Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr. Filbert

Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr. Filbert
Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr. Filbert
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Sigrid Tinz
88%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonJul 2018

Idee

Stella hat keine glückliche Kindheit: keine Eltern, strenge Tanten, viel Schimpfe. Doch sie ist unternehmungslustig, mutig und wissbegierig. Genau deshalb erlebt sie viel und wir Leser mit ihr.

Bilder

Alle paar Seiten ein paar kleine, feine schwarz-weiße Zeichnungen; sie geben der historischen Kulisse und der spannenden Handlung eine genau passende Portion Humor.

Text

Schnell und flott geschrieben, ebenso flott wird es gelesen werden, es passiert viel, ist spannend, aber nicht zu spannend, mit ein bisschen Fantasy.

Stella hat keine Eltern, sie lebt bei ihren drei strengen und schrulligen Tanten. Die machen immerzu Kuren in verschiedenen Hotels: Bäder nehmen, Wässer trinken, Ruhen, Flanieren. Wie langweilig. Regelmäßig schleicht sie sich aus dem Zimmer, um im Wintergarten des Hotels heimlich tolle Bücher zu lesen. Dass in der Eingangshalle einige Hotelgäste merkwürdig verrenkt in ihren Sesseln schlafen, ein gruselig handförmiger Kerzenleuchter schwelenden Rauch verbreitet, fällt ihr kaum auf. Plötzlich hört Stella Schritte. Sie kann sich gerade noch hinter einer großen Pflanze verstecken ... und wird so Zeugin eines mysteriösen Mordes.

Nichts für ganze schwache Nerven, diese Geschichte.

Es fließt echtes Blut, es gibt echte Tote, Kinder werden in echt entführt und geschlagen. Und auch die Erziehungsmaßnahmen, mit der die drei Tanten die Hauptperson Stella immer wieder strafen, sind ziemlich schlimm. Auch wenn die Handlung im alten England spielt und es damals halt so gewesen sein dürfte: Ohne Essen ins Bett, die nächste Tage nur trocken Brot und Wasser, stundenlang mit einem Buch auf dem Kopf Geradestehen üben.

Zu ihrem Glück ist Stella belastbar und unerschütterlich in ihrer Neugier und Lebenslust. "Resilient" würde man heutzutage sagen. Und zu ihrem Glück trifft sie immer auf Leute, die anders sind, freundlich, herzlich, zugewandt. Mr. Filbert, der einfach nur freundlich ist zu jedermann; Philly, die das strenge, barsche Zimmermädchen Ada ab und zu vertritt und Stellas Strafen etwas lockert oder ihr zumindest die Arrestzeit angenehmer gestaltet. Der Mann mit den vielen Katzen, bei dem es immer eine leckeren Toast mit Milch gibt und ein offenes Ohr. Gerti, die Balletttänzerin, ein sehr energisches Mädchen, das es mit Verbrechern aufnimmt. Oder der geheimnisvolle Ben, der ebenfalls nicht bei seinen Eltern lebt, sondern bei einem strengen Dienstherrn und offensichtlich die Gabe hat, in die Zukunft zu sehen.

Aber das greift weit vor in der Handlung.

Erst mal verbringt Stella mit ihren drei Tanten nur Urlaub in einem Hotel, das sich mit speziellen Bädern und Kuren auf Gesundheit spezialisiert hat. Stella langweilt sich. Bis sie einen aussortierten alten Atlas findet, mit dem sie, den Finger auf den Seiten, die Nase im Buch, heimlich auf Weltreisen geht, versteckt zwischen großen Blumenkübeln im Wintergarten des Hotels. Als sie sich eines Nachts aus dem Zimmer schleicht, um dort weiterzulesen, scheint das ganze Hotel, alles Personal, alle Gäste, tief und fest zu schlafen, wie narkotisiert. Was vielleicht an dem seltsamen, handförmigen Kerzenleuchter liegt, der in der Eingangshalle Rauchschwaden verbreitet. Im Wintergarten wird sie dann Zeugin eines Verbrechens: der astdürre Mr. Filbert versteckt ein Päckchen im Blumenkübel und wird kurz darauf von seinen Verfolgern, die genau dieses Päckchen zu suchen scheinen, umgebracht.

Aber ein richtiger Toter ist er am nächsten Morgen gar nicht mehr, sondern nur ein Haufen Äste in Kleidern. Das ist die bedauerliche Verwandlung, aber was genau es damit auf sich hat, verraten wir hier nicht.

Stella nimmt das Päckchen an sich und ist nun, ob sie will oder nicht, mitten in diesem mysteriösen Fall. Und als Leser ist man ebenfalls mittendrin, denn das Buch ist aus Stellas Sicht geschrieben, man identifiziert sich schnell mit ihr und fühlt sich genauso atemlos, verwirrt und ratlos wie sie. Neben dem mysteriösen Mr. Filbert treten auch noch böse Zauberer auf, Zirkusleute, Balletttänzerinnen. Alles wird immer dramatischer, spannender, mystischer, verwickelter. Sie wird mehrfach entführt, immer geht es um das Päckchen, in dem ein nicht weniger geheimnisvolles Fläschchen ist, "von dem sie aus einem unerklärlichen Grund von Anfang an wusste, dass man das, was sich in dem Fläschchen befand, auf gar keinen Fall herauslassen durfte."

Was am Ende dann natürlich doch passiert.

Aber ganz am Ende dann doch noch irgendwie gut ausgeht.

Auch wenn so manches offen bleibt, wer Stella ist, was mit ihren Eltern passiert ist, wie ihre Herkunft und Vergangenheit mit dem Fall verknüpft sind zum Beispiel, wird nur angedeutet.

Der Fantasie überlassen. Oder vielleicht in einer nächsten Folge geklärt werden, wer weiß.

Fazit:

Schon das Cover ist wie das Buch lebendig, spannend, voll, viel, vielseitig und ein bisschen geheimnisvoll, genau wie auch der Titel. Der allerdings ein bisschen irreführend ist, denn die Verwandlung des Mr. Filbert ist gar nicht so bedauerlich und gar nicht ganz so wichtig für die Geschichte. Wichtiger sind neben Stella die vielen anderen mutigen Kinder, die dem Grund von Mr. Filberts Verwandlung und damit den dunklen Machenschaften auf die Spur kommen wollen. Ein mystischer Kinderkrimi, der im alten England spielt: spannend und wunderbar unterhaltsam!

Sigrid Tinz

Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr. Filbert

Judith Rossell, Thienemann

Stella Montgomery und die bedauerliche Verwandlung des Mr. Filbert

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