Das Buch vom Anfang von allem

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2015

Idee

Schöpfungsgeschichte und Urknalltheorie gehen eigentlich gar nicht zusammen - und verschränken sich hier doch so wunderbar, dass etwas ganz Neues entsteht.

Bilder

Toller Mix aus Mosaiken und Stichen, Weltraum-Aufnahmen und fotografierten Stillleben. Locker und luftig gesetzt wirkt es gleichzeitig schön opulent.

Text

Poetisch beschriebene Fakten, erklärend gedeutete Bibelstellen - und zwischen den Zeilen noch viele, viele Worte und Gedanken mehr.

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*
Es gibt die naturwissenschaftliche Theorie von der Entstehung der Menschen, der Erde und des ganzen Universums; und es gibt die Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Jeder wird diese beiden Geschichten kennen, auch viele Kinder zumindest in Grundzügen von Was-ist-Was-CDs und Pur plus. Und irgendwie weiß jeder auch, dass die beiden Geschichten nicht wirklich zusammengehen. Dieses Buch erzählt sie alle beide, unabhängig voneinander, aber doch neben- bzw. übereinander, so dass sie Abschnitt für Abschnitt aufeinander bezogen gelesen werden können.

Der Anfang der Welt - wie, wann und warum unser Universum entstanden ist, weiß niemand genau, auch heute noch nicht. Und möglicherweise wird es auch niemand genau wissen, weil Menschenleben und Menschenhirne nicht ausreichen, um diese gewaltigen, unendlichen Räume und Zeiten zu erfassen und zu verstehen. Aber: seit die Menschen Menschen sind, machen sie sich Gedanken darüber: woher kommen wir, wohin gehen wir und warum das alles? Jede Zeit findet ihre Erklärungen, auch dafür, wie sich die Erde und das Leben auf ihr entwickelt haben mögen.

Die beiden in unserer Zeit bekanntesten "Geschichten" sind die Schöpfungsgeschichte aus der Bibel und die naturwissenschaftlich aktuell korrekte Urknall- und Evolutionstheorie. Und eigentlich kann man in unserer aufgeklärten Zeit die Bibelgeschichten nur noch glauben - alle Tiere an einem Tag, wie soll das gehen und wieso erwähnt die Bibel die Dinosaurier nicht - oder man kann sie symbolisch nehmen und auch da fällt es einem nicht immer leicht, zum Beispiel dass die Frau aus einer Rippe des Mannes gemacht wurde.

Natürlich ist es so, dass Wissenschaft auch Zeitgeist ist und dass sich gesicherte Erkenntnisse alle paar Jahre oder Jahrhunderte ändern oder erweitern. Und dass es nicht heißt, dass etwas nicht existiert, nur weil man es (noch) nicht erklären oder messen oder beweisen kann. Aber dass man alles, was man erklärt, nur auf der Basis des momentanen Wissens- und Erkenntnisstandes machen kann. Genau das haben auch die Menschen vor 3000 Jahren getan, als sie die Schöpfungsgeschichte aufgeschrieben haben - und sich dabei vielleicht lustig gemacht über andere, frühere Völker, die noch glaubten, Sonne, Mond und Sterne seien Götter.

Lange Rede, kurzer Sinn - genau diese philosophischen Zwischentöne bringt dieses Buch wunderbar rüber und genauso das macht es zu so einer interessanten Lektüre.
Vielleicht nicht unbedingt für Kinder ab acht Jahren, für das das Buch vom Verlag empfohlen wird. Klar, das ist das Alter, in dem die Kinder zur Kommunion gehen und ein solches Buch natürlich ein schönes Geschenk wäre. Alleine lesen wird ein Achtjähriger das Buch nicht. Aber mit den Eltern oder Paten zusammen, häppchenweise, oder im Kommunionunterricht. Und für ältere Kinder, Konfirmanden oder auch einfach als interessierter Erwachsener funktioniert das Buch genauso gut.

Der Autor, Rainer Oberthür, ist Religionspädagogiker und Grundschullehrer, hat zahlreiche erfolgreiche Bücher für Kinder und Erwachsene veröffentlicht. Er erzählt die beiden Geschichten zwar unabhängig voneinander, aber doch neben- bzw. übereinander, so dass sie Abschnitt für Abschnitt aufeinander bezogen gelesen werden können. Und er trifft einen guten Ton, kindgerecht aber nicht kindisch ist, in einfachen Worten, aber voller Gedanken.

