Auch ein Meerschwein braucht mal Urlaub

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Kinderbuch Couch
70%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonSep 2005

Idee

Alltägliche Geschichten aus der Sicht eines Kindes vermitteln Einblick in Gedanken- und Gefühlswelt von Fünfjährigen. Einige Geschichten sind etwas zu gewöhnlich und könnten zu Konzentrationsverlust beim zuhörenden Kind führen.

Bilder

Aufgelockert durch einfache, sympathische s/w-Zeichnungen, die die Geschichten bereichern.

Text

Einfache, kindgerechte Sprache mit süddeutschem Einschlag und zu vielen Ausrufezeichen.

Kann ein Meerschwein Urlaub in San Remo machen? Ja, es kann! Dies beweist die fünfjährige Klara dem Leser bzw. der Leserin in einer von neun Geschichten. In den acht weiteren Episoden werden alltägliche Dinge aus Sicht des kleinen Mädchens dargestellt: es geht um Familie, Freunde, Kindergarten, Zoobesuch und natürlich das Meerschwein Traudl.

Während Klara zu Hause auf ihre Mutter wartet, beschließt sie eines Tages, dass ihr Meerschwein Traudl auch einmal Urlaub braucht. Schließlich scheint die Sonne so schön und ein bisschen frische Luft tut jedem gut. Also macht sie sich mit Traudl auf den Weg und erkundet die Gegend bis sie im Restaurant "San Remo" landet. Die Kellner Marco und Giovanni schenken Klara eine Postkarte, die sie mit deren Hilfe schreibt und die Giovanni bei nächster Gelegenheit mit nach Hause, nach San Remo, nimmt und von dort verschickt. Wieder zurück zu Hause glaubt ihr niemand die Geschichte von ihrer Reise nach San Remo, bis die Postkarte tatsächlich eintrifft und für Verwirrung sorgt.

In der zweiten Geschichte hat Klaras großer Bruder Lennart Geburtstag. Er wird elf Jahre alt und bekommt eine Kamera geschenkt. Klara ist neidisch bis ihre Mutter ihr einen Plastikfotoapparat mit Bildern vom Schwarzwald schenkt. Klara beschließt, Fotoreporterin für eine Zeitung zu sein und alles zu fotografieren, was ihr wichtig erscheint: das Klo im Kindergarten, das ein so kleines Loch hat, dass kein Gespenst durchpasst, die Zöpfe ihrer Freundin Ramona mit Schmetterlingsspangen, den runden Po der Kindergärtnerin mit der schönen Schleife der Schürze darüber und vieles mehr. Schließlich ";entwickelt"; sie die vielen Bilder, indem sie kleine Bildchen malt und diese in ein Heft klebt. So entsteht Klaras 1. Zeitung.

In der dritten Episode sitzt Klara wieder einmal alleine zu Hause in der Küche und wartet auf ihre Mutter. Beim Warten fallen ihr plötzlich die vielen Geräusche in der Küche auf: der Kaktus am Fenster gluckert, gluckst und schmatzt beim Gießen, Traudl knabbert lautstark an ihrem Salatblatt, die Küchenuhr macht ";tick-tick";, die Regentropfen trommeln gegen die Fensterscheibe und die Neonröhre über dem Spülbecken summt, während das Wasser aus dem Wasserhahn tropft und ";Plimbim"; macht. Klara steckt sich Gummibärchen in den Mund und schmatzt im Takt zu diesen Geräuschen. Als Lennart und Mama nach Hause kommen, präsentiert Klara ihnen das ungewöhnliche Küchenkonzert.

An einem heißen Tag geht Mama mit Klara, ihrer Freundin Ramona, Lennart und seinem Freund Dennis ins Freibad. Die beiden kleinen Mädchen sind in dieser vierten Geschichte große Fans von Dennis und bemühen sich redlich um einen Spruch von ihm in ihren Poesiealben. Das Ergebnis ist enttäuschend. Dies hält Klara jedoch nicht davon ab, das Beste daraus zu machen und die Seite in ihrem Album eigenhändig zu verschönern.

In der folgenden Geschichte geht es um ein Thema, das jeder kennt: wenn man alte Kisten im Keller oder auf dem Dachboden nach langer Zeit einmal wieder öffnet, werden Erinnerungen wach. Plötzlich fragt man sich, warum man diese persönlichen Gegenstände eigentlich in die Kisten verbannt hat... So ergeht es auch Klara, die mit ihrem Papa im Keller nach altem Spielzeug sucht, um es auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Von dem Erlös möchte sie sich ein rotes Fahrrad kaufen. Unter all den verschlissenen Plüschtieren, Puppenkleidern, Micky-Maus-Heften und sonstigem Krempel findet Klara auch ihren alten, heiß geliebten Plüschaffen ";Quäk-Affi"; wieder. Quäk-Affi, der nicht mehr quäkt, seitdem Klara ihn gegen die Wand geschmissen hat, und viele andere alten Dinge wandern auf den Kinderflohmarkt. Schweren Herzens trennt Klara sich von allem. In Tränen aufgelöst verkauft sie auch unter Preis ihren geliebten Plüschaffen, den sie später zurückkauft zusammen mit einem Fahrradkörbchen für ihr zukünftiges rotes Fahrrad.

