Ich bin Mari

Illustrationen von Saskia Gaymann; Hardcover, 32 Seiten

ISBN: 9783845850795

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Kathrin Walther
95%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonOkt 2022

Idee

Die Idee, Maris Geschichte aus ihrer Perspektive zu erzählen, überzeugt auf ganzer Linie.

Bilder

Die Bilder ergänzen den Text passend und zeigen viele fröhliche Szenen, wodurch Berührungsängste abgebaut werden können.

Text

Dadurch, dass der Text aus Maris Sicht erzählt wird und sie ihren Alltag schildert, fällt es nicht schwer, sich in sie hineinzuversetzen und Verständnis für ihre besondere Situation aufzubauen.

Anders normal: Die Welt mit Maris Augen

Bei Mari zuhause ist immer etwas los! Ihre Familie ist mit vier Kindern nicht nur etwas größer als eine deutsche Durchschnittsfamilie, auch zwei Hunde machen den Alltag noch spannender. Wie sie ihren Alltag erlebt, möchte Mari nun endlich auch einmal erzählen, denn bisher hatte sie dazu keine Gelegenheit, da sie nicht sprechen kann. Mari hat nämlich das Angelmann-Syndrom, einen seltenen Gendefekt, durch den sich ihr Leben in vielen Punkten von anderen Kindern in ihrem Alter unterscheidet. Zum Glück verstehen ihre Eltern sie auch ohne Worte und haben für sie ihre Geschichte aus ihrer Sicht aufgeschrieben.

Wie das bei ihr mit dem Sprechen und Mitteilen funktioniert, erklärt Mari direkt zu Beginn. Denn auch ohne Worte kann sie durch Laute, Gesten und nun auch manchmal mithilfe eines Tablets „sagen“, was sie gerne möchte. Ansonsten findet Mari ihren Alltag eigentlich recht normal. Wie andere Kinder geht sie in die Schule, tanzt gerne (und das obwohl anfangs über sie gesagt wurde, dass sie niemals laufen lernen würde) und liebt es, im Wasser zu schwimmen. Auch das Einkaufen macht ihr viel Spaß, zumindest solange sie nicht einfach im Einkaufswagen sitzen gelassen wird, während ihre Geschwister tolle Dinge in den Wagen legen. Doch es gibt auch einiges in ihrem Leben, was ihr nicht so gut gefällt, wozu unter anderem ein Zustand gehört, den sie „Gewitter im Kopf“ nennt, der sie sehr müde macht und bei ihr Schmerzen in Armen und Beinen verursacht. Es macht sie auch traurig, wenn andere Kinder vor ihr weglaufen und sie Monster nennen oder wenn Fremde sie einfach anstarren, und nichts sagen, denn wer will das schon?

Eine besondere Sicht auf das Leben

André und Shari Dietz erzählen in Ich bin Mari die Geschichte ihrer Tochter Mari, die mit dem Angelmann-Syndrom geboren wurde. Aufgrund dessen, dass aus Maris Sicht erzählt wird, fällt es nicht schwer, sich in sie und ihren Alltag hineinzuversetzen, wodurch gerade jüngere Kinder einen einfachen Zugang zur Thematik Behinderung finden und Empathie aufbauen können. Dadurch, dass Maris Alltag auch viele „normale“ Punkte wie Schule, Zähne putzen oder einkaufen enthält, die zum Alltag der meisten Kinder gehören, fühlen sich die Unterschiede plötzlich gar nicht mehr so übermächtig an und werden eher von den Gemeinsamkeiten überlagert, wodurch Berührungsängste abgebaut werden.

Shari und André Dietz sprechen mit Themen wie Maris Rollstuhl (den sie vor allem braucht, damit sie nicht wegläuft und nicht, weil sie nicht läuft), ihrem Schielen, dem manchmal auffälligen Lautieren oder auch ihren epileptischen Anfällen Bereiche an, die für die meisten Kinder fremd sind und mit denen sie zunächst nicht umzugehen wissen, die ihnen jedoch auch im Alltag begegnen können. Durch Maris Erklärungen werden eventuelle Ängste und Vorurteile auf einfache Art abgebaut.

Auch wenn der Bereich Inklusion immer weiter voranschreitet, zeigen Maris Erzählungen doch, wie häufig sie noch ausgegrenzt oder angestarrt wird. Gleichzeitig erzählt sie, was sie sich von ihren Mitmenschen stattdessen wünschen würde und gibt allen Lesern einen Tipp, wie man es besser machen kann: „Fragt ruhig, was das Zeug hält. Und wenn ihr nicht wisst, wie ihr euch verhalten sollt: Fragt die Leute, die dabei sind. Die wissen meist, was zu tun ist. Es ist immer besser und schöner mit uns zu reden – als über uns.“

Illustriert wurde das Buch von Saskia Gaymann, deren Bilder die Texte passend begleiten. Da es sich um eine autobiografische Erzählung handelt, in der über ihre Tochter mit ihrem Gendefekt erzählt wird, war es den Autoren wichtig, dass auch die Illustrationen das Thema sensibel und respektvoll darstellen, was Saskia Gaymann gut gelungen ist. Die verschiedenen Figuren wirken sympathisch, Maris Behinderung lässt sich zwar an ihrem Schielen erkennen, gleichzeitig fällt jedoch vor allem ihre lebenslustige Art auf. Auch das schwierige Thema Epilepsie wurde durch eine Art Traumszene so kindgerecht umgesetzt, dass bei den jungen Lesern keine Ängste aufkommen, aber gleichzeitig eine Vorstellung entsteht, was ein epileptischer Anfall ist und wie er von den Betroffenen empfunden wird.

Das Buch richtet sich an Kinder ab 3 Jahren, was jedoch sowohl von der Textlänge als auch vom Inhalt her für viele Kinder in diesem Alter noch etwas zu schwer sein wird. Gleichzeitig begegnen auch junge Kinder in ihrem Umfeld schon Menschen mit Behinderung, sodass ein offener Umgang von Anfang an zu befürworten ist. Hierzu braucht es auch kein vollständiges Verständnis, wenn es um eine offene und inklusive Einstellung geht, die durch das Betrachten des Buches gefördert wird.

Fazit

Ich bin Mari ist ein gelungenes Bilderbuch, welches vor allem dadurch, dass es aus Maris Sicht erzählt ist, überzeugen kann. Auf diese Weise werden viele unausgesprochene Fragen beantwortet und ein Perspektivwechsel für ein tieferes Verständnis ermöglicht. Mari zeigt, dass sie in vielen Bereichen einfach nur Kind ist und keiner Berührungsängste durch ihre Besonderheiten haben muss!

Ich bin Mari

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