Gretas Ferien

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  • Erschienen: März 2016
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMär 2016

Idee

Ferien-Roman mit der Besonderheit, dass er aus der Sicht der Hauptperson Greta in SMS und Mails an ihre Freundin erzählt wird. Originelle Idee, aber konstruiert und betulich umgesetzt.

Bilder

Viele WhatsApp-Smileys und zu jedem Kapitelauftakt eine schwarz-weiß-Illustration. Lustig und sehr kindlich. Illustratorin Hildegard Müller

Text

Leicht zu lesen und verständlich, aber sorry - so schreibt niemand WhatsApp oder SMS.

Greta macht Ferien, mit ihren Eltern und ihrer Schwester in einem Hotel mit Reitstunden und Swimmingpool - wobei alles auf den Fotos im Internet um Längen besser aussah, als es in echt ist. Die Reitstunden finden auf einem einzigen uralten Pferd statt - oder auch nicht; und der Pool ist eher ein kleines Planschbecken. Immerhin gibt es andere Kinder, von denen die meisten aber nicht wirklich als Freunde taugen. Außer Timo, der Junge aus Finnland, der schon öfter hier war. Und sich auskennt. Und weiß, dass es Gespenster gibt.

Besonders an diesem Buch ist, dass es in der Form von Textnachrichten geschrieben ist, eine Art Chat also. Zwischen Greta, die in den Bergen Urlaub macht, und ihrer Freundin Nina zu Hause. Greta schreibt schon aus dem Auto: über die zickige große Schwester, die frisch verliebt ist und nur an ihren geigenspielenden Freund denkt, über ihre Eltern, die sich beim Autofahren über sich und andere Autofahrer aufregen, dann über das Hotel, das längst nicht die Ferienanlage mit Pool und Reitgelegenheit ist, nach der es im Internet aussah. Sondern schäbig und ungemütlich. Die Pferde sind in echt nur eins und das ist eigentlich auch schon zu alt, um geritten zu werden; der Pool ist zu klein und alles ist ganz schrecklich. Immerhin gibt es andere Kinder, Timo zum Beispiel, der war schon öfter hier und kennt sich aus und meint, im Hotel würde es spuken und sogar einen geheimen Bund der Geisterjäger soll es geben.

Und Nina "textet" zurück: von ihrem Schwarm Jonas aus der 5b , der mit ihr Eis essen gehen will und sich dafür die Sonnenbrille von seinem großen Bruder ausgeliehen hat und damit total "süüß" aussieht und dass der Baggersee hier zu Hause ja auch ganz schön ist, und irgendwie springt der Funke nicht so über. Dabei ist die eigentliche Geschichte als Variante des Klassikerthemas "Wie-ein-doofer-Urlaub-doch-noch-ganz-nett-wird" gar nicht schlecht.

Vielleicht weil es eben kein Chat ist. Sondern ein Buch, das so tut, als wäre es einer. Allein optisch ist das Layout nicht an WhatsApp und Co angelehnt, sondern normaler Buch-Text mit eingestreuten normalen Kinderbuch-Illustrationen, keine Fotos oder Filmchen - oder was sich zwei Mädels wie Nina und Greta eigentlich so gegenseitig hin und her schicken würden. Ein paar Smileys gibt es, aber das sind, gemessen am tatsächlichen Emoij-Verbrauch von Tweenies und Teenies sehr, sehr wenig. Der Stil ist ganz locker-flockig und auch gut zu lesen - aber so schreibt man eben keine WhatsApp oder SMS. Drei Seiten über die erste Reitstunde? Zehn Seiten über die Mutprobe, die Greta bestehen muss, um beim Bund der Geisterjäger mitmachen zu dürfen? So hätte man sich noch nicht mal in der guten alten Zeit Briefe geschrieben.

Vielleicht Nummer 2: In die Chats sind Sachen verpackt, die der Leser oder die Leserin wissen muss, um der Handlung folgen zu können - die sich aber Nina und Greta nie schreiben würden, weil sie selber das längst wissen ("du weißt ja, Handy aus beim Essen ist Familienregel Nummer zwei", oder dass die große Schwester 15 ist); ein Buch mit einem übergeordneten Erzähler würde das wie unbemerkt einflechten - so wirkt es künstlich und gestelzt.

Vielleicht Nummer 3: Es gibt keine richtige Zielgruppe. Vom Vorlesen ist dringend abzuraten: die ganzen "Ninaschätzchen" und "Gretamäuschen" und "ich drück dich ganz fest" hält kein erwachsener Mensch lange aus und auch Kinder und Jugendliche nicht, denn so reden sich möglicherweise Menschen in Vorabendserien an, aber niemand in echt. Auch wer ein Reitermädchen zu Hause hat: Finger weg. Dass vorne ein Pferd drauf ist, heißt nichts. Das ist nur das alte müde Pony, das nur eine klitzekleine Rolle neben Timo und Jonas und dem Geiger und den Gespenstern hat.

Der kindliche Zeichenstil, die große Schrift, der eher einfache Satzbau empfehlen das Buch durchaus für Siebenjährige - die haben für Tussigelaber und süße Typen mit Sonnenbrillen aber noch nicht so viele Antennen, wie dieses Buch hier bräuchte. Zehn- oder Elfjährige könnten damit deutlich mehr anfangen. Könnten. Weil das Buch sehr kindlich layoutet ist, bleibt es bei denen komplett unter dem Radar.

Fazit:

Klingt erst mal alles toll; SMS-Roman, Pferde, Gespenster, Jungs und Urlaub. Aber es ist ein bisschen wie mit dem Hotel Alpenblick in der Geschichte, das längst nicht die tolle Ferienanlage ist, nach der es im Internet aussah. Das liegt weniger am Inhalt - die Story ist eine nette Variante vom "doofen-Urlaub-der-dann-doch-noch-ganz-nett-wird" - sondern an allem anderen: der SMS-Stil wirkt sehr konstruiert, die Optik richtet sich an eher kleine Kinder, der Inhalt an ältere. Nix Halbes und nix Ganzes. Und nix Nötiges - schon gar nicht, um sich damit das Urlaubsgepäck zu beschweren.

Gretas Ferien

Anu Stohner, dtv

Gretas Ferien

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