Ich, Coriander

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  • Erschienen: Mai 2006
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Ich, Coriander
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonMai 2006

Idee

originelle, überzeugende Hauptfiguren, gute Verbindung von Historie und Märchenelementen

Text

die Übersetzung aus dem Englischen ist von Anne Braun, hohes literarisches Niveau

Kinderbuch des Monats [05.2006]. Beim Schein von sieben Kerzen erzählt Coriander Hobie die unglaubliche Geschichte ihrer Kindheit und Jugend, die in London, Mitte des 17. Jahrhunderts, ihren Anfang nimmt. Wie in einem Puzzle setzen sich nach und nach alle Teilchen zu einem Bild zusammen. Es scheint so, als müsste das Mädchen das Zurückliegende zu Papier bringen, um es selbst zu glauben, denn in ihren Erinnerungen lebt Coriander in zwei Welten: in der irdische und der Feenwelt.

Ein geheimnisvolles Geschenk spielt eine wichtige Rolle, der Tod der Mutter, ihr Feenschatten, Oliver Cromwells Machtantritt und vor allem die Verwandlung des Prinzen Tycho in einen Fuchs.

Eltern haben eine Vergangenheit von der Kinder oftmals nichts wissen. Auch Coriander Hobie stellt fest, dass ihre verstorbene Mutter ihr vieles aus Sicherheitsgründen verschwiegen hat. Geboren wird das Mädchen 1643 im großen Londoner Haus an der Themse. Ihr Vater, Thomas Hobie, ist ein reicher Kaufmann. Eleanor Hobie, Corianders Mutter, genießt den Ruf einer weisen und gebildeten Frau. Mit ihren Kräutern und Tinkturen heilt sie viele Leiden. Immer wieder möchte Coriander von der fast märchenhaften, ersten Begegnung ihrer Eltern hören. Als junger Kaufmann erfährt Thomas Hobie, dass sein Handelsschiff untergegangen ist. Um den Ruin abzuwenden, will sich Hobie Geld bei einem Vetter leihen. Aber dieser ist längst verstorben. Auf seinem Weg nach Hause begegnet Thomas einem Fremden, den Wegelagerer ausgeraubt haben. Hilfreich gibt Thomas ihm im wahrsten Sinne des Wortes sein letztes Hemd. Der Mann prophezeit ihm eine reiche Belohnung für seine Güte. Thomas Hobie läuft daraufhin seiner künftigen Frau, die scheinbar vom Himmel gefallen ist, in die Arme und die Nachricht erreicht ihn, dass sein Schiff unbehelligt in den Hafen eingekehrt ist. Die überaus wertvolle Ladung wird den Grundstock seines Wohlstandes bilden. Coriander ist der Augenstern ihrer Eltern.

Als eines Tages ein Paket mit silbernen Schuhen vor der Tür steht, in deren Sohlen ein C eingestickt ist, verweigert die Mutter zum erstenmal mit ungewohnter Schärfe ihrem Kind diese Gabe. Corianders Neugier ist geweckt. Sie kann nicht ahnen, dass die Schuhe aus einem Land kommen, " in das kein Schiff je segeln kann, von einem Ort, der auf keiner Landkarte der Welt verzeichnet ist. Nur diejenigen, die dorthin gehören, können es finden." Mit Hartnäckigkeit und Mut schafft es das Mädchen, die silbernen Schuhe, die ihr wie angegossen passen, zu tragen. Widerwillig gibt die Mutter nach. Die Schuhe führen Coriander zu einer furchteinflössenden alten Frau, die mit ihrem Raben Cronos die Sechsjährige in Angst und Schrecken versetzt.
Unbeachtet von den dramatischen, politischen Ereignissen wächst Coriander heran. Als das Mädchen neun Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Der Kummer um den Tod seiner Frau, nimmt Thomas Hobie jeglichen Entscheidungswillen und veranlasst ihn zu einer verhängnisvollen Tat, die mit der Abschaffung der Monarchie in England und dem Regierungsantritt des Lordprotektors Cromwell zusammenhängt.

Mit der Republik leben in England religiöse Sekten auf und die Puritaner gewinnen die Oberhand. Als treuer Royalist muss Thomas mit Verfolgung rechnen und ist aus diesem Grund bereit, eine fromme Puritanerin zu heiraten. Mit Maud Leggs hat Corianders Vater in seiner blinden Trauer eine hässliche, ungebildete, einfältige und boshafte Frau ins Haus geholt. Corianders bigotte Stiefmutter macht dem Mädchen das Leben zur Hölle. Ihre verlogene Gläubigkeit, hinter der nur Raffgier steckt, schüchtern nicht nur Coriander ein, sondern auch ihre leibliche Tochter Hester. Thomas Hobie erkennt seinen unverzeihlichen Fehler.
Trotz Heirat ist Hobie gezwungen, das Land zu verlassen. Maud holt den verwachsenen Prediger und Hexenjäger Arise Fell ins Haus, der alle mit seinem religiösen Wahn tyrannisiert. Coriander muss alle niederen Arbeiten verrichten, sie verliert ihren angeblich nicht gottesfürchtigen Vornamen und soll nun Ann heißen. Der hinterlistige Arise Fell misshandelt das Kind und schneidet ihr die rote Lockenpracht ab. Dieser brutale und vor allem alkoholsüchtige Mörder, wie sich später durch Hesters Erzählungen herausstellt, sperrt Coriander in eine Truhe ein. Doch sie wird nicht zum düsteren Grab, sondern zum Tor ins helle Feenreich.

Allerdings ist auch diese Welt keine friedliche. Coriander begreift, dass ihre Mutter die Tochter des Feenkönigs Nablus war. Der Fremde, dem einst Corianders Vater kurz nach seiner angeblichen Pleite begegnet ist, brachte Eleanor in die irdische Welt, um sie vor ihrer Stiefmutter Rosmore zu retten. Coriander weiß nun, dass die alte Frau, die ihr als kleines Kind in der realen Welt einst begegnet ist, Königin Rosmore war. Sie will Prinz Tycho zwingen ihre Tochter zu heiraten, ansonsten verwandelt sie ihn in einen Fuchs und gibt ihn zur Jagd frei. Die bösartige Königin will aber auch unbedingt Eleanors Schatten besitzen, um die Macht des Feenreiches an sich zu reißen. Eine lange Zeit bevor Corianders Mutter gestorben ist, hat sie bereits Maud und ihren hinterhältigen Prediger auf die Heirat mit Thomas Hobie vorbereitet. Beider Aufgabe ist es, nach dem Schatten zu suchen.

In London verbreitet sich die Nachricht vom Tod Corianders als Schneidermeister Thankless und sein beherzter Gehilfe Gabriel sich Zutritt zum Haus der Hobies verschaffen. Thankless lässt die von außen verschlossene Truhe öffnen und wie durch ein Wunder, drei Jahre sind immerhin vergangen, klettert eine unversehrte, junge Frau mit langen, roten Haaren aus ihrem Gefängnis. Coriander weiß nun, dass sie den Schatten ihrer Mutter finden muss, um Prinz Tycho vor dem sicheren Tod im Feenreich zu retten. Langsam entflechten sich die Zusammenhänge der verzwickten Geschichte und ein spannender Showdown kündigt sich an, in dem sich die Ereignisse überschlagen. Der englische König Karl II. (Cromwell ist 1658 gestorben, sein Sohn ein unfähiger Nachfolger) kehrt aus seinem Exil zurück und mit ihm reist auch Thomas Hobie nach London. Coriander wird den Feenschatten der Mutter finden und sich gegen ihre Stiefmutter und Rosemore durchsetzen. Maud und der Prediger ereilt für ihre skrupellosen Taten die verdiente Strafe. Coriander jedoch muss sich nun entscheiden, in welcher Welt sie leben möchte.

Spannend, geheimnisvoll und souverän verknüpft die englische Autorin Sally Gardner in ihrem ersten Kinderbuch " Ich, Coriander " historisch belegte Ereignisse aus der Geschichte Englands mit der Anderswelt des silberschimmernden Feenreichs. Dabei unterscheiden sich die beiden Welten kaum. Verrat, Hass und Gewalt, ob nun mit militärischen oder Zaubermitteln, bestimmen die Handlungsweisen der Mächtigen in der irdischen wie in der Feenwelt. Dabei spielt Sally Gardner mit den immer wieder faszinierenden und altbewährten Märchenmotiven: der unterlegene Gute stellt sich gegen das mit magischen Kräften ausgestattete Böse, die eifersüchtige Stiefmutter hat ihren Auftritt, verzauberte Schuhe, Spiegel, Schatten und das obligatorische Happy-End sind in diesem Genre unumgänglich.

Corianders Schicksal berührt den Leser, denn genau in dem Moment, wo niemand dem betrogenen, gequälten Kind helfen kann, findet es eine Zuflucht aus der Wirklichkeit. Ihrer heilen, frühen Kindheit verdankt Coriander ihre innere, charakterliche Stärke, die ihr in schwierigen Situationen hilft, über sich hinauszuwachsen, um all die Wechselbäder und Schicksalsschläge zu ertragen. Das Mädchen entwickelt sich zu einer mutigen, selbstbewussten, jungen Frau, die ihren Weg gehen wird. Doch der Leser muss aufpassen, damit ihm nicht die wichtigsten Informationen in der Fülle der Ereignisse entgehen, auch wenn das Buch kein dicker Schmöker ist. Sally Gardner verknüpft geschickt alle Erzählfäden, arbeitet mit Rückblenden, schafft es, dass der Leser Empathie für die Protagonisten entwickelt und pendelt immer wieder zwischen realer Geschichte und magischer Feenwelt. Mit ihren sensiblen, wie sprachgewaltigen, poetischen Bildern, der anschaulichen Beschreibung der gesellschaftlichen Zustände und Lebensweisen im historischen London, wie der Zauberwelt der Feen, fesselt sie den Leser von der ersten bis zur letzten Seite.

Fazit:

Sally Gardner schafft es mit Spannung und Sprachkompetenz, einerseits ein Historienpanorama des 17. Jahrhunderts zu entwerfen, andererseits ein Zaubermärchen zu erzählen und all dies mit einer Entwicklungsgeschichte zu verbinden - ein wahres Leseerlebnis!

Karin Hahn 


Ich, Coriander

Sally Gardner, cbj

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