Gras unter meinen Füßen

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  • Erschienen: Februar 2024
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übersetzt von Beate Schäfer; Hardcover, 336 Seiten

ISBN: 9783423641142

Gras unter meinen Füßen
Gras unter meinen Füßen
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Alexandra Fichtler-Laube
90%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonFeb 2024

Idee

Ein Mädchen, das aufgrund einer Fehlstellung des Fußes als Ausgestoßene aufwachsen muss, findet ihre Freiheit.

Text

Spannende Handlungsstränge, fesselnd erzählt.

Das Leben entdecken in Kriegszeiten

Während ihr jüngerer Bruder Jamie die Tage draußen mit seinen Freunden verbringt, darf Ada noch nicht einmal die Welt vom Fenster der kleinen, armseligen Wohnung aus betrachten. Ihre Mutter möchte Ada am liebsten vom Leben ausschließen, sie verstecken, sie unsichtbar machen. Und das nur wegen ihres Fußes. Adas verwachsener Fuß macht es ihr unmöglich zu laufen und für ihre Mutter ist es ein unansehnlicher Makel, der ihr jedes Recht nimmt, die Wohnung zu verlassen oder eine Schule zu besuchen. Doch Ada hat Träume. Sie möchte laufen lernen und die Welt sehen.

Davon, dass Hitler in Deutschland an die Macht kommt, bekommen die Kinder erst nichts mit. Doch eines Tages hört Jamie auf der Straße, dass befürchtet wird, dass London bombardiert werden könnte und Kinder aufs Land evakuiert werden sollen. Ihre Mutter hält nicht viel von den Evakuierungen und will ihre Kinder nicht gehen lassen. Ada trifft eine Entscheidung für sich und Jamie und ist froh, dass ihr schmerzhaftes Geheimnis nun ihr Leben retten könnte.

„Ich hab dich gesehen an dem Tag, als du aus dem Zug gestiegen bist. Da hast du ausgesehen, als ob du schon einen Krieg hinter dir hättest.”

Ada hat das Laufen trainiert und obwohl ihr der Klumpfuß große Schmerzen bereitet, schafft sie den Weg zum Bahnhof.

In einem kleinen Dorf am Meer angekommen, geraten die Geschwister an Susan Smith. Die alleinstehende Frau ist versunken in ihrer Trauer über den Tod ihrer Lebenspartnerin und hätte sