Wir beide, Oskar...für immer!

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2005

Idee

Witzig, voller Situationskomik, ausgestattet mit eigenwilligen Charakteren lässt es viel Raum für Spekulationen, bei der die Poesie eine große Rolle spielt. Leider aber ist die Thematik des Buches zum Ende hin nicht deutlich herausgearbeitet.

Bilder

Die s/w Illustrationen begleiten die Handlung des Buches unmaßgeblich, manchmal sind die Darstellungen auch nicht auf Anhieb zu erkennen.

Text

Sehr lebendige, „schnörkellose“ Sprache voller hintergründiger Poesie und mit viel Ideenreichtum. Die kurzen Sätze mit ihren oft prägnanten Aussagen stellen sehr authentisch die Gedankenwelt des Hauptdarstellers dar.

Wie versteckt man einen ausgewachsenen, stets hungrigen Löwen - und noch dazu in seinem eigenen Zimmer? Vor diesem echten Problem steht Max, der schnell einsieht, dass er dieses Abenteuer allein bestehen muss und so erlebt er mit seinem Löwen Oskar manch prekäre Situation. Dabei begleitet uns stets die Frage, ob Max uns etwas nur sehr gut ";vorgaukelt";, oder ob es den Löwen wirklich gibt.

Max hat es furchtbar eilig, um von der Schule nach Hause zu kommen. Denn er möchte nicht von dem Löwen gefressen werden, der ihm auf den Fersen ist. Und das Problem wird auch dadurch nicht geringer, dass dieser Löwe nur für Max sichtbar ist. Max´ Eltern glauben auf jeden Fall kein Wort von einem unsichtbaren Löwen und sie halten auch rein gar nichts von ";solchen"; Geschichten. Seine letzte Hoffnung setzt Max auf seinen Freund Benny, der derlei Erscheinungen nicht für abwegig hält. Dennoch hofft Benny, dass der Löwe sie nicht fressen wird, da sie sonst als geflügelte Hackfleischbällchen im Himmel ankommen würden.

Doch eines Nachts muss Max entdecken, dass der Löwe ihm nicht länger außerhalb des Hauses auflauert: Das große, wilde Tier liegt mitten in Max´ Bett und macht sich ordentlich breit. Es dauert eine Weile bis Max begreift, dass der Löwe Oskar heisst und das der nicht vorhat, ihn zu fressen. Der Fleischfresser aus der Savanne Afrikas bevorzugt eher Frikadellen -aber bitte ohne Zwiebeln! Für Max beginnt nun eine ziemlich schwierige Zeit mit vielen Ausreden.

Im Lauf der Zeit werden die beiden Freunde, nicht zuletzt ihre gemeinsame Liebe zu den Sternen führt sie zusammen. Auch die Tatsache, dass der Löwe dem Jungen Stärke gibt, festigt das freundschaftliche Band.

";Und der Junge ging schwer, so schwer, dass der Löwe in jener Nacht schnell einen Entschluss fasste..."; lautet ein Ausschnitt aus der poetischen Einleitung des Buches. Hier hat der Autor einen wunderschönen Ausdruck für die sorgenvolle Lebenshaltung des kleinen Jungen gefunden. Der Löwe kommt also offensichtlich zu Max, um ihm zu helfen - auf irgendeine Weise. Das Problem ist nur, dass Max nichts von dieser unverhofften Hilfe weiß und er ist sich wohl auch nicht bewusst, dass er welche benötigt.

So schwanken wir die ganze Geschichte über zwischen möglicher Realität und kindlichem Vorstellungsvermögen. Zu Anfang denken wir, da der Löwe als unsichtbar dargestellt wird, dass es sich um einen ";ganz normalen unsichtbaren Freund"; handelt, den Kinder nun einmal so haben. Als der Löwe aber in Max´ Bett liegt und noch dazu fünf Frikadellen verschlingt, beginnen erste Zweifel. Doch vollkommen perplex macht uns schließlich die Tatsache, dass die Mutter von Max mit dem Löwenschwanz, der aus dem Schrank hängt, in dem sich der Löwe verstecken musste, herumspielt und fragt, was das denn für ein Spielzeug sei. Aber kann es sein, dass seine Mutter tatsächlich einen anderen, ähnlichen Gegenstand in der Hand hielt und nur Max den Löwenschwanz sieht? Kann es sein, dass der Löwe gar nicht so viel frisst, wie man uns erzählt - aber wie kommt es, dass Max´ Mutter einen Einbrecher in der Wohnung vermutet, der nichts wertvolles, sondern ausschließlich Lammkoteletts gestohlen hat? So führt uns die Geschichte in immer größere Ungewissheit: Hat der Max nun einen Löwen in seinem Zimmer, oder nicht?

