Rosie und Moussa

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2013

Idee

Die vielen spannenden Momentaufnahmen wirken aus dem Leben gegriffen, ungekünstelt und doch besänftigend und witzig zugleich.

Bilder

detailliert und sehr lebendig, konzentriert auf das Wesentlich: Körpersprache, Bewegungsabläufe zeigen so manche Pointe. Ihre Zeichnungen wirken reif, sind aber zugleich humorvoll verspielt und ehrlich.

Text

schöner, bewegender Erzählbogen. Wir schauen mit Rosie und Moussa immer wieder auf die leichte, unbekümmerte Seite, es wird viel zwischen den Zeilen vermittelt. Übersetzt aus den Niederländischen von Rolf Erdorf.

[ab 7 Jahren]

Rosie und ihre Mutter stehen vor ihrem neuen Zuhause, einem großen, grauen Hochhaus. Auch der Tag ist grau und Rosie fragt sich, wie sie hier wohl Freunde finden kann. Doch dann kommt alles anders als gedacht. Rosie begegnen Freundlichkeit, Neugier und Herzlichkeit. In einem grauen Hochhaus, das so hoch ist, dass man das Dach gar nicht mehr sehen kann, wenn man direkt davor steht. Und das Dach, das Dach ist etwas ganz besonderes...

Alles ist anders in Rosies neuem Zuhause, sogar das Wetter. Sie und ihre Mutter sind quer durch die große Stadt gefahren, an das andere Ende. In ihr altes Zuhause hat die Sonne geschienen und hier? Hier trifft sie auf kalte Tristesse.

Die Illustratorin Judith Vanistendael fängt diese Anonymität, das nicht enden wollende Hochhaus und das kahle, riesige Treppenhaus, in dem sie sich fast verlieren, beeindruckend ein - und bedarf keiner weiteren Erklärungen. Umso überraschender ist gleich darauf die Begegnung mit Moussa, der unversehens und voller Neugier vor der Wohnungstür der beiden Neulinge erscheint. Rosie und Moussa verstehen sich auf Anhieb - auch wenn Rosie es eigenartig findet, dass Moussa aus seinem Kater einen Hund machen will. Im Gegenzug dafür, dass Rosie auch so tut als sei die angeleinte Katze ein Hund, verspricht Moussa ihr, sie nicht nach ihrem Vater zu fragen.

Moussa muss Rosie unbedingt das Dach des Hochhauses zeigen, obwohl das "strrrengstens" verboten ist, so der stets meckernde Hausmeister Tak. Doch ach, der Ausblick auf die Stadt ist einfach zu herrlich. Rosie ist ganz hingerissen. Aber Herr Tak hat schon wieder so eine Ahnung und betritt das Dach, um die Missetäter auf frischer Tat zu ertappen. Rosie und Moussa können sich in letzter Sekunde hinter einem Schornstein verstecken. Das war wohl keine gute Idee: Herr Tak macht jetzt kurzen Prozess und schließt die Tür zum Dach ab. Wo sollen die beiden nun hin? Sie sind auf dem Dach gefangen und niemand weiß wo sie sind. Rosie wird kurz panisch und schimpft mit Moussa, doch dann fällt ihr ein, was ihre Mutter zu ihr sagte, als ihr Vater plötzlich fortging: "Hab keine Angst, Rosie, es gibt immer eine Lösung, für alles." Und siehe da: Zum Glück kommt der Kater von Moussa durch ein kleines Fenster zu ihnen. Sie finden Papier und Stift, befestigen einen Schnipsel an dem Halsband des verdutzten Katers, der kurzerhand wieder ins Treppenhaus geschoben wird, und werfen zwei weitere Schnipsel das Dach herunter: "Hilfe, wir sind auf dem Dach!!!" steht da. Ob die Nachricht die Bewohner des Hauses rechtzeitig erreicht? Und was wird geschehen, wenn der wütende Hausmeister sie dort oben erwischt?

Der Autor Michael De Cock zeigt seinen jungen Lesern nur ein paar kurze Einblicke in die Seele von Mutter und Tochter, wenn es um den Vater geht. Er wird nie konkret, so dass man nur weiß, dass er die kleine Familie verlassen hat. Warum und wie, das wird nicht verraten. Es wird jedoch deutlich, dass der Umstand, dass Mutter und Tochter nun allein klar kommen müssen, ein großer, verunsichernder Einschnitt im Leben beider gewesen ist. Rosie realisiert auf dem Dach, als sie sich an diesen besonderen Satz erinnert, welche Angst ihre Mutter in ihrer ausweglosen Situation gehabt haben muss, dass auch sie erst einen Weg finden musste, sich aus dem Schlamassel zu befreien.

Auch wenn der erste Blick auf das neue Zuhause alles andere als Vielversprechend ist, geschehen im Verlauf der kleinen und doch so berührenden Geschichte Dinge, die den beiden Neulingen helfen, in ihrem neuen Heim anzukommen. Es sind eben die Menschen, die ein Haus zu einem Zuhause machen. Sei es der Fischverkäufer gleich nebenan, die nette ältere Dame, die sich als echte Freundin erweist oder Moussa und seine Familie - sogar der mürrische Hausmeister Tak: Am Ende stehen sie alle auf dem Dach des Hochhauses. Hier kann man den Blick über die ganze Stadt schweifen lassen, kann über den Dingen stehen, um dann alles aus einer anderen Perspektive zu betrachten und vielleicht besser zu verstehen.

Michael De Cock gelingt scheinbar ganz mühelos ein schöner, bewegender Erzählbogen. Nie überlässt er der Traurigkeit die Oberhand, er schaut mit Rosie und Moussa immer wieder auf die leichte, unbekümmerte Seite und versteht es doch, so viel zwischen den Zeilen und Ereignisse zu vermitteln. Seine Momentaufnahmen wirken aus dem Leben gegriffen, ungekünstelt und doch besänftigend und witzig zugleich.

Die große Schrift für Leseanfänger erleichtert das zügige Vorankommen in dieser kurzweiligen Geschichte. Sehr gut wird diese durch die zahlreichen s/w Illustrationen von Judith Vanistendael unterstützt, in einer Weise, wie man sie nur selten in den Büchern findet, die Kinder zum ersten Lesen ermutigen sollen. Mit lockerem Strich zeichnet Judith Vanistendael Rosies und Moussas Welt, findet Bilder, wo Worte zu langatmig sind, und ergänzt die Geschichte mit Details, die gerade die Jüngeren Leser verstehen lassen: Da tanzt Herr Tak selbst über das Dach des Hochhauses, als er sich unbeobachtet fühlt oder zeigen den trudelnden Flug der Hilferufe, die die Kinder vom Dach werfen. Judith Vanistendael zeichnet detailliert und sehr lebendig, dabei konzentriert sie sich auf das Wesentlich und schafft in der Körpersprache, den Bewegungsabläufen der Protagnosten (wie sie Comics ähneln) so manche Pointe. Ihre Zeichnungen wirken reif, sind aber zugleich humorvoll verspielt und von Herzen ehrlich.

Fazit:

Mit seinem herzlichen Erzählton versteht es der Autor Michael De Cock so aus dem Leben zu erzählen, dass Kinder wie Erwachsene von der ersten Zeile an lauschen. Er lässt sich Zeit für Momente und spiegelt jene Magie im Alltag, wie Kinder sie noch empfinden und einfangen können. Illustratorisch hat Judith Vanistendael die Geschichte perfekt eingefangen, denn sie begleitet sie nicht nur, sie erzählt sie mit ihren Bildern weiter.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Rosie und Moussa

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