Jack im Regenwald

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2013

Idee

Gewusst wie! Mit ein paar Macken und einem einzigen Streifen sticht Jack unverkennbar aus der Masse der New Yorker Taxis hervor. In einem Tagtraum fliegt er nach Brasilien und rettet den Regenwald.

Bilder

Die durchgehend farbigen Illustrationen sind mit Acryl gestaltet. Die Drucktechnik führt zu einer eigenwilligen Musterung und verweist durch weiße Sprenkel stilistisch auf das Kernthema.

Text

Die Geschichte wird aus der Perspektive des Taxis Jack erzählt. Wenig direkte Rede, fettgedruckte Sätze stechen heraus, einfache, kindgerechte Sprache.

Wer rettet die Welt, wenn wir es nicht tun? Die Automobilindustrie wohl nicht, aber vielleicht die Autos? In "Jack im Regenwald" tritt ein in die Jahre gekommenes New Yorker Taxi für den Umweltschutz ein. Im Ernst? Ja, aber natürlich nicht ganz. So wie die Affen sich voller Spaß auf die Bagger schwingen, spielt auch in Marcus Pfisters neustem Kinderbuch die Freude am Unfug eine entscheidende Rolle. Trotzdem wird - auch über die nachgestellten Tipps für den Alltag hinaus - das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Naturschutz geschärft.

Das gelbe Taxi Jack - ehemals ein flotter Flitzer, der New York besser kennt als seinen Kotflügel - verliert langsam seinen Lack. Mit hängender Stoßstange tuckert das Auto durch die grauen Straßenschluchten Manhattans und döst im Feierabendverkehr einfach ein. Ein buntes Werbeplakat auf der Heckscheibe eines Linienbusses lädt ihn ein: "Come to Brazil"! Von Sehnsucht und Tatendrang gepackt fühlt sich Jack nicht bloß so, als ob er fliegen könnte, sondern gleitet tatsächlich von Flügeltüren getragen durch die Luft als die Brücke unversehens im Nichts endet.

Im Schwarm mit drei Aras überfliegt er den Dschungel und landet mitten im Grünen. Hier trifft er auf die "lustigsten Kunden" aller Zeiten: eine Horde von Affen, die neugierig das fremde Flugobjekt erkunden und ungeachtet aller Blechschäden mit ihm Ball (bzw. Kokosnuss) spielen. Als die Tiere plötzlich von brummendem Lärm aufgeschreckt werden, linst Jack verstohlen hinter einem Busch hervor und entdeckt riesige Bagger. Er ist entsetzt, dass "seine eigenen Verwandten" den Urwald zerstören und stellt sich ihnen selbstsicher in den Weg. Der Vorschlag, dass es nützlicher wäre in der Heimat Straßen, Schulen oder auch Spielplätze zu bauen, wird prompt angenommen. Jack führt die Karawane von Baufahrzeugen aus dem Dschungel-Paradies hinaus, zurück in die Großstadt. Ja, und dann? Na, dann wacht das Taxi aus seinem Tagtraum auf. Aber hat ihm nicht der Bagger an der nächsten Baustelle zugewinkt? Und Moment: es liegt ja eine Kokosnuss auf dem Rücksitz!

Die Geschichte hat zugegebener Maßen keinen besonderen Tiefgang und bedient verschiedene Klischees. Gerade die Einfältigkeit und die fehlende Ernsthaftigkeit sind es aber, die auf erfrischende Art und Weise den didaktischen Impetus und das agitatorische Moment in gesunden Grenzen halten. Es wird hier weder behauptet, eine Lösung für Umweltprobleme bieten zu können, noch wird ein konkreter Versuch unternommen, die kleinen LeserInnen ideologisch zu beeinflussen.

