Der 1000-jährige Junge

Der 1000-jährige Junge
Der 1000-jährige Junge
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Stefanie Eckmann-Schmechta
91%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2019

Idee

Wieder mal eine geniale Idee, eingeflochten in das ganz normale Alltagsleben. Überzeugende Charaktere und viele filmreife Augenblicke.

Text

Welfords Erzählweise ist gleichzeitig sein Markenzeichen. Spannend, überraschend, witzig und einfühlsam. Aus dem Englischen von Petra Knese

Welford liefert wieder einmal eine unerwartete Wendung nach der nächsten. Wer da noch das Buch einfach aus den Händen legen kann, der ist wirklich nicht sehr neugierig.

1.000 Jahre lang 11 Jahre alt zu sein, ist eine ganz schön lange Zeit: Alfie – damals noch Alve genannt – lebt mit seiner Mutter sehr zurückgezogen im Wald eines kleinen Küstenstädtchens. Früher war der Wald größer und die Siedlungen weiter entfernt, doch im Laufe der Jahrhunderte rückten die Menschen immer näher an ihr Zuhause.

Wie es dazu kam, dass sie seit etwa 1.000 Jahren nicht mehr altern, das erzählt Alfie ganz direkt aus seinen Erinnerungen. Wie er die „Livperler“ benutzt, ja verschwendet hat, für sich und – weil schon eine herunter gefallen war  - auch für seine Katze Biffa - und das alles, noch bevor er erwachsen werden konnte. Fortan lebt er als ewig 11-Jähriger bei seiner Mutter, lernt mit den Jahrhunderten mehrere alte Sprachen und freundet sich sogar mit Charles Dickens an.

Dann aber werden im Hier und Jetzt zwei Kinder aus der Nachbarschaft auf sie aufmerksam; allen voran Roxy, ein zierliches, kluges und vor allem sehr neugieriges Mädchen. Sie glaubt fest daran, dass Alfies Mutter eine Hexe ist und stellt ihnen heimlich nach. Mit ihr zusammen, oder besser gesagt gerade erst zusammen gekommen, der ebenfalls 11-jährige Aidan.

Aidan ist vor ein paar Tagen in eines der heruntergekommenen Häuser gezogen. Der Familie geht es finanziell und auch sonst nicht gut, selbst Aidans Freunde haben sich von ihm distanziert; aus diesem Grund freut sich Aidan, als ihn die etwas Neunmalkluge Roxy anspricht und ihn sogar in ihre „Garage“ im Wald einlädt.

Typisch Welford

Es wäre nicht Ross Welford, wenn diese und noch viel mehr Personen, am Ende nicht doch – und zwar durch ganz und gar verrückte Umstände - miteinander in Verbindung kommen und die Geschichte maßgeblich bestimmen würden. Sogar die etwas schrulligen Katzenfreundinnen aus Aidans Nachbarhaus sollen noch eine sehr wichtige Rolle spielen. Aber das ahnt ja zu Beginn niemand; Aidan nicht und am allerwenigsten der Leser. Obwohl, der vielleicht schon, wenn man bedenkt, dass fast niemand in Ross Welfords Romanen rein zufällig auf der Bildfläche erscheint. Das beginnt bei Aidans überaus merkwürdigem Onkel Jasper und erstreckt sich bis zu ihrem bulligen und dummdreisten Mitschüler Inigo Delombra, einen Typen mit dem man wirklich lieber nichts zu tun haben will. Nun ist dieser aber der Enkel von einem gewissen John, der wiederum der Sohn von einem gewissen Jack ist, der vor einer sehr langen Zeit einmal der beste Freund von Alfie war…

Aber der Reihe nach

Denn erst einmal bricht Alfies Leben ganz und gar auseinander, als das uralte Haus im Wald den Flammen zum Opfer fällt – und seine Mutter stirbt. Nun muss Alfie als Minderjähriger ohne Familienangehörige in staatliche Obhut. Mit 1000 Jahren geht Alfie zum ersten Mal in eine staatliche Schule, wie wir sie kennen. Und als dann auch noch das Geschichts-Projekt über den Heimatort ansteht, kann man sich denken, dass Alfie mit einigen Experten ganz und gar nicht einer Meinung ist. Doch bei aller sonstigen Begeisterung für sein Schulleben, muss er nun den Plan umsetzen,  den er mit seiner Mutter ausgemacht hat; einen Plan für den Fall, dass einer von ihnen zurückbleiben sollte.

Doch es gibt eine Menge Menschen, die ein wachsames Auge auf Alfie haben und zu dem Verdacht gelangen, dass etwas ganz und gar nicht mit dem Jungen, mit der etwas geschraubten Ausdrucksweise, stimmt.  Und da  ist es gar nicht ratsam, wenn Alfie sich zurückholt, was ihm einst ein ganz besonderer Bekannter gestohlen hat – oder vielleicht doch?

