Luftigruß
- Bohem Press
- Erschienen: August 2017
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Auf die innere Stimme hören, die eigene Neugier und den Entdeckergeist zulassen und dadurch etwas Wunderbares erleben. Ein kleiner Junge macht es vor...
Ein kleiner Junge trödelt (scheinbar) eine Straße entlang. Ist es morgens, ist es abends? So richtig wird es nicht klar. Es ist dunkel, etwas geheimnisvoll, eine herbstliche, dämmrige, aber heimelige und gemütliche Stimmung. Er trägt einen rot-weiß geringelten Pullover und eine Art Ranzen auf dem Rücken, mit dem er aus einem erleuchteten Hausflur hinaus auf eine fast menschenleere Straße tritt. Nur zwei weitere Personen sind dort außer ihm unterwegs, alle andere bewegen sich hinter erleuchteten Fenstern. Er ist allein unterwegs, sieht fröhlich und gut gelaunt aus, betrachtet voller Interesse (und ein bisschen sehnsüchtig) einen vorbeilaufenden Hund und steht anschließend staunend vor einer Katze, die ihn auffordernd aus einem hell erleuchteten Hauseingang anlächelt.
Der Junge folgt ihr ins Haus, lockt sie, ermuntert sie, möchte sie streicheln. Doch sie läuft immer weiter, die Treppen hoch. Bereits am ersten Treppenabsatz findet der Junge ein erstes Bild. Rasch hebt er es auf und steigt der Katze nach die Treppe hoch und höher. Und findet immer weitere Bilder. Fröhliche, lachende Kinder sind darauf zu sehen, Windmühlen, Blumen, Tiere. Und immer weiter geht es der Katze nach. Durch eine Wohnung hindurch, einen langen Flur entlang, an einem gedeckten Tisch vorbei, eine Wendeltreppe hoch und immer weiter, bis er schließlich auf einem Dachboden ankommt. Dort findet er nicht nur die Katze, sondern auch ein kleines blondes Mädchen, das viele, viele Bilder um sich herum liegen hat und daraus bereits viele Papierflieger gebastelt hat. Schon treten sie gemeinsam auf einen kleinen Balkon, der kleine Junge und das kleine Mädchen, jedes Kind hat einen Papierflieger in der Hand, den es der Sonne entgegen schickt.
Kein einziges Wort wird in der poetisch erzählten Geschichte von oder zwischen den Figuren gesprochen.
Und doch erzählen die 15 Doppelseiten so viel. In wunderbar stimmigen Bildern erzählt Maja Kastelic eine kleine, stille Geschichte, die ein bisschen aus dem Alltag reißt, indem sie zum Träumen und Schwelgen anregt. Wie schön wäre es doch, der eigenen Neugier viel häufiger nachgeben zu können und etwas Schönes und Besonderes zu entdecken? Dafür muss man nicht unbedingt seine Verpflichtungen vernachlässigen, es reicht manchmal "schon", sich Zeit für die kleinen Besonderheiten, die kleinen Schätze zu nehmen. Schnell ein Eis auf die Hand gegessen? Klar, geht auch. Aber warum sich nicht mit dem Eis auf eine Bank setzten und die vorüber hastenden Menschen beobachten? Einfach mal Zeit nehmen, Denn auch im Alltag gibt es immer wieder Überraschungen, die entdeckt werden wollen.
Maja Kastelic vermittelt diese Botschaft zum einen über die ausdrucksstarke Gestik und Mimik der gezeichneten Figuren, die ganz in sich ruhen, keine Eile oder Hektik verströmen, aufgeschlossen sind für Neues und dabei konzentriert vorgehen. Obwohl beide Kinder ohne Eltern oder andere Erwachsene unterwegs sind, scheint um sie herum eine Hülle zu sein, die sie schützt und vor Unheil bewahrt. Denn natürlich ist das scheinbar verlassene Haus auch ein eigenartiger Ort für zwei kleine Kinder. Aber es überwiegt das gute Gefühl und die Geborgenheit.
Zum anderen verteilt die Autorin auf allen Doppelseiten auf Zetteln, Straßenschildern, in Bildern und auf Buchtiteln etc. kleine Botschaften, die sich zu einem stimmungsvollen Ganzen zusammenfügen. Da wären z.B. die Straßenschilder, die allesamt Dichternamen tragen oder der Schriftzug "Alles geht vorbei" auf einem Fenstersims. Auf jedem Bild gibt es außerdem viele Details zu entdecken und gerade die Zeichnungen der bewohnten Räume überraschen mit vielen Besonderheiten, wie kleine Türen, aus denen Drachenschwänze lugen, Mäusen mit Walnussschalen auf dem Kopf oder die zahlreichen Bilder an den Wänden. Das Ende der poetischen Bilderreise wird mit einem Gedicht von Als `teger abgerundet und gleichsam erklärt:
"& Nur eine Tür ist deine. Dein katzenenges, mäuseleises Türchen. Hör auf die Stimme und tritt ein. Dies ist die Tür zu deiner Stimme. In deiner kleinen, geheimen Stimme gibt es ein weites, helles Fenster. Vorm Fenster eine große Stadt, und viele viele Häuser. All die Häuser sind nun dein. Und deine Stimme überall."
Um dieser Stimme ertönen zu lassen, findet sich auf der letzten Seite zudem noch eine Faltanleitung für den eigenen Luftigruß.
Fazit:
Sich Zeit für eigene Gedanken, Freiräume und Phantasien nehmen und einen Luftigruß in die Welt schicken. Kinder können das viel eher als Erwachsene. Also vielleicht beim abendlichen Schwelgen in den poetischen Bildern ein paar der gedanklichen Freiräume mit in den nächsten vollgepackten Tag nehmen.
Claudia Goldammer
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