Anstatt die moderne Technik und städtische Lebensweise zu verteufeln und den naturbelassenen Dschungel romantisch zu überhöhen, stellt Pfister in "Jack im Regenwald" zwei Welten einander gegenüber. Die Automobile aus der Stadt treffen auf die Tiere des Dschungels und - wer hätte das geglaubt - sie spielen miteinander. Besonders eine doppelseitige Illustration zeigt den Kontrast sehr schön: Die kurvigen Wege der abziehenden Baufahrzeuge, die Linien durch das wilde Grün der Bäume ziehen, erscheinen wie Adern, die sich durch den Körper der Natur schlängeln.

Beeindruckend ist Pfisters Fähigkeit, aus minimalen Details ausdrucksstarke Charaktere zu entwickeln. Um zur Figur Jack zu werden braucht das gelbe Taxi kein Gesicht - keine großen Augen, kein strahlendes Lächeln und keine verkitschte Mimik. Nein, es reichen ein paar Kratzer im Lack, eine verbogene Stoßstange und ein schwarz-weißer Streifen quer über die Seitentüren. Auf der Buchdeckel-Innenseite wird dies besonders schön deutlich: aus einem Gewirr von mehreren Dutzend Taxis sticht Jack auf den ersten Blick heraus und bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass auch andere Wagen ihre individuellen Eigenheiten haben.

Ohne Frage zeigt sich hier mal wieder wie gut der Schöpfer des Regenbogenfisches sein Handwerk versteht. Pfister verlässt sich dabei aber nicht auf die Rezepte seiner internationalen Erfolge, sondern überrascht immer wieder mit neuen Materialien, Maltechniken und Bildsprachen. In "Jack im Regenwald" verwendet er Acrylfarben, die er mit Drucktechniken aufträgt. Heraus kommt dabei eine flächige Musterung, die durch weiße Sprenkel dem Hochglanzdesign neuerer Publikationen entgegensteht. Assoziativ wird hier das Verhältnis von Natur und Kultur nochmals gespiegelt: der Illustrationsstil wirkt handgemacht, die gedeckten Farben stellen den Kontrast zwischen Gelb (Autos) und Grün (Wälder) aus und die weißen Sprenkel lassen irgendwie den Gedanken an Umweltschutz aufkommen. Natürlich ist "Jack im Regenwald" - hier, auch wenn dies bei Kinderbüchern keine Seltenheit ist, passend zum Thema - auf Papier mit einem FSC-Gütesiegel gedruckt.

"Jack im Regenwald" ist vom Verlag für Kinder ab 4 Jahren empfohlen. Dies mag auch durch die letzte Doppelseite begründet sein, welche in Form eines Anhangs Informationen über den Regenwald und Hinweise zum umweltbewussten Verhalten im Alltag zusammenstellt. Die Verhaltenstipps stehen allerdings nicht in unmittelbarem Bezug zum Schutz des Regenwaldes, sondern zielen allgemein auf eine Stärkung des Umweltbewusstseins. Die Hinweise sind zudem auch für Vierjährige teils nicht altersgemäß. Es ist sicher begrüßenswert, wenn die Kinder Licht und Wasser abstellen. Aber es ist fraglich, ob die Kleinen sich schon im Kindergartenalter in die Erziehung ihrer Eltern einmischen sollten, damit diese ihre Jüngsten zu Fuß in den Kindergarten bringen, nur noch mit der Bahn verreisen und Gemüse aus der näheren Umgebung kaufen.
Die Tipps für den Alltag rücken den an sich sehr witzigen Band stark in die didaktische Ecke, führen zu Irritationen bezüglich der Zielgruppe und bieten dabei insgesamt kaum Mehrwert. Lässt man den Anhang aber außen vor, ist "Jack im Regenwald" ein sehr schönes Kinderbuch, das sich insbesondere für Bagger- und Automobil-begeisterte Jungen ab drei Jahren eignet.

Fazit:

"Jack im Regenwald" ist ein verspieltes Kinderbuch, das mit Hang zum fröhlichen Blödsinn Natur/Tierwelt und Kultur/Technik miteinander konfrontiert!

Anneka Esch-van Kan

 

Jack im Regenwald

Marcus Pfister, NordSüd

Jack im Regenwald

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