Neues vom kleinen Nick

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2005

Idee

der Autor hat keine Stereotypen geschaffen, sondern lebendige Figuren, die ihren völlig normalen Alltag leben, so beschreiben kann ihn jedoch nur Rene Goscinny

Bilder

Jean-Jacques Sempe ist ein Meister seines Fachs, seine, so scheint es, voller Leichtigkeit und mit melancholischer Heiterkeit schnell dahin gezeichneten Illustrationen sind für dieses Buch unverzichtbar

Text

Goscinnys Stil und die Übersetzung sind einfach Kult

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. ";Der kleine Nick”, "; Der kleine Nick und die Schule” oder "; Der kleine Nick und seine Bande” zählen bereits zu den modernen Kinderbuchklassikern. Doch dann fand die Tochter des bekannten französischen "; Romanciers der kleinen Form ";, Rene Goscinny, auf dem Dachspeicher 80 neue Geschichten, die in Vergessenheit geraten sind, obwohl sie bereits in den sechziger Jahren in der französischen Zeitung Sud-Ouest-Dimanche erschienen waren. Eine Sensation! Erfrischend zeitlos widmen sich auch diese Nick-Episoden dem typischen Alltagswahn.

Nick erzählt in seiner Sprache und aus seinem Blickwinkel von den Freunden, seinen Eltern, den Nachbarn und Lehrern. Ob Schulalltag, Freundschaft, Ferien oder Nachbarschaft für das energiegeladene Einzelkind ist alles wichtig. Ganz harmlos beobachtet der Junge seine Umwelt, schildert mit Leichtigkeit und umwerfender Naivität. Der trockene Humor in den hintersinnigen Zeichnungen des nun bereits 73-jährigen Illustrators begleitet kongenial auch diesen Geschichtenschatz.

Der kleine Nick lebt mit seinen Eltern in einem Einfamilienhaus. Die verlässliche Mama ist die tüchtige Hausfrau, deren Schokoladenkuchen unübertrefflich ist, der Papa arbeitet im Büro und kommt gestresst nach Hause, um gemütlich seine Zeitung zu lesen. Zeitlich spielen die Geschichten Anfang bis Mitte der sechziger Jahre. Grossen Wert legen Nicks Eltern auf das gute Benehmen ihres Kindes und die eigene Ruhe. Die Rollenverteilung zwischen den Generationen ist noch klar geregelt, so wie das Alltagsleben in der Kleinfamilie.

Die 80 neuen Le petit Nicolas-Geschichten präsentiert der Verlag in thematisch zusammenhängenden Kapiteln. Da dreht sich alles um den Schulanfang, ein schlimmes Wort, ausgefallene Zähne, das Lehrerkollegium, die liebe Verwandtschaft, den Weihnachtsmann, Mamas Führerschein, die neuen und alten Nachbarn, die Ferien, um Papas Büro und vor allem um Nicks Freunde. Ohne Probleme kann man auch die Geschichtensammlung mittendrin aufschlagen, denn alle Personen werden mit ihren Besonderheiten immer wieder neu vorgestellt, ob es nun Chlodwig, der schlechteste Schüler der Klasse, einer muss ja die Rolle übernehmen, ist oder Franz, der ständig seinen Kumpeln Prügel anbietet. Gern gibt einer der Akteure dem anderen mal ";eins auf die Nase "; und Massenraufereien unter den Freunden tauchen regelmäßig in den Geschichten auf. Für Kinder heute eine vergnügliche Lektüre, denn sie werden ja eher angehalten, sich friedlich und somit sozial kompetent zu verhalten.

