Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt

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Stefanie Eckmann-Schmechta
89%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2016

Idee

Ein Hauch von Abenteuer liegt über alledem, was die drei Freunde erleben. Sehr atmosphärisch und fantasievoll - mit ganz unerwarteten Überraschungen.

Bilder

zeitlos schöne Illustrationen im Sepia-Ton von Nicholas Gannon, filigran und voller Details. Sehr ästhetisch durchkomponiert, wie kleine Kunstwerke.

Text

Vielschichtig und auf erfrischende Weise humorvoll. Ein gutes Gespür für Timing und Charaktere; eine sanfte, fantasievolle Sprache, die sich auch gut zum Vorlesen eignet. Aus dem am. Englisch v. Harriet Fricke

Archer Helmsley, einziger Sohn und Enkelsohn der Familie Helmsey, ist ein Abenteurer und Forscher - ganz wie seine Großelten, die auf einem Eisberg vor vielen Jahren verschollen sind. Seither versucht Mrs. Helmsey, die Mutter von Archer, ihrem Sohn alles Helmsley-Typische auszutreiben. Doch Archers Forscherdrang ist unbändig und schon bald findet er Freunde, die mit ihm eine große Expedition planen.

Es ist wirklich kein Wunder, dass Archer ständig darüber nachdenkt, wie er den Fittichen seiner Mutter entkommen kann. Alltägliche Flucht ist da sein Freund Oliver, der im Nachbarhaus wohnt, sehr entspannte Eltern hat und den er über das Dach besucht. Wenn das seine Mutter wüsste! Archer sucht in Oliver gleichzeitig auch einen Verbündeten, der die Expedition an den Südpol nicht nur mit ihm plant, sondern auch gemeinsam mit ihm durchführt. Doch Oliver ist gar nicht so erpicht auf dieses Abenteuer. Zum Glück taucht da - ein Haus weiter - das französische Mädchen Adélaïde auf. Sie fasziniert beide Jungen auf Anhieb. Nicht nur, dass sie ein Holzbein hat, nein, auch ihr ungewöhnlicher Unfall spricht dafür, dass sie es mit einer echten Abenteurerin zu tun haben. Und tatsächlich: Adélaïde ist nicht nur mutig und durchsetzungsstark, sie ist auch gleich für ihr Abenteuer zu begeistern.

Sie recherchieren und forschen und finden tatsächlich ein Schiff, das sie an den Südpol bringt. Sie legen sich eine entsprechende Ausrüstung zu und treffen dabei auf interessante Menschen, in höchst eigenartigen Gegenden. Als sie aber endlich kurz davor sind, dass ihr Abenteuer wirklich und wahrhaftig losgehen kann, passiert etwas, das sich auch Archer in seinen kühnsten Fantasien nicht hätte vorstellen können!

Die größten Abenteuer beginnen im Kopf

Archer, der mit den vielen ausgestopften Tieren im Haus der Helmsleys, die die Großeltern von ihren Expeditionen mitgebracht haben, rege Unterhaltungen führen kann, hat viel Fantasie. Er ist sozusagen Opfer seiner Erbanlagen und wild entschlossen, seinen Großeltern in das Abenteuerwesen zu folgen. Seine Mutter hätte aber viel lieber einen ganz normalen Jungen, der nicht ständig Katastrophen auf Dinnerpartys auslöst, weil er mit seinem Kopf ganz woanders ist. Dabei kann einem Archer echt leidtun, ist er doch bereits ein Gefangener und muss befürchten, beim kleinsten Fehltritt (und dabei handelt es sich um ganz normale Dinge, die Jungs ebenso machen) noch heftigere Sanktionen auferlegt zu bekommen. Sein Vater, ein Anwalt und nur selten in Erziehungsdingen involviert, nimmt das alles mit reichlich Humor und denkt gar nicht daran, seine Frau zu bremsen. Archer steht also auf ziemlich verlorenen Posten. Einziger Lichtblick: Die Post seiner Großeltern, die er gut in seinem Zimmer versteckt. Für ihn sind es wahre Schätze. Die eigenwilligen Artefakte - unter anderem auch ein Glasauge eines Kapitäns, den Archer noch treffen wird - zeugen von ihren zahlreichen Forschungsreisen und bieten ihm stellvertretend ein wenig Rückhalt in seiner fantasielosen Familie.

