Ellis Hundesitter-Chaos und andere Katastrophen

Wertung wird geladen
Sigrid Tinz
84%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2016

Idee

Hanna und Elli sind BF von klein auf, aber seit Bo neu in der Klasse ist, hat Hanna wenig Zeit für Elli. Freundinnen-Chaos mit vielen WhatsApps. Am Ende ist alles anders, aber doch irgendwie gut.

Bilder

Wenige, wie an den Rand gekritzelte Notizen und Bildchen als Kommentar zum Text. Illustratorin: Lisa Brenner.

Text

Elli ist Ich-Erzählerin und berichtet ruhig, ausführlich und reflektiert ihr Innenleben mit Fragen an sich selbst, die natürlich auch die Leserin zum Nachdenken bringen.

Eigentlich ist ihr Leben schön, findet Elli, dumm nur, dass sich das Leben immerzu ändert und rund um die Pubertät besonders. Ihre allerbeste Freundin Hannah macht mehr und mehr mit Bo, der Neuen in der Klasse, die alle toll finden und bei der Elli als Einzige nicht zum Geburtstag eingeladen ist. Elli schmiedet eifrig Pläne, wie alles wieder so werden kann wie es war, eifrig durchkreuzt von ihrer kleinen nervigen Schwester und der Nachbarin mit den unerzogenen Riesenkötern. Am Ende ist alles anders, aber doch irgendwie gut.

Ellis Nachbarin hat zwei Hunde, Pit und Pat, die sie aus dem Urlaub mitgebracht - gerettet - hat und verhätschelt und betüdelt und die im Laufe der Monate zu unerzogenen, ungestümen, aber freundlichen Riesenkötern gewachsen sind - und der der Dame auch über den Kopf. Elli passt ab und zu auf sie auf und geht mit ihnen Gassi; oder besser gesagt: lässt sich von ihnen durch die Stadt schleifen, aber die Hunde mögen sie und es gibt Geld dafür. Das ist in etwa der Hundeanteil in der Geschichte, das vorweg, falls jemand das Buch kauft, weil er ein hundeverrücktes Kind zu Hause hat. Oder umgekehrt, falls jemand das Buch nicht kauft, weil ein turbulentes Hundeabenteuer nicht das richtige für die Leseratte zu Hause zu sein scheint. Pat und Pit tauchen in ein paar Szenen auf, aber ansonsten geht es in diesem Buch in erster Linie um etwas anderes: um Freundinnen-Chaos, Kein-Kind-mehr-sein, Cliquen-Dynamik, so oder ähnlich wären die Schlagworte, unter denen man das Buch eher einsortieren könnte als unter Tierroman.

Elli ist die beste Freundin von Hannah, schon seit immer, seit Ellis Mutter und Hannas Mutter beste Freundinnen sind. In letzter Zeit aber wird Hannah mehr und mehr die allerbeste Freundin der neuen Mitschülerin Bo, erst weil sie sich kümmern muss, dann weil es ihr gefällt, vielleicht weil sich Bo an der Schwelle zur Pubertät schneller und mehr als die handfeste Elli in Richtung Mode und Jungs entwickelt. Bo fördert die Entfremdung der beiden besten Freundinnen, ist sie, die "Neue" doch froh eine Freundin zu haben und teilen mag sie nicht. Als Bo Geburtstag hat und eine coole Party im Freizeitpark feiert, lädt sie Elli als einzige nicht ein. Ellis Plan: trotzdem hinzugehen. Dafür braucht sie Geld für die Eintrittskarte, das ist die Stelle an der Pit und Pat ins Geschehen kommen, als Möglichkeit, Geld zu verdienen. Wegen der Hundesitterei hat Elli noch weniger Zeit für Hannah, die noch mehr mit Bo macht. Eines Nachmittags trifft Elli die beiden beim Eisessen an, während sie selber mal wieder von den Kötern durch den Park geschleift wird und zu allem Ärger auch noch in den Fischteich stolpert. Bo filmt das mit dem Handy - und hat am nächsten Morgen die Lacher in der Schule auf ihrer Seite. Hannah lacht mit.

