Die Finstersteins. Wehe, wer die Toten weckt ...

Die Finstersteins. Wehe, wer die Toten weckt ...
Die Finstersteins. Wehe, wer die Toten weckt ...
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Sigrid Tinz
89%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2017

Idee

Fred und Franz, die Underdogs in der Schule werden Helden wider Willen in einem fantastischen Gruselkrimi aus der Vergangenheit.

Bilder

Kleine Details machen die Story schön anschaulich, ganzseitige schwarze Friedhofsszenen machen sie schön schaurig.

Text

Fred erzählt das alles selbst; dazwischen sind immer ein paar Seiten Chats zwischen Fred und Franz.

Fred wohnt am Rande des Friedhofs, seine Mutter ist Friedhofswärterin. Er ist hauptsächlich damit beschäftigt, in seiner neuen Schule anzukommen und die Hänseleien und Handgreiflichkeiten einiger Jungs zu überstehen. Und manchmal hilft er auch seiner Mutter bei der Arbeit: er spielt Alibi-Trauergast, wenn zu einer Beerdigung sonst keiner kommen würde, oder er übernimmt den abendlichen Kontrollgang übers Gelände. Dabei entdeckt er eine uralte Gruft mit einem steinernen Krokodil über dem Eingang - ein bisschen gruselig ist das zwar, aber die Neugier siegt und er geht hinein.

Ich habe als Kind sehr viel gelesen und lese immer noch viel, für mich selbst und mit meinen Kindern und beruflich lese ich noch viel, viel mehr. Und es ist selten, dass ich ein Buch in der Hand habe, bei dem ich nicht schon nach den ersten Seiten ahne, worauf es hinauslaufen wird. Was nicht heißt, dass diese Bücher dann nicht gut sind, all die turbulenten Familienkomödien und Kinderkrimis, die krachend komischen Pubertätsromane oder melancholisch-düsteren Schicksalsstorys; oft punkten sie ja auch mit Details, mit Illustrationen, neuen Stilformen wie WhatsApp oder Cartoon oder besonders liebenswertem oder skurrilem Personal. Aber trotzdem weiß man in etwa, was einen erwartet.
Umso schöner, wenn es mal anders ist. Wie hier.

Die Finstersteins lohnen sich mit der ganzen Familie zu lesen; und wenn man ein Kakao-Kekse-Sofa-Event daraus macht, sind dafür auch 10-Jährige Präpubertierende zu haben, die sich sonst geschichtenmäßig mit Hörbüchern, Lesefutter und Youtubeclips eher selbst versorgen. Jüngere Kinder sind für so etwas sowieso zu haben. Zu klein sollten sie nicht sein, ab 6 vielleicht, und als Gute-Nacht-Geschichte sind die Finstersteins vielleicht auch nicht unbedingt zu empfehlen, denn die Story spielt auf einem Friedhof.

Ausreichend neugierig geworden?
Gut so.

Aber viel mehr wird nicht verraten! Wäre schade.

Fred, der Ich-Erzähler, hat es in der Schule nicht ganz einfach. Neu in der Klasse, ist er der Außenseiter, er wird geschlagen und gedemütigt, und zwar richtig: mit Pulli ins Klo und angeschlagenem Schneidezahn. Freunde hat er nicht, außer sowas in der Art: Franz, den dicken Streber und zweiten Außenseiter in der Klasse. Fred wohnt mit seiner Mutter am Friedhof, die dort als Gärtnerin arbeitet. Er hilft ihr ab und zu und streift gerne übers Gelände, er hat auch die Schlüssel für die Gruften. Eine mag er besonders, die mit dem Krokodil über dem Eingang, die Gruft der Familie Finsterstein. Irgendwann traut er sich hinein und findet dort statt Särgen nur lebensecht aussehende Steinfiguren: Vater, Mutter, drei Kinder und einen Großvater. Und ein Pergament. Auf dem steht - verschlüsselt, aber sinngemäß - dass die Familie auf ihren Erwecker wartet. Fred versteht erst mal nur Bahnhof: Häh? Erwecker? Sein Freund Franz recherchiert immerhin und weiß schnell, was zu tun ist. Das ist dann allerdings wieder Freds Job, und er erledigt ihn, mit Galgenhumor und schicksalsergeben, mit Schiss in der Bux und ohne groß einen Plan zu haben; aber tatsächlich die Figuren werden lebendig. Das Krokodil übrigens auch. Dem gleichen Geheimnis sind außerdem Verbrecher auf der Spur, so dass noch ein bisschen Kinderkrimi dazukommt. Aber viel authentischer als bei TKKG und Co, die ja immer gleich ein dickes Gute-Arbeit-Kinder-Lob von der Polizei verliehen bekommen. Für Fred gibt es einen gehörigen Anschiss vom diensthabenden Polizei-Leitstellenmitarbeiter, für den Fall, dass es sich um einen Streich handelt.

Der Text ist prima zu lesen und sehr anschaulich: man sieht alles ziemlich gut vor seinem inneren Auge. Die Bilder sind oft friedhofsdunkel, aber durch die Kulleraugenmenschen nie bedrohlich. Eher humorvoll. So wie der Text: Zum Beispiel die jeweils neuen Nick-Names, die Franz sich für Fred ausdenkt; ab und zu chatten die beiden nämlich und auch das ist dann als Dialog abgedruckt. Oder: als Fred für die jetzt lebendigen Finstersteins Essen besorgt und sich fragt, wo sie dann in der Gruft hinmachen werden und ob er nicht auch Klopapier mitbringen soll. Oder wie die Finstersteins reden: "Nötigt es dir nach Erfrischung, Erwecker?" Egal, ob man im 16. Jahrhundert tatsächlich so geredet hat, manches davon hat das Zeug zum geflügelten Familienslang zu werden.

Und wen es jetzt nötigt, mehr zu lesen über Fred und Franz und die Finstersteins, dem sei viel Spaß gewünscht.

Fazit

Klassenopfer Fred und sein dicker Streberfreund Franz lösen einen Krimi aus dem 16. Jahrhundert - naja, zumindest halbwegs - der im Wesentlichen in einer Gruft auf dem Friedhof spielt. Klingt gruselig? Komisch? Spannend? Schräg? Genau das ist es auch. Dazu kommt noch authentischer Schulstress, Schiss in der Hose, die Tücken einer Zweck-Freundschaft, Sympathien zwischen Männlein und Weiblein... und viel, viel Fantasie. Und: Das war nur der Auftakt. Die versteinerte Familie Finsterstein ist aus ihrer Erstarrung erweckt. Mal sehen, wie es weitergeht.

Sigrid Tinz

Die Finstersteins. Wehe, wer die Toten weckt ...

Kai Lüftner, Coppenrath

Die Finstersteins. Wehe, wer die Toten weckt ...

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