Kleine Helden - großer Mut

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMär 2006

Idee

Ein hilfreiches Konzept wird in diesem Buch kind- und elterngerecht umgesetzt. Es hat Potential, noch weitere Denkanstösse zu geben und damit auch den Dialog zwischen Kind und Eltern.

Bilder

Die s/w Strichzeichnungen von Annette Swoboda sind frech, lebendig und nahe an der Welt der Kinder umgesetzt. Damit sind sie echte liebenswerte Hingucker.

Text

Sehr einfühlsam und gut durchdacht führt uns das Autorenteam ganz unbemerkt durch die Schluchten und Schatten der Angst - dabei sind die Geschichten in sich absolut „rund“ und noch dazu spannend für Kinder.

[ab 5 Jahren]

Eingebettet in die amüsante Geschichte um die die Prinzessin ";Schlotterinchen"; und dem weisen ";Jau-Jau"; finden wir 14 spannende Geschichten, die unseren kleinen Helden bei der Bewältigung ihrer entwicklungsbedingten Ängste helfen. Alles in allem stellt das Buch aber auch eine gute Hilfe für Eltern dar, denn ihnen wird auf geschickte und einfühlsame Weise nahegebracht, wie sie ihr Kind bei der Angstbewältigung unterstützen können.

Auf der kleinen Insel Pauranien lebt und regiert ein König, dessen Tochter Pauranella heisst. Doch niemand in dem Königreich nennt die Prinzessin bei ihrem richtigen Namen - alle nennen sie ";Schlotterinchen";, weil die Prinzessin nicht aufhören kann zu schlottern. Der König ist ratlos und schickt schließlich nach dem weisen ";Jau-Jau";. Natürlich hat der eine ganze Reihe anderer bedeutungsvoller Namen, aber Freunde nennen ihn nur ";Jau-Jau";, weil er eben das so gerne sagt. Jau-Jau rät dem König als Heilmittel für Schlotterinchen zu Geschichten. Natürlich ist der immerzu praktisch denkende König darüber wenig erfreut, denn, was sollen ein paar Geschichten schon ausrichten? Aber da fängt Jau-Jau einfach an zu erzählen...

Er beginnt von Sina, dem Sternenmädchen zu erzählen, das den Mut findet, ihren vertrauten Stern zu verlassen und damit ihre Angst vor dem Ungewissen überwindet. Schlotterinchen findet die Geschichte spannend, aber sie hat noch nicht so richtig aufgehört zu schlottern und darum erzählt der weise Jau-Jau eine Geschichte vom Meer, denn der König und seine Tochter leben schließlich direkt am Meer. Es ist die Geschichte von ";Hendrik und die Piraten";. Der kleine Hendrik lernt, wie er den bösen Piraten, die ihn nachts besuchen, entgegentreten kann. Und zwar so, dass sie es sind, die Reissaus nehmen!

So schliesst sich eine Geschichte an die nächste an - immer, wenn Schlotterinchen oder dem König etwas einfällt, hat der weise Jau-Jau die richtige Geschichte parat. Der König ist so manches Mal empört über die manchmal beängstigenden Geschichten: Jau-Jaus Geschichten sollten doch Schlotterinchen zumindest ein wenig beruhigen und nicht noch mehr aufregen! Aber Schlotterinchen will es so, denn sie spürt, dass sich sie genau mit diesen ";Schlimmen Dingen"; auseinandersetzen muss, um mit dem Schlottern aufhören zu können.

Doch schließlich, zum Ende hin, verschmelzen die Geschichten um Schlotterinchen und den Ritter Zitter, der selbst ständig Angst hat, zu einem Happy-End. Denn Während Jau-Jau der Prinzessin vom Abenteuer des Ritter Zitter erzählt, findet ebendieser Schlotterinchens Hilferuf in der Flaschenpost und macht sich verzagt auf den Weg, die Prinezessin zu erretten. Dabei findet er zum ersten Mal den Mut, den hohen Berg hinabzusteigen, das offene Meer zu überqueren und zuletzt beweisst Pipino, wie Ritter Zitter eigentlich mit richtigem Namen heisst, noch unglaublichen Mut bei der Bewältigung der ";lodernden Flammen"; vor den Toren Pauraniens. Am Ende dieser beiden Geschichtenstränge treffen sich Ritter Pipino und Prinzessin Pauranella am Strand. Sie sind glücklich einander gefunden zu haben und sie sind natürlich auch darüber froh, dass sie beide nun nicht mehr Schlottern oder Zittern müssen. Die Mutmach-Sprüche, die Pipino geholfen haben, sein Abenteuer zu meistern, brauchen sie jetzt eigentlich nicht mehr. Mutig, wie sie jetzt sind, entschliessen sie sich deshalb, die starken Worte wieder ins Meer zu werfen - vielleicht braucht sie ja ein anderer dringender, denn das eine wissen sie: Sie haben beide gelernt, keine Angst mehr vor der Angst zu haben!