Am Ende ist alles so vollkommen vertrackt, dass man am liebsten die Hände über den Kopf zusammenschlagen möchte, aber nur keine Panik, denn Welford liefert wieder einmal eine unerwartete Wendung nach der nächsten. Wer da noch das Buch einfach aus den Händen legen kann, der ist wirklich nicht sehr neugierig.

Ross Wefords Ideen scheinen unerschöpflich, sein Stil auch dieses Mal auf ganzer Linie überzeugend

Nach „Zeitreise mit Hamster“ und „Was Du niemals tun solltest, wenn Du unsichtbar bist“ – dem Kinderbuch des Jahres 2018 der Kinderbuch-Couch-Jury - ist dem erfolgreichen englischen Kinder- und Jugendbuchautor erneut ein fantastisches Thema eingefallen, das er typischerweise in die Kleinstadt-Idylle an die Englands Küste verortet. Dieses Mal widmet er sich dem Wunder des ewigen Lebens, den sogenannten „Nimmertoten“.  Was jedoch nicht bedeutet, dass sie unsterblich sind, sie altern nur nicht. Eigentlich ist dies ja ein Traum der Menschheit, ewig jung zu bleiben und nicht sterben zu müssen. Aber Alfie findet, dass es nach 1.000 Jahren jetzt mal gut sein sollte: Er möchte erwachsen werden, einen Beruf ergreifen, Kinder haben – alles, was andere Menschen auch in ihrem Leben erreichen.

Aidan ist der zweite Ich-Erzähler in dieser abenteuerlichen Geschichte. Er ist ein gutmütiger, treuer Freund, aber auch nicht der mutigste. So denkt er zumindest von sich. Doch im Verlauf ihrer Abenteuer wächst Alfie so manches Mal über sich selbst hinaus – nicht dass ihre Freundin Roxy ihm wirklich eine Wahl gelassen hätte. Leider ist Aidan ein sehr, sehr schlechter Lügner und wenn Roxy ihm nicht ständig den Hals retten würde, wer weiß… aber so geht es immer wieder gut, und die drei wurschteln sich durch alle Wirrnisse. Zumindest Aidan hat durch seine Schwäche beim Lügen das unschlagbare Talent, selbst einen Lügner zu erkennen, wenn er einen vor sich hat.

Beide Jungs wechseln sich in ihren Erzählungen ab. Das liest sich sehr interessant, weil oft der spannende Moment aus einer anderen Perspektive noch einmal aufgegriffen und fortgeführt wird. Natürlich dürfen auch hier die berühmten Aufzählungen Welfords nicht fehlen. Ein sehr guter Trick, um alle wieder „an Bord“ und auf den neuesten Stand zu bringen. 

Wo Welford draufsteht, ist auch Welford drin

Ross Welford beherrscht einen ganz besonderen Tonfall. Seine Art zu erzählen, ist auf Augenhöhe, ist ernsthaft aber zugleich auch gerne mal ironisch, wenn seine Protagonisten – in diesem Fall die beiden Jungs – ihre trockenen Kommentare abgeben; und dann wieder wunderbar bildhaft, wenn geradezu filmreife Dinge passieren, sich die Ereignisse geradezu überschlagen: Das würde ich schon als eines seiner Markenzeichen bezeichnen.

Auch ein Markenzeichen von ihm: Seine lebendigen und eigenwilligen Darsteller. Selbst die Nebendarsteller sind gut gelungen und fügen sich perfekt in die englische Kleinstadt-Idylle ein - mit ihrer Küstenlandschaft, ihren Ganztagsschulen, und den nicht gerade souveränen Erwachsenen.

Dieses Mal greift er sehr geschickt in längst vergangene Epochen zurück und lässt Alfie aus seinem langen Leben erzählen, mit einer Sprache, die manchmal etwas antiquiert anmutet, was sie ja auch soll. Die Übersetzerin Petra Knese hat es gut hinbekommen, die für heutige Ohren etwas hochgestochene Sprache Aflies passend ins Deutsche zu transferieren, ohne für Kinder zu kompliziert werden.

Fazit:  

Auch Welfords dritter Roman ist wieder großes Kino. „Der 1.000-jährige Junge“ gibt Einblicke in  weit zurückliegende Epochen und ist zugleich, durch die überraschenden Wendungen, so rasant und spannend wie ein guter Krimi. Kurz, eine weitere, echte Leseempfehlung für alle Abenteurer des Alltags!

Der 1000-jährige Junge

Ross Welford, Coppenrath

Der 1000-jährige Junge

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