Oberthür ist Theologe, klar. Aber wer der Bibel, dem Christentum oder zumindest dem Thema Religion an sich kein wohlwollendes Interesse entgegenbringt, wird sich dieses Buch ohnehin nicht kaufen. Um die biblische Schöpfungsgeschichte zu zerpflücken oder sich wissenschaftlich auf den allerletzten Stand zu bringen, dafür gibt es sicherlich andere Titel. Und so geht es los:

 

"Es geht um den Beginn in Raum und Zeit, es geht um Tatsachen, die oft geheimnisvoll sind, es geht um das, was einmal war und nacheinander passiert, was Menschen nach und nach herausgefunden haben und nach dem heutigen Stand wissen."

Das steht oben, und unten:

 

"Es geht um die Geschichte vom Ursprung der Schöpfung, wie sie uns in den alten Schriften der Bibel erzählt wird. Es geht um den Anfang ohne Raum und Zeit, es geht um das Geheimnis hinter den Tatsachen."

Der obere, naturwissenschaftliche Teil präsentiert Fakten, Zahlen, Größen und Zeiträume - aber auch philosophische Gedanken und anschauliche Beispiele. Der untere, biblische Teil ist wohltuend abstrakt, er schwelgt nicht in farbenprächtigen alttestamentarischen Abenteuern oder in der Lebensgeschichte Jesu, kein Mal werden Adam und Eva oder ein alter Mann mit Bart erwähnt. Und so ist der Kontrast zwischen beiden Teilen nicht so groß, wie man vielleicht erwarten könnte.

Beide Geschichten strikt zu trennen ist vielleicht auch gar nicht möglich. Die biblische Geschichte dürfte so tief im kollektiven Gedächtnis sein, dass wir sie gar nicht ausblenden können. Und andererseits sind wir heutzutage so aufgeklärt, dass wir gar nicht anders können, als die Worte zu deuten, zu erklären, zu analysieren und zu bewerten - sie nicht einfach nur glauben können.

Das wird auch am Layout deutlich: der naturwissenschaftliche Teil oben und der biblische Teil unten sind durch zwei farbige Fäden voneinander getrennt. Die berühren sich mal, überschneiden und verschlingen sich und hüllen die Bilder ein, von denen es für jeden Teil jeweils eines gibt: Mosaiken aus dem Markusdom, alte Stiche, Satellitenbilder von Mond und Universum, fotografierten Stillleben, durchaus bunt und alle von schlichter, zeitloser Schönheit.

Am Ende der Lektüre ist klar, dass beide Geschichten das Woher und Warum nicht beantworten können. Der Urknall oder das Nichts vielleicht auch - okay. Oder eben: Gott. Aber woher kam das Nichts - oder Gott? Das bringt das Buch ziemlich gut rüber, so dass es eigentlich viel mehr als nur die eine und die andere Geschichte erzählt, sondern eine ganz eigene, philosophische: über die mögliche Entstehung der Welt und über eine Art von Religiosität, die in allen Menschen angelegt zu sein scheint, unabhängig von Glauben oder gar Konfession. Und man geht mit einer Erkenntnis aus der Lektüre, die ein unbekannter Autor in einem berühmten Gedicht so zusammengefasst hat:

 

"Ob du es begreifst oder nicht, das Universum entfaltet sich so, wie es sollte. Leb deshalb in Frieden mit Gott, wen immer du dafür hältst."

Fazit

Schöpfungsgeschichte und Urknalltheorie gehen eigentlich gar nicht zusammen: die eine nüchterne Wissenschaft, die andere ein Loblied auf einen Gott, den es nach genau dieser wissenschaftlichen Theorie gar nicht gibt. Dieses Buch erzählt sie beide nebeneinander und doch verschränkt und aufeinander bezogen. So, dass jede für sich klar wird und gleichzeitig noch gleichsam eine dritte Geschichte dazu kommt: die zu den beiden anderen philosophisch Stellung bezieht und faszinierende Gedankengänge anstößt. Ein Buch ab 8, kindgerecht geschrieben, aber nicht kindisch und deswegen auch und gerade auch für alle, die älter sind. Und: einfach schön gemacht.

Sigrid Tinz

Das Buch vom Anfang von allem

Rainer Oberhütr, Kösel

Das Buch vom Anfang von allem

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