Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)

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  • Erschienen: Oktober 2022
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Originalausgabe erschienen unter dem Titel The Truth as Told by Mason Buttle; aus dem Englischen von André Mumot; Broschur, 320 Seiten

ISBN: 9783423627719

Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)
Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)
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Claudia Goldammer
94%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonJun 2024

Idee

Mason Buttle ist anders, als die meisten anderen Kinder. Doch auch, wenn er übermäßig viel schwitzt und er schlecht im Lesen und Schreiben ist, ist er ein außerordentlich liebeswürdiger, hilfsbereiter, loyaler und ehrlicher Junge, der schnell einen Platz im eigenen Herzen findet.

Text

Die Handlung ist aus Masons Perspektive erzählt und einfühlsam, unterhaltsam, teilweise komisch und spannend erzählt.

Ein anderer Blick auf die Welt

Mason Buttle ist anders, als die meisten anderen Kinder. Am auffälligsten ist: Für einen 12jährigen ist er riesig groß und er schwitzt ununterbrochen. So stark, dass er mehrmals am Tag sein Shirt wechseln muss, weil es klatschnass durchgeschwitzt ist. Außerdem ist er nicht besonders gut im Lesen oder Schreiben und beim Denken nicht der Schnellste. Zudem sieht er graue oder rosa Wolken, die ihm verdeutlichen, wie die Stimmung gerade ist. Er lebt in einem alten, maroden und immer mehr baufälligen Haus, zusammen mit seinem Onkel Drum und seiner Oma. Das Haus, laut Mason die „Bruchbude“, steht auf dem Rest der ehemals stattlichen Apfelplantage seiner Familie. Doch seit dem Tod seines Opas und seiner Mutter können sich weder seine Oma noch sein Onkel aufraffen, ein geregeltes Leben zu führen. Um etwas Geld zum Leben zu haben, hat Masons Familie in den letzten Jahren immer mehr Plantagenland verkauft und auf diesem Land sind in den letzten Jahren immer mehr neue Einfamilienhäuser entstanden, in denen Familien mit Kindern leben, die zusammen mit Mason in die Schule gehen.

Die meisten dieser Kinder finden Mason ziemlich komisch, er wird viel ausgelacht und ausgegrenzt. Auch, dass er von einigen dieser Kinder mit Äpfeln beworfen wird, gehört zu seinem Alltag. Die einzige Ausnahme war sein bester Freund Benny, der allerdings vor einigen Monaten beim Klettern im gemeinsamen Baumhaus unter bisher ungeklärten Umständen ums Leben gekommen ist. Nicht nur, dass Mason schrecklich unter dem Verlust seines Freundes leidet, auch sitzt ihm deswegen Lieutenant Baird im Nacken, der endlich wissen will, was wirklich passiert ist.

Außenseiter unter sich

Mason besucht regelmäßig die zerstreute und leicht tollpatschige Schulsozialarbeiterin Miss Blinny, die ihm einen Ort voller Wärme und Geborgenheit inmitten des nicht immer leichten Schulalltags bietet. Dort lernt er eines Tages Calvin kennen, der so ziemlich das ganze Gegenteil von Mason ist: klein, dünn und schlau und hauptsächlich mit seinem Tablet befreundet. Trotz dieser Unterschiede freunden sich die beiden schnell an. Mason ist beeindruckt von Calvins schnellem Geist und Calvin lässt sich von Mason nach Draußen locken und zu kleinen Abenteuern inklusive Matsch und Schmutz verleiten. Leider ist nun auch Calvin Zielscheibe für die täglichen Attacken, denen bislang nur Mason ausgesetzt war. Vor allem zwei Jungs aus seiner Klasse haben es auf die beiden abgesehen und beschimpfen und jagen sie regelmäßig. Als es eines Tages besonders schlimm eskaliert, verschwindet am Ende einer solchen Verfolgungsjagd zu allem Überfluss Calvin. Hat Mason etwa den nächsten Freund auf dem Gewissen?