In ";Fliegende Elefanten"; erfährt man von Klaras Zoobesuch mit ihrem Vater. Nach mehreren Versuchen schaffen sie es endlich pünktlich zur Elefantenvorführung in den Zoo. Doch statt sich für die Vorführung der großen Tiere zu interessieren, schaut Klara fasziniert den in einer Pfütze spielenden Spatzen zu. Nach der Vorführung von ihrer Mama befragt, berichtet Klara nicht von den Elefanten, sondern von den wild und frei in einer Pfütze planschenden Tieren, die einen Salto in der Luft gemacht haben und zum Schluss weggeflogen sind.

Jede Mutter braucht mal einen Tag, der IHR Tag ist. Das heißt, sie macht nur Dinge, zu denen sie Lust hat und wird dabei von niemandem gestört. In dieser Geschichte liegen die Nervern von Klaras Mutter blank. Deshalb nimmt sie sich ihren freien Tag. Damit stößt sie auf wenig Verständnis bei ihren Kindern, bis Klara begreift, dass auch sie IHREN Tag hat und sich gar nicht um die Tage anderer wie z.B. ihrer Mutter kümmern muss.

In der achten Episode macht die Familie einen Ausflug ins Restaurant San Remo, weil Papa an Mamas freiem Tag vergessen hat, Nudeln und rote Soße einzukaufen. Da es nichts zum Mittagessen gibt, schlägt Klara vor, einmal das von ihr entdeckte Lokal zu besuchen.

In der letzten Geschichte ";Affenzirkus"; veranstalten Klara und Papa nicht nur einen richtigen Affenzirkus, sondern tauschen auch die Rollen: Klara erzählt eine richtig gute Gutenachtgeschichte, die ihren Vater tatsächlich zum Einschlafen bringt.

";Auch ein Meerschwein braucht mal Urlaub"; ist ein Buch mit einfachen, kurzen Geschichten zum Vorlesen. Die erste und originellste Geschichte ist auch Titelgeberin des Buches. Mit den acht weiteren Episoden hat die Autorin alltägliche Themen aufgegriffen und kindgerecht präsentiert. Mehr noch: Susanne Friedmann hat es wirklich geschafft, nicht nur dieThemen, sondern auch die Sprache eines kleinen Kindes (im positiven Sinne) so darzustellen, dass man wirklich glaubt, Klara würde selbst erzählen. Wenn sie allerdings von ";Plastikbändel"; spricht, muss der Vorleser bzw. die Vorleserin erst einmal für die Kinder, die nördlich des Bundeslandes Bayern leben, ins Hochdeutsche übersetzen. Auch wenn der Fotoapparat gehen tut und wenn Klara nicht mehr einfach so rausgehen tut, dann schlägt die süddeutsche Umgangssprache doch deutlich durch. Ein wenig irritierend sind auch die zahlreichen Ausrufezeichen (bis zu 10 Stück pro Seite!), die sich aber glücklicherweise im Verlauf des Buches reduzieren. Leider reduzieren sich gleichzeitig auch Originalität und Spannung der Geschichten. Nichtsdestotrotz ist das Buch gut zum Vorlesen vorm Schlafengehen geeignet.

Fazit:

Die Geschichten von Susanne Friedmann sind alltäglich und gut nachvollziehbar. Selbst Erwachsene werden beim Vorlesen gelegentlich schmunzeln, weil ihnen das ein oder andere in ähnlicher Form auch schon einmal passiert ist. Der positive Aha-Effekt wird aber leider durch fehlende Spannung neutralisiert. Die Gefühle und Gedanken einer Fünfjährigen sind realistisch dargestellt: man merkt, dass das Wissen der Autorin um die Gefühlswelt einer Fünfjährigen auf Erfahrung beruht! Durch die realistische Darstellung können Kinder sich schnell mit der Hauptfigur Klara identifizieren. Obwohl insbesondere die letzten Geschichten ihre Längen haben, kann man das Buch bedenkenlos weiterempfehlen. Die s/w-Illustrationen von Patrick Wirbeleit sind anschaulich und ergänzen die neun Alltagsgeschichten positiv.

Marijke Lass

Auch ein Meerschwein braucht mal Urlaub

Susanne Friedmann, Carlsen

Auch ein Meerschwein braucht mal Urlaub

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