Viktor und der Wolf

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2017

Idee

Einsamer Junge findet verletzten Wolf und macht ihn zu seinem Projekt. Sein Umfeld – von Mutter über Mitschüler bis zur Tierärztin – ist einerseits kinderbuchtypisch, andererseits haben alle etwas Besonderes.

Bilder

Die Bilder sind schwarz-weiß, die Tiere mit Kulleraugen eine Spur niedlicher als in echt, dafür aber mit einer gewissen Ausdrucksfähigkeit

Text

Auktorial erzählt, aber weitgehend aus Viktors Perspektive; viel Wolfswissen, manchmal auch aus Sicht des Wolfes. Abwechslungsreich, auch mal mit Action, schlicht und gut zu lesen.

Viktor ist ein einsamer Junge, der oft alleine auf einem stillgelegten alten Bahnhof herumstreift, auf seinem "Abenteuerspielplatz". Eines Tages sieht er dort einen Wolf, offensichtlich krank oder verletzt, er bringt ihm Wasser und versucht sich zu kümmern. Als der Wolf gefangen und in einen Wildpark gebracht wird und eingeschläfert werden soll, setzt Viktor alles daran, das zu verhindern.

In ursprünglichen Kulturen wurden und werden Wölfe oft sehr verehrt. Seit dem Mittelalter wurde er mehr und mehr zu dem heimtückischen, verschlagenen, gierigen, triebgesteuerten, gelbäugigen Monster, das die Brüder Grimm und andere Autoren in ihren Märchen beschreiben. In zeitgenössischen Kinderbüchern tritt der Wolf wieder anders auf, als süßer, kuscheliger Sympathieträger. Auch, dass der Wolf in die Wälder zurückkehrt, finden wir ja grundsätzlich erst mal gut, zeigt es doch, dass die Natur noch lebt und wieder funktioniert.

Aber die Wildnis als großer Kuscheltierzoo ist natürlich auch nur wieder ein Klischee. Und wenn wir denken, Wölfe und Co. seien "lieb" und beim Sonntagsspaziergang steht man plötzlich mal einem gegenüber, kann das durchaus gefährlich werden. Die meisten Wildtiere sind zwar scheu und bleiben in Deckung, wenn Zweibeiner unterwegs sind. Aber man kann auch mal an ein besonders neugieriges Exemplar geraten, ein Jungtier, oder einen Wolf, der durch Fütterung oder andere Maßnahmen an Menschen gewöhnt keine natürliche Scheu mehr hat.

Genau das passiert Viktor: auf seinem Abenteuerspielplatz, einem alten Bahngelände, trifft er einen Wolf. Das Tier ist krank und der Junge, fasziniert und ängstlich zugleich, kümmert sich um Hilfe und besucht ihn dann täglich in der Quarantänestation des Tierparks. In diesem Buch, und das ist großartig "wolfsgerecht", ist der Wolf kein Kuscheltier: er frisst Fleisch, tote Tiere mit Fell und Blut; und er beißt Viktor in den Arm, als der dem misstrauischen, misshandelten Streuner zu nahe kommt.

Denn Streuner, wie Viktor ihn tatsächlich nennt, ist von einem Menschen aufgezogen worden, illegal, als besonders tolles Haustier, aber leider so total verkorkst, dass er als menschlicher Begleiter nicht mehr in Frage kommt. Er kann auch nicht mit anderen Wölfen leben, weil er deren Rudel-Regeln nie gelernt hat; und in dem Einzelgehege im Wildpark kann er nicht bleiben, weil der Platz für anderen Tiere geraucht wird. Streuner soll eingeschläfert werden, so lautet die amtliche Entscheidung.

Viktor setzt alles daran, das zu verhindern und am Ende geht alles einigermaßen gut aus. 

Wie genau, das wird hier nicht verraten.

Der Weg zum Happy End ist voll mit kinderbuch-typischen Nebenhandlungen: Viktors Vater ist tot, seine Klassenkameraden mögen den einsamen seltsamen Jungen nicht, die Tochter des Chefpflegers im Wildpark ist eine patente, nette Person, mit der er sich anfreundet, und der Chefpfleger selber ist praktischerweise alleinerziehend und genau der Typ von Viktors Mama. Weil der Wolf illegal gehalten wurde, und Viktor und Klara versuchen, die Tierhändler zu finden, ist auch der Kinder-Krimi-Anteil gesichert.

Hier greift alles gut ineinander und macht so die Geschichte von Streuner zu einem Buch, das für eine große Alters- und Interessensspanne passt. 

Der Erzähler nimmt meistens Viktors Perspektive ein, manchmal auch die des Wolfes. Das geht natürlich nicht in echt, aber es so kenntnisreich und artgerecht formuliert, dass wir Leser verstehen, warum der Wolf so ist wie er ist.

Nicht ganz dazu passen die Bilder: schwarz-weiße Zeichnungen alle paar Seiten, ein bisschen wie Zeichentrick-Figuren und mit den Kulleraugen eine Spur niedlicher als in echt.

Am Ende des Buches haben die kleinen Leser und Leserinnen und auch die Großen viel erlebt. Und viel gelernt: Dass echte Wölfe keine Schoßhunde sind zum Beispiel, keine Monster und auch kein Mythos. Wölfe sind einfach nur Tiere, Raubtiere, einfach nur Wölfe.

Fazit:

Aktuell wegen des Wolf-Themas, unterhaltsam, mit viel Kinderalltag, der ein bisschen mehr zu bieten hat an Gefühl, Humor, Drama und Spannung als ein "normaler". Mit einem Ende, das zwar Happy ist, aber nicht zu süß: "Viktor und der Wolf" ist ein rundum gutes Buch, wie ein Familienfilm zum Vorlesen.

Sigrid Tinz

Viktor und der Wolf

Hannes Klug, Rowohlt Rotfuchs

Viktor und der Wolf

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