Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg

Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg
Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJul 2014

Idee

Die Lebensgeschichte des Opas als Aufhänger für alles, was es mit dem Ersten Weltkrieg auf sich hatte und noch hat. Unterhaltsam, verständlich, ehrlich – super.

Bilder

Abwechslungsreiche Auswahl aus historischen offiziellen und persönlichen Fotos, Schautafeln, persönlichen Familienbriefen, Fotos.

Text

Ein Buch wie eine erzählte Geschichte, verständlich ohne wissenschaftlichen oder literarischen Sprachbombast.

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star* - Kinderbuch des Monats 07/2014. Nikolaus Nützel ist von Beruf Sachbuchautor und hier erzählt er von seinem Opa , der Soldat im Ersten Weltkrieg war, schwer verletzt wurde und seitdem ein Holzbein hatte. Und drumherum erzählt Nützel, was dieser Krieg war, wie es dazu kam, und was er noch heute mit uns zu tun hat.

Los geht es mit einer kleinen Feier, die alljährlich am 24. August in der Familie des Sachbuchautors Nikolaus Nützel stattfindet. Am 24. August 1914 nämlich wurde seinem Opa ein Bein amputiert. Für ihn war damit der Erste Weltkrieg zu Ende; zwar war er jetzt behindert, aber er konnte deswegen nicht mehr zurück an die Front, war nicht mehr in Gefahr, erschossen oder von Granaten zerrissen zu werden, sondern hat überlebt. Konnte Vater von fünf Kindern werden, eins davon ist die Mutter von Nikolaus Nützel. Hätte sein Opa kein Holzbein, gäbe es ihn vielleicht gar nicht, könnte er nicht am Schreibtisch sitzen und Bücher schreiben.
Und um dieses Buch wäre es sehr Schade.

Ausgehend von der Anekdote um das Holzbein seines Opas dröselt Nützel den Ersten Weltkrieg auf, das ganze Drumherum der damaligen Zeit und auch das, was dieser Krieg, obwohl er lange her ist, immer noch mit uns zu tun hat; und sei es nur durch die ein oder andere Redensart: "treulose Tomate" zum Beispiel soll daher stammen, dass die Italiener (als Bewohner eines Landes, das für den Tomatenanbau bekannt war) zunächst Verbündete Deutschlands waren, dann aber die Seiten wechselten; oder 0815: das war die Typen-Nummer eines Maschinengewehrs, das zu Hunderttausenden produziert und überall an der Front im Einsatz war, an dem die Soldaten regelmäßig monotone Schießübungen absolvieren mussten; und so die Nummer zum Synonym wurde für fade und durchschnittlich wurde.

Er beschreibt die politischen Positionen und Entwicklungen, was die Front war und wo, die mörderischer und mörderischer werdende Waffentechnik, Lazarette und Soldatenfriedhöfe. Er erzählt von Soldaten, die Lärm, Enge und Elend in den Schützengräben verrückt gemacht haben und damals "Kriegszitterer" genannt wurden - was ziemlich genau das gleiche ist wie die Posttraumatischen Belastungsstörung, mit der heute viele Soldaten aus dem Krieg kommen.
Kurz: alles was wichtig, interessant ist oder aus anderen Gründen in ein Sachbuch über den Ersten Weltkrieg hineingehört, ist auch drin.

Aber anders als bei einigen jüngst zum Thema erschienen Büchern, ist hier nicht nur die Liste historischer Schlagwörter ab- und in einen kindgerechten Text eingearbeitet worden. Nützels Buch ist mehr wie ein Familienalbum in Buchform, mit vielen Bildern - historische Aufnahmen, private Fotos, Bilder von heute, Schaubilder, Karten, abgedruckte Briefe, Postkarten und Flugblätter - und so unterhaltsam zu lesen, als säße der Lieblingsonkel daneben und würde Geschichte um Geschichte erzählen. Von früher, aber auch von heute, und was er zu allem so denkt und meint, etwa dass der deutsche Kampfflieger Manfred von Richthofen, genannt der Rote Baron, der sogar von den damals feindlichen Engländern ehrenhaft beerdigt worden ist, für ihn kein schneidiger Held ist, sondern schlicht ein Killer. Und er erklärt vieles, ohne die Menschen von damals platt zu ent- oder auch zu beschuldigen, ohne zu vereinfachen oder zu verharmlosen. Zum Beispiel, dass der Satz "Gott strafe England", mit dem sich damals Leute auf der Straße grüßten, mit dem sogar Predigten beendet wurden, so dämlich ist, dass man heute eigentlich nicht mehr darüber nachdenken muss. Andererseits haben die Menschen, auch der Holzbeinopa, das ja damals nicht aus Jux gesagt, sondern mit großem Ernst - das Weltbild in Deutschland war streng nationalistisch, auf Expansion und Vormachtstellung aus, die Kinder, die Jungs besonders, wurden von klein auf militaristisch gedrillt und sie durften nicht nur mit Waffen spielen, sie sollten es sogar.

Fazit

Viele Bücher über den Krieg sind der Einfachheit halber und des düsteren Themas wegen offiziell erst für 12-Jährige empfohlen. Auch dieses. Es eignet sich aber durchaus auch schon für aufgeweckte, interessierte Kinder ab 10. (Lesen Sie dazu auch die generellen Tipps im Special der Kinderbuch-Couch). Und "ab 10" heißt ausdrücklich nicht, dass es nichts ist für ältere Kinder, Jugendliche oder auch Erwachsene. Im Gegenteil. Dieses Buch ist toll und genau das richtige für die ganze Familie.

Sigrid Tinz, Juli 2014

Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg

Nikolaus Nützel, arsEdition

Mein Opa, sein Holzbein und der Große Krieg

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