Freischwimmen
- Autor: Adam Baron
- Verlag: Silberfisch


Erschienen: Januar 2020
Bibliographische Angaben
Julian Greis (Sprecher), Birgitt Kollmann (Übersetzerin)

Angstschwimmer
Cymbeline, genannt Cym, ist neun, aber das passt nicht so. Manches Mal in dieser Geschichte könnte man meinen, er sei sogar noch viel jünger. Denn seine alleinerziehende Mutter behandelt ihn wie ein Kleinkind, lässt ihn nicht aus den Augen, ist überfürsorglich, was Schule, Körperpflege, Medienkonsum und alles rund um den Alltag angeht. Gleichzeitig lässt sie ihn in vielen Dingen aber komplett allein, weil sie mit sich und ihrer Vergangenheit beschäftigt ist; wovon sie Cym selbst in den den Punkten, die ihn betreffen, nichts erzählt. So muss er emotional an mancher Stelle mehr leisten, als es für einen Neunjährigen angemessen ist. Und auch dann passt sein Alter nicht mit dem Eindruck zusammen, dann wirkt er nämlich viel, viel älter.
Ein Junge, der noch nie schwimmen war
Konkret vermeidet die Mutter das Thema Schwimmen wie der Teufel das Weihwasser, und zwar in Theorie und Praxis. Sie hat ihre Gründe, ihrem Sohn erzählt sie aber etwas von Bakterien, Chlor und Schamhaaren anderer Menschen, die im Wasser schwimmen und eklig sind. Sie betrügt ihn regelrecht, wenn er sich wünscht, doch endlich mal schwimmen zu gehen. Denn das war er noch nie. Noch NIE. Cym will aber, denn bald steht in der Schule Schwimmen auf dem Stundenplan. Weil die Mutter so abweisend und ausweichend ist, übt er heimlich in der Badewanne und liest Tutorials im Internet. Als Badehose packter er die alte von seinem Vater ein.
Als er am Schwimmtag einfach ins Becken springt, kommt es, wie es kommen muss: er ertrinkt beinahe. Weil Papas Badehose viel zu groß ist, rutscht sie runter, sein Retter zieht ihn ohne aus dem Wasser – und die ganze Klasse schaut zu. Das letzte was er hört ist „Man sieht seinen Pimmel, man sieht seinen Pimmel.“ Dann kommt die Mutter, ihn abzuholen.
Am nächsten Tag wird sie selber abgeholt, nach einem psychischen Zusammenbruch, in die Klinik gebracht. Cym wird bei seinem Onkel und seiner Tante einquartiert. Dann, ausgerechnet an seinem Geburtstag, ist die Mutter ganz verschwunden.
Und wenn eine Helikoptermutter an dem Geburtstag ihres Sohnes nicht da ist, dann ist es wirklich ernst. Und es wird noch viel ernster.
Cym wirkt älter und jünger zugleich
Der Autor schreibt sonst Romane für Erwachsene, dies ist sein erstes Kinderbuch. Das ist vielleicht der Grund, warum es manchmal fast zu ernst sein könnte für die anvisierte Altersgruppe. Nur weil die Geschichte aus Sicht eines neunjährigen Kindes geschrieben ist und dieses Kind auch der Ich-Erzähler ist, heißt es nämlich nicht, dass es auch für Neunjährige passt vom Inhalt. Ein solches Drama aufzudröseln wie in Cyms Familie geht eigentlich gar nicht mit kindlichen Worten. Vor allem, wenn der eigentliche Grund für alles gar nicht wirklich der lange zurückliegender Badeunfall ist – denn Cym ist schon einmal fast ertrunken als Baby – sondern das Gerangel zweier Frauen um einen Mann.
Gelesen wird das Hörbuch von Julian Greis. Der junge Schauspieler er liest es wirklich und spielt es nicht. Das wäre bei dem intensiven Inhalt wohl auch zuviel gewesen.
Fazit
„Aus Angst, der Tod könne uns das Kind entreißen, entziehen wir es dem Leben“, das hat ein berühmter Pädagoge und Kinderarzt, Janusz Korczak, einmal gesagt. Was man damit einem Kind antun kann, vor allem wenn noch Geheimniskrämerei und Vermeidungsverhalten dazukommt, zeigt Cyms Geschichte in aller möglichen Dramatik. Es geht um viel mehr, als nur darum, dass er noch nie Schwimmen war.

Freischwimmen
- Autor: Adam Baron
- Verlag: Silberfisch
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Erwachsenes Kinderbuch
Für ein Kinderbuch fand ich die Geschichte echt erwachsen. Zwar kamen die üblichen Kinderbuchthemen – mobbender Klassenkamerad, Streit mit besten Freund, verständnislose Erwachsene, unerfüllte Wünsche, etc. etc. – auch vor, aber das Buch hatte auch anspruchsvollere Themen: Angstzustände, Börsenspekulationen, Leistungsdruck, Verlust und Reflexionen der eigenen Wahrnehmung und der Beziehungen zu Mitmenschen. Ich weiß nicht, ob ein Kind, das die Geschichte liest, das alles kapiert – auch wenn ich es durchaus Kind gerecht aufbereitet finde. Spaß würde den jungen Lesern das Buch wahrscheinlich trotzdem machen. Immerhin ist die Erzählung mit Witz geschrieben, voller spannender Wendungen und toll illustriert. Alleine das Buchcover ist mit dem schimmerndem Blau ist schon ein echter Hingucker und durchaus ein guter Kindermagnet.
Die Geschichte handelt von dem neunjährigen Cym, der nicht schwimmen kann. Als er beim Schwimmunterricht ins Becken stürzt und gerettet werden muss, löst er damit eine Kette von Ereignissen aus, die er so nicht vorausgesehen hatte. Je mehr passiert desto klarer wird Cym, dass das Wasser fest mit einer Tragödie in seiner Familie verbunden ist. Er ist entschlossen herauszufinden was für ein Familiengeheimnis sich hinter dem Wasser verbirgt. Worauf er dabei stößt, gehört, wie gesagt, nicht immer in die Friede-Freude-Eierkuchen-Welt der meisten Kinderbücher, sondern erfordert etwas mehr Verständnis und Reflexion von seinen jungen Lesern. Nichtsdestotrotz ist das Buch doch ein Kinderbuch und wird diesem Genre mit seinem Ende auch vollkommen gerecht.