Nick, Franz, Roland, Georg und Chlodwig spielen am liebsten gemeinsam, hecken Streiche aus, feiern ihre Geburtstage zusammen und fühlen sich als Bande am wohlsten. Sie streiten, prügeln, vertragen sich und spielen dann mit ihren Murmeln. Es wird viel ";Quatsch gemacht” und im Zentrum des Handelns steht die kreative Eigenständigkeit der Kinder, die sich auch unter Lehreraufsicht ungehemmt entfalten kann. Die Eltern hören noch gepflegt Radio und der Fernseher ist eher ein Luxusobjekt. Gewohnheitsmäßig und nach immer gleichem Muster streiten sich Nicks Eltern wie die Kesselflicker, tauschen sich dabei lautstark über vernünftige Erziehungsmethoden aus und das immer in Gegenwart des Kindes. "; Ich habe ja gesagt, nämlich der schönste Moment zu Hause ist, wenn wir mit dem Streiten aufhören.” Der Papa wirft dann theatralisch seine Zeitung zu Boden, Nicks Mama droht mit dem Umzug zu ihrer Mutter und Nick jammert ein bisschen ( "; Ich habe ein bisschen geweint, so als Versuch, aber das hat nicht geklappt.” ) oder kündigt ebenfalls seinen Auszug an. Aber alle wissen, der Elternzoff oder das versprochene Donnerwetter haben nie ernste Konsequenzen, obwohl sich Nicks Vater an seine Strafen für den Sohn zu halten versucht. Da gibt es kein Einknicken, die Grenzen sind eng gezogen, um so mehr Spaß macht es Nick, diese zu überschreiten. Doch letztendlich ist für Nick viel wichtiger, was es zum Nachtisch gibt, vor allem welcher Kuchen. Alle Nick-Geschichten beginnen immer ganz harmlos, nehmen dann unvermutete Wendungen, um mit einer gekonnten Pointe zu enden. Man muss sie einfach lesen!

Im Vorwort beschreibt Anne Goscinny, die Tochter des bereits 1977 verstorbenen Autors, der auch in Frankreich durch seine Asterix- und Lucky Luke-Comics sehr bekannt ist, die Entstehungsgeschichte der Nick-Bücher. Ihr Vater und Sempe haben sich gegenseitig einfach nur ihre Kindheitserinnerungen erzählt. In den Geschichten vom kleinen Nick und auch in den Zeichnungen von Sempe erkennen sich Kinder wie Erwachsene wieder. Das Besondere ist die Doppelperspektive der Texte. Die Sichtweise der Kinder wird der Welt der Erwachsenen einfach nur gegenüber gestellt. Die Gegensätze und Machtverhältnisse von kleinen Kindern und dominanten Erwachsenen werden auch in den minimalistischen Zeichnungen Sempes mit viel Heiterkeit deutlich. Breit lachende Münder agiler Kindergruppen stellt Sempe der streifen Körperhaltung der Erwachsenen gegenüber, die meistens am Ende die Dummen sind und es gar nicht bemerken. Nicht zur Nachahmung, so betont auch der Übersetzer Hans Georg Lenzen, der mittlerweile auch schon 84 Jahre alt ist, sind die ";atemberaubenden Kettensätze” des kleinen Nick zu empfehlen.

"; Otto, der hat sich unheimlich geärgert und er hat gesagt, ich bin kein richtiger Kumpel, nämlich wenn man ein Kumpel ist und man verliert einen Zahn, dann teilt man, und er spricht nie mehr mit mir und wenn ihm seine Zähne rausfallen, dann gibt er mir auch nichts.”

Dieses Buch ist nach den ganz persönlichen Regeln des kleinen Nick geschrieben; der Duden hat kein Mitspracherecht, so Lenzen. Da wimmelt es von den ewigen Unds, Danns, vielen Kommata und unzähligen Nämlich weil. Den Lesespaß beeinträchtigen Nicks eigenwillige, umgangssprachliche Satzkonstruktionen auf keinen Fall.

Fazit:

Mit dem kleinen Nick kann man viel Zeit verbringen, denn er ist ein nüchterner Beobachter und genauer Chronist des Alltags. Die großen Katastrophen bleiben aus und dafür stehen die unspektakulären Ereignisse in der Schule oder Zuhause im Mittelpunkt, die jeder ob Groß oder Klein selbst schon einmal erlebt hat. Die Erwachsenenlogik wird trotz ihrer Überlegenheit in Nicks Geschichten außer Kraft gesetzt und der, der sich am meisten darüber wundert, ist der Berichterstatter selbst. Auch der aktuelle Band "; Neues vom kleinen Nick” gehört zum Besten der Kinderliteratur, daran hat sich nichts geändert.

Karin Hahn

Neues vom kleinen Nick

Rene Goscinny, Diogenes

Neues vom kleinen Nick

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