Elli wird immer mehr Außenseiterin und tut sich notgedrungen mit Annemie, der Streberin, zusammen. Neben der ist ja immer noch ein Platz frei. Und eigentlich ist sie auch ganz nett und nicht in allen Lebenslagen Streberin, sondern hat einen 1a Candycrush-Highscore und beim Achterbahnfahren noch nicht mal bei den schlimmsten Dreh-Schraub-Loopings Angst.

Soweit, so gut. Und so erwartbar für lebens- und leseerfahrene Menschen, denn letztendlich ist es das übliche: Mädchenfreundschaft und Zickenkrieg, Erwachsenwerden und Kindbleibenwollen, erstes Interesse an Jungs und Stress mit den Eltern. All das von einer Ich-Erzählerin berichtet, das schafft Identifikation, und zwar so reflektiert und nachdenklich und von allen Seiten betrachtet, dass es gleichzeitig wie gute Ratschläge sind, die Kinder in dem Alter zwar gut gebrauchen könnten, von ihren Eltern aber nicht hören wollen, selbst wenn die sie freundlich, vertrauensvoll und starkmachend auf den Punkt bringen könnten wie die Autorin. Die legt den Schwerpunkt auf die Innenwelt von Elli. Elli erzählt langsam, richtet Fragen an sich selbst - "bin ich es jetzt, die Bo einfach nicht mag oder habe ich es vielleicht falsch verstanden" - die dann auch die Leserinnen ins Nachdenken bringen oder dazu, zu überlegen, welche Position sie selber in ähnlichen Situationen wie Hannah, Bo oder Elli beziehen könnten oder würden. Die Verwicklungen und komischen Situationen sind eher wenig und wenig überzeichnet - Stichwort Hundesitterchaos, das ja eigentlich kaum vorkommt - aber so ist das Buch sehr authentisch.

Weil es nicht, wie so oft, in einer amerikanischen Kleinstadt-Highschool spielt, sondern mitten im deutschen Schulsystem; mit Hilfestellung beim Bocksprung, Klassenrat und Kummerkasten, hat es viele Wiedererkennungseffekte und ein großes Identifikationspotential.

Und das beste: die ganz normale WhatsApperei der Kids von heute ist Teil der Geschichte. Es werden Dialoge wiedergegeben, die von Abkürzungen nur so strotzen. Mag sein, dass die im Buch verwendeten BF, ka, bn, wn schon bald veralten oder vielleicht schon veraltet sind - ka - das Prinzip dieser Kommunikation prägt die heutigen Kids so wie uns die stundenlangen Telefonate mit der Freundin und unsere Urgroßmütter der Plausch beim Waschtag am Fluss.

Genau wie die Diskussionen mit den Eltern dazugehören - wie etwa: wie lange, wie oft, mit wem, was machst du - und auch die Probleme der Schreiberei. Dass aus kleinen Neckereien große Missverständnisse werden können, weil die Pünktchen am Ende anders interpretiert werden als gedacht; oder weil auf eine Frage eeewig keine Antwort kommt, obwohl die zwei blauen Häkchen zeigen, dass die Nachricht empfangen und gelesen worden ist. Am Ende ist alles wieder gut, oder vielleicht auch nur okay. Es hat sich zurechtgeruckelt und ist anders als vorher, aber alle haben was gelernt.

Fazit:

Mehr Freundinnen-Chaos als Hunde-Chaos, eher ausführlich bedächtig als rasant geschrieben, eher die Gefühle als die Action beschrieben. Mag auch der Titel nicht passen, der Inhalt ist gut. Lebenshilfe für 10 bis 13-jährige mit ein paar lustigen Wendungen in moderner Romanform.

Sigrid Tinz, Oktober 2016

Ellis Hundesitter-Chaos und andere Katastrophen

Waltraud Moegle, Planet Girl

Ellis Hundesitter-Chaos und andere Katastrophen

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Ellis Hundesitter-Chaos und andere Katastrophen«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Lesen und Hören
mit System

Lesestifte und Audiosysteme für Kinder.
Der große Test.

mehr erfahren