Mason Buttle ist das, was gemeinhin wohl als „Typ“ bezeichnet wird. Er ist es allerdings, ohne sich dessen bewusst zu sein. Er sticht schlicht aus der Masse der Kinder heraus, ist ziemlich vom Pech verfolgt und wird übel gemobbt. Und dennoch ist Mason absolut gutherzig, liebenswürdig, hilfsbereit und frei von Vorurteilen. Dadurch ist es mitunter schmerzhaft zu lesen, wie zugewandt er trotz aller Pein über die Kinder denkt, die ihm das Leben extra schwer machen.

Im Anderssein das Besondere erkennen

Leslie Connor ist mit Mason definitiv eine ganz besondere Geschichte um Mobbing und Freundschaft gelungen, die sehr spannend, lustig und anrührend zu lesen ist. Die vielen schweren Themen (der frühe Verlust der alleinerziehenden Mutter, die ständigen Gängeleien durch viel stärkere Kinder, die mentale Besonderheit, die Armut) werden unbeschönigt beschrieben, wirken durch Masons Brille aber doch nicht existentiell, sondern eher wie etwas, was nun einmal zum Leben dazugehört.

Auch Anspielungen versteht Mason genauso wenig, wie er benennen kann, warum die sich wiederholenden Besuch von Lieutenant Baird ihn so belasten. Denn Mason ist durchaus nicht gefühlstaub: er vermisst seine Mutter schrecklich, schämt sich für die Bruchbude und trauert um seinen Freund Benny. Zudem verfügt er über die wunderbare Eigenschaft, Gefühle als farbige Wolken wahrzunehmen. Mason ist ein ganz besonderes Kind, das feinfühlig und warmherzig beschrieben wird und beim Lesen des Buches sehr schnell ans Herz wächst. Auch die anderen Charaktere wurden von Leslie Connor sehr überzeugend und lebendig gezeichnet, wenn auch weniger ausgefeilt und tief. Trotzdem entstehen auch vom kleinen, schmächtigen Calvin oder Masons ständigem Widersacher Matt Drinker leicht scheinbar lebendige Personen vor dem inneren Auge.

Die Geschichte ist aus Masons Perspektive heraus erzählt, wodurch ein perfekter Spannungsbogen aufgebaut wird, dessen Auflösung sich noch bis kurz vor Ende des Buches in jede erdenkliche Richtung entwickeln könnte. Durch Masons besondere Art wirkt das weder beliebig noch konstruiert, sondern überzeugend und unglaublich fesselnd. Masons Art lässt Leslie Connor die Handlung in recht einfacher und gut verständlicher Sprache erzählen, die dem Alter angemessen, sehr feinfühlig, unverstellt und warmherzig ist und eine starke Bindung entstehen lässt. Die zahlreichen Kapitel ermöglichen es, das Lesepensum ganz nach eigenen Vorlieben einzuteilen – inklusive Durchlesen in einem Rutsch.

Ein weiteres Highlight neben der bereichernden Freundschaft zwischen Mason und Calvin ist die Art und Weise, wie Masons Familie unerschütterlich hinter ihm steht. Weder seine Grandma noch sein Onkel mögen viel reden oder ihr eigenes Leben gerade im Griff haben, aber sie stehen Mason zur Seite, sollte Lieutenant Baird mal wieder zu sehr drängeln, waschen ohne Murren die großen Haufen verschwitzter T-Shirts und akzeptieren Calvin sofort und ohne viel nachzufragen. All dies wird im Buch nicht großartig thematisiert, trägt aber dennoch den ganzen Roman hindurch und verleiht der aufregenden Handlung eine Art beruhigende Basis. Dadurch wirkt das Buch, trotz der schweren Themen, unterhaltsam, nicht erdrückend und irgendwie leicht.

Fazit

„Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)“ ist ein ganz besonderes Buch, das viele spannende, mitfiebernde und herzerwärmende Lesestunden beschert. Trotz der vielen großen Themen ist es auch als Lektüre am Strand geeignet und auf jeden Fall eine wertvolle Ergänzung im Kinderbuchregal.

Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)

Leslie Connor, dtv

Die ganze Wahrheit (wie Mason Buttle sie erzählt)

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