Eigentlich gehört Max, oberflächlich betrachtet, nicht zu den Kindern, die von ihren Eltern zu wenig Aufmerksamkeit erhalten. Aber die Weigerung von Max´ Eltern sich mit dem unsichtbaren Löwen ernsthaft zu beschäftigen, bewirkt nur, dass der Löwe nur noch mehr in Max´ Lebensmittelpunkt rückt.

Sehr deutlich wird dies, als Max dafür sorgt, dass Oskar auch zu seiner Karnevalsfeier kommen darf. Hier befinden wir uns vollkommener Ratlosigkeit. Wurde es bisher, trotz aller Andeutungen, nie eindeutig, ob die anderen auch Oskar sehen können, so steht doch die direkte Auseinandersetzung der Aussenwelt mit dem wilden Löwen unmittelbar bevor. Und tatsächlich: Max´ Eltern begrüßen Oskar, essen mit ihm, spielen mit ihm und unterhalten sich mit ihm, wobei Oskar bei alldem doch arg aus der Rolle fällt. Eine groteske Situation, die dem Jungen auf unangenehme Weise zeigt, dass es ihm nich gelingen wird, Oskar in sein Leben zu integrieren.

Und so sagt Max den magischen Satz: ";Vielleicht solltest du langsam nach Hause gehen, Oskar?"; und Oskar fragt noch einmal nach ";Nach Hause, Max?"; und Max bestätigt. Mit dem Satz ";Es kann gut sein, dass es so weit ist."; verabschiedet sich Oskar von Max und dieser ahnt bereits, dass etwas zu Ende geht. Als der Junge wieder in sein Zimmer kommt, ist er nicht überrascht, dass der Löwe nicht mehr da ist. In seiner Fantasie folgt er seinem Löwen in dessen Heimat, in die Savanne. Und es klingt wie ein Versprechen, als der Junge sagt: ";Wir beide, Oskar ... für immer!";

Ein Ende mit Trennungsschmerz, es rührt an - obwohl Bjarne Reuter es ganz und gar nicht sentimental in Szene gesetzt hat. Der Löwe verabschiedet sich ohne viele Worte, ohne große Gesten, er geht einfach. Max muss in sein Leben zurück, das weiß auch Oskar, der Löwe.

So anrührend das Ende ist, so überraschend ist es auch, denn es kommt ein wenig plötzlich. Wirklich viel verstanden haben wir vielleicht nicht, ahnen aber, dass Abschiede dazugehören, wenn ein Mensch sich weiterentwickelt. Es bleibt, trotz der Situationskomik und der teilweise etwas skurrilen Charaktere, in dem ganzen Verlauf der Geschichte eine etwas gedrückte Stimmung. Am Ende scheint Max doch ein wenig zu seinen Eltern zurückzufinden. Und wir fragen uns, ob seine Eltern das Spiel mitgespielt haben. Ob sie ihn auf diese Weise überzeugen konnten, dass echte Menschen mehr bedeuten als unsichtbare Freunde und dass er keinen unsichtbaren Löwen braucht, um stark zu sein?

Wirklich deutlich und befriedigend ist dieses Ende nicht. Irgendetwas scheint noch nicht vollkommen gelöst und entlässt die Kinder nicht in eine wünschenswerte positive Aufbruchstimmung, um mit dieser, an sich schönen, Geschichte abschließen zu können.

Sehr stimmungs- und phantasievoll führt uns Bjarne Reuter an diese nicht ganz alltägliche Geschichte heran, spinnt gekonnt einen Faden, der die Leser unversehens umgibt.

Dies weckt natürlich Erwartungen an das Buch und da ist es gerade schade, dass dieses Niveau nicht das ganze Buch hindurch aufrecht erhalten wird. Leider verliert sich das anfänglich so ganz andere Buch, in dem sich zunächst Humor und Poesie auf so gelungene Weise miteinander verbinden, mehr und mehr in einer eher durchschnittlichen Erzählung.

Alles in allem ist es aber ein sehr schönes Buch, das schnell gelesen ist und über das Kinder sicherlich noch ein wenig reden möchten. Sicherlich darüber, ob es den Löwen Oskar denn nun wirklich gegeben hat oder nicht...

Fazit:

Ein humorvolles Buch mit ganz besonderen kindlichen Charakteren, das aber auch nachdenklich stimmt . Etwas Poesie, etwas Lebensweisheit und viele Andeutungen begegnen sich in diesem Buch über einen nicht ganz ";unsichtbaren Freund";. Leider ist dieses Buch nicht der Diamant, für den man es zu Anfang der Geschichte halten mag, aber ein wahrer Edelstein unter den Kinderbuchromanen ist es dennoch.

Stefanie Eckmann-Schmechta

Wir beide, Oskar...für immer!

Bjarne Reuter, Fischer Schatzinsel

Wir beide, Oskar...für immer!

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