Spuren

  • Boje
  • Erschienen: Dezember 2012
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Kinderbuch Couch
82%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonDez 2012

Idee

die ungewöhnliche Kombination aus Spurensuche und beinahe surrealen Wimmelfiguren lässt eine zauberhafte Geschichtenwelt entstehen; allerdings muss man erst den Eingang finden

Bilder

Die Illustrationen von Verena Ballhaus sind nie ausgeschaut, weil es immer noch mehr zu entdecken gibt.

Text

wenig Text, der sehr schlicht und schön ist; die eigentliche Geschichte muss jeder selbst erzählen. Aus dem Englischen von Wieland Freund.

Dieses Buch hat gewissermaßen zwei Teile: der eine sind die traumähnlichen Wimmelbilder; der andere die vielen Tiere, Menschen und Maschinen, die überall auf den Seiten ihre Spuren hinterlassen haben und die gesucht werden wollen.

Was bei CDs der Bonustrack ist, ist bei Bilderbüchern die Bonus-Illustrationen zwischen Buchdeckel und der ersten bzw. letzten Seite: Sie zeigen die Geschichte aus einer anderen Perspektive, bei Tag oder bei Nacht, stellen ihre Hauptdarsteller vor oder es wird ein Ausblick darauf gegeben, wie es mit der Geschichte weiter geht.

Hier sind es sieben verschieden Spuren: sie laufen von links nach rechts über das Papier und sofort wollen die Kinder raten, wer das wohl war. Ente, Trecker, Schlange? Und dann wollen sie suchen, denn im Buch sind alle noch einmal zu finden, dann mit Aufklärung. Auf jeder Seite gibt es die immer gleiche Leiste kleiner blauer Icons. Jedes Mal fehlt einer - und zwar genau der, der gerade seine Spuren auf der Seite hinterlässt. (Der Trecker ist übrigens eine Schildkröte, die Schlange eine Eiskunstläuferin und die Ente ein Saurier.)

Es gibt auf jeder Seite noch einen kleinen Text, der immer mit den gleichen Worten beginnt: "Was wohl, wer wohl war grad hier? Kaum noch zu sehen ist die Spur ...". Und die wird dann beschrieben, genau wie die, die die Spuren hinterlassen haben, mit schlichten, starken und nicht schon in hunderten Kinderbüchern abgegriffenen Wörtern: die glibbrig-glitschige Schnecke, die ledrige Kröte, der flinke, leichtfüßige Fuchs.

Mehr Text als diese paar Zeilen pro Seite hat das Buch nicht.
Trotzdem könnte jede einzelne Seite gleich mehrere Geschichten erzählen. Denn die Spurenhinterlasser sind nur der eine Teil. Der zweite sind die Illustrationen, durch die sie gleiten, stapfen, schlängeln, fliegen, hüpfen, schnüren: Bunt, aber nicht knallig, die einzelnen Bildelemente in- und übereinander laufend, mal gemalt, gezeichnet, schraffiert oder durch Blätterdruck entstanden; die Größenverhältnisse von Blüten, Blättern, Tieren, Menschen entsprechen nicht der Realität, mal haben die Tiere und Kinder eine Umrandung, mal nicht und wenn sie auf der nächsten Seite wieder auftauchen, dann kann alles schon wieder ganz anders sein.

Die Illustrationen von Verena Ballhaus wirken leicht und verspielt; insgesamt sieht es aus, als wären die Wimmlinger Figuren von Rotraut Susanne Berner in eine Traumwelt geraten. Und als sei alles nur durch Zufall auf einer Seite, alle Seiten nur zufällig in diesem einen Buch: die Kinder, die eine Bootsfahrt machen, der Himmel voller Flugobjekte, der Fallschirmspringer, die im Abendlicht tanzenden Schatten. Oder gehören die einzelnen Szenen doch irgendwie zusammen?
Kann sein. Kann nicht sein.

Und das macht das erste Lesen durchaus anstrengend. Für die Erwachsenen, wohlgemerkt, die zwischen Zeilen und Männchen und Bildchen nach einem roten Faden suchen. Die Kinder stört´s nicht, sie genießen die Details: sie suchen die Spuren, dann suchen sie den Jungen, das Mädchen, den Hasen, zählen die Gießkannen im Boot und überlegen, ob das Ding am Himmel wohl ein Ufo ist oder ein Raumgleiter.

Wenn man sich aufs zweite, dritte, vierte Lesen einlässt - oder aufs Schauen, besser gesagt - dann ist der rote Faden auf einmal da, der Hase bekommt einen Namen, der Junge und das Mädchen auch und alle zusammen erleben einen traumhaften Sommertag, vom Aufstehen bis zum Schlafen.
Dann ist aus diesem Buch eine ganz persönliche Geschichte geworden.
Die selbstverständlich jedes Mal ein bisschen abgewandelt werden muss, weil es schon wieder etwas Neues zu entdecken gab: dass der kleine Tümpel, in dem die Kinder Boot fahren ein großer Dino-Fußabdruck ist, dass da plötzlich auch noch Schuhabdrücke sind und dass sich auf jeder Seite ein Stückchen vom Elefant versteckt.

Fazit:

Dieses Buch ist ungewöhnlich: die Bildsprache, die Kombination der Elemente - Spurensuche und Wimmelgeschichte - , und, dass die Geschichte nicht klar geradeaus erzählt wird, sondern zwischen den Bildern und Zeilen zu suchen und zu finden ist. Wer sich die Mühe macht genau hinzuschauen, kann seine ganz persönliche Zauberwelt finden. Und ausgeschaut ist dieses Buch sowieso nie und damit ideal für lange Winter-Sofa-Nachmittage.

Sigrid Tinz

 

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