Keine Frage, er vermisst seine spleenigen Großeltern sehr. Das Geheimnis um die Großeltern ist und bleibt jedoch eines; ob man es nun aus Abenteuerlust betrachten möchte oder ganz nüchtern. Man ahnt, irgendetwas stimmt da ganz und gar nicht!

Und irgendwann reichen die Abenteuer im Kopf nicht mehr, besonders als endlich eine Sparringspartnerin auftaucht, die sich mit Abenteuern auskennt: Adélaïde, die aus dem fernen Paris kommt und schon überall auf der Welt war - auch dort, wo es Krokodile gibt. Die drei, Archer, Oliver und Adélaïde, schließen schnell Freundschaft. Und es ist sehr schön, zu lesen, wie sich diese entwickelt; wie sie zusammen halten und erstmal viele kleine Abenteuer erleben, die Kinder eben brauchen, um groß und stark zu werden. Auch kristallisiert sich bei ihren Nachforschungen bald eine Wahrheit heraus, die Archer niemals erwartet hätte.

Nicholas Gannons Debüt ist vielschichtig und auf erfrischende Weise humorvoll. Da gibt es schon so manche skurrile Begebenheit, die nicht selten in eine groteske Zuspitzung von Archers Lage endet. Vollkommen ungewollt und natürlich ganz ohne bösen Willen. Nicholas Gannon beweist darüber hinaus ein gutes Gespür für seine Charaktere und spitzt sie auch gehörig zu. Da ist eine bösartige, kinderfeindliche Lehrerin, die einfach nur ein schrecklicher Drachen ist oder - als Gegenpart - der Vater seines Freundes Oliver, der im Herzen Kind geblieben ist. Archers Mutter, die ihren Sohn ständig gängelt und kontrolliert, ihm kaum Freiräume lässt, wie auch die vollkommen desinteressierte Mutter von Adélaïde, die keine Gelegenheit auslässt, Adélaïde spüren zu lassen, wie sehr sie ihrer Tochter überdrüssig ist. In diesem charmanten Roman definieren sich die Erwachsenen im Großen und Ganzen durch ihre Extreme aus und plagen die drei Freunde vor allem durch ihre grenzenlose Ignoranz. Wie wohltuend sind da Archers Großeltern, die durchaus wissen, was ein junger Abenteurer braucht. Aber auch sie haben schwerwiegende Fehler gemacht und waren nicht immer die, für die Archer sie heute hält. Damit hinterlässt Nicholas Gannon auch eine Note, die nachdenklich macht, wie es im Buch auch immer wieder philosophische Ansätze gibt.

Zum Ende hin werden die zu Anfang eher beschaulich erzählten Kapitel immer knapper, die Szenenwechsel häufiger, das Erzähltempo nimmt zu. Gannon führt seine zeitlose und schöne Freundschaftsgeschichte zu einem turbulenten und überraschenden Höhepunkt.

Unbedingt erwähnenswert sind die ebenso zeitlos-schönen sowie aufwändigen Illustrationen von Nicholas Gannon. Sie sind filigran und vermitteln in ihrem Sepia-Ton eine gewisse Nostalgische Note - sie vermitteln einem das Gefühl von einer Zeit, da die Welt wohl noch in Ordnung war. Jedes für sich ist so schön, dass man es sich als Bild aufhängen möchte. Es sind sehr ästhetisch durchkomponierte kleine Kunstwerke, bei denen jedes Detail stimmt.

Wer sich nach Archer wunderbare Welt zurücksehnt und sich fragt, wie seine Suche nach seinen Großeltern wohl weitergehen mag, der darf sich auf den zweiten Band freuen, der im Herbst 2017 erscheinen wird.

Fazit:

Nicholas Gannons fantasievolles Debüt zeichnet sich durch feinen Humor aus, der sowohl hintergründig als auch erfrischend ehrlich ist. Durch seine außergewöhnlichen Ideen lässt Gannon die Welt seiner jungen Helden lebendig werden - und das bis ins kleinste Detail, wie auch seine bemerkenswerten Illustrationen, die dieses Buch zu einem kleinen Kunstwerk machen.

Stefanie Eckmann-Schmechta, Oktober 2016

Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt

Nicholas Gannon, Coppenrath

Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt

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