Eierschlacht mit Furzkanone

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