Angelika Bartram und Jan-Uwe Rogge begleiten die unterhaltsame und spannende Geschichtensammlung mit wertvollen Begleittexten zu Anfang und zum Ende des Buches. In dem Vorwort geht es vor allem darum, die Ängste der Kinder zunächst einmal ernst zu nehmen und darüberhinaus erfahren wir, wie man sich ihren Gefühlen mit Geschichten annähern kann. Denn Kindern ";braucht man Geschichten nie lang und breit zu erklären. Kinder brauchen keine Erläuterungen, wie sie Erwachsene benötigen, um Gewissheit zu haben, das Wesentliche verstanden zu haben. Entweder fühlen sich Kinder angesprochen - oder eben nicht."; So ein Zitat von Jan-Uwe Rogge und Angelika Bartram.

Das ausführliche Nachwort beschäftigt sich schließlich mehr um das Erläutern der entwicklungsbedingten Ängste bei Kindern. Möglichst kurz und prägnant wird erklärt, welche Bedeutung sie für das Heranreifen und Ablösen unserer Kindern haben und dass sie für die gesunde Entwicklung eine Notwendigkeit sind.

Auch werden immer wieder die Geschichten mit den jeweils angesprochenen Ängsten in Zusammenhang gebracht. Für viele sicherlich eine Hilfe, um zu verstehen, wie Kinder ihre Angst ";bearbeiten";. Die Mechanismen der einzelnen Geschichten werden daher sehr beeindruckend erklärt und Angelika Bartram hat in ihrem Interview (siehe Special Kinderbuch-Couch ";Wenn Kinder Angst haben";) recht, als sie davon sprach, dass bei vielen Erwachsenen der ";Aha-Moment"; käme, sobald sie die Mechanismen der Angstbewältigung und damit auch die ihrer Geschichten verstünden. Es ist tatsächlich so, dass im Grunde alles, was unsere Kinder tun, sehr einleuchtend ist - man muss es nur mal von ihrer Warte aus betrachten. Und dazu animiert dieses Buch, ohne aber jemals Druck auszuüben.

Vielmehr wird uns hier, zugegeben in etwas übertriebener Form, in der Rolle des Königs, der Spiegel vorgehalten: Er ist nur allzu ungeduldig mit den Problemen seiner Tochter. Ihr Schlottern soll so schnell wie möglich verschwinden und seine Tochter soll wieder als ";Prinzessin funktionieren";. Dabei bekommt er zunächst gar nicht mit, dass das, was seine Tochter so beeinträchtigt, die Angst ist. Aber dann möchte er unbedingt verhindern, dass seine Tochter überhaupt jemals Angst hat.

So ist das Heilmittel, das der weise Jau-Jau vorschlägt, für den König nur wenig vertrauensvoll. Lösen die Geschichten von Jau-Jau bei seiner Tochter doch noch mehr Schlottern aus, statt es zu verringern! Doch am Ende scheint auch er zu verstehen, dass seine Tochter selbst durch die Angst gehen muss um die wichtige Erfahrung zu machen, dass sie hinterher gestärkt daraus hervorgeht.

Wunderbar einsetzbar ist dieses Buch auch, um Kinder in ihrer jeweiligen Situation aufzufangen, sie zum Dialog mit uns zu motivieren. Und wenn es die richtige Geschichte ist, die das Kind gerade jetzt braucht, wird sie wohl so manches Mal wiederholt werden müssen. Aber in diesen Ritualen - auch im Nachspielen der Geschichten - finden Kinder ihre Sicherheit und wir können auf diese Weise lernen, sie besser zu verstehen.

Fazit:

Hier finden wir moderne Märchen, die für Kinder aber nicht minder spannend sind als die bekannten Klassiker. Ganz im Gegenteil, denn sie sind weitaus wertvoller: Die Kinder werden ganz direkt in ihrer Welt abgeholt - und am Ende sehr sanft wieder ";zurückgebracht";.

Ein wichtiges Buch - sowohl für Kinder, die ihren Spass mit den spannenden und ";runden"; Geschichten haben werden, als auch für Eltern, die sich so gemeinsam mit ihren Kindern auf den Weg machen können, die Angst vor der Angst zu bewältigen. Wie auch unsere beiden Helden Prinzessin ";Schlotterinchen"; und Ritter ";Zitter"; lernen sie anhand dieser Geschichten, dass es ganz normal und natürlich ist, Angst zu haben und dass sie uns hilft, mit jedem Tag zu wachsen - und das in jeder Beziehung.

Stefanie Eckmann-Schmechta

Kleine Helden - großer Mut

Angelika Bartram, Rowohlt Rotfuchs

Kleine Helden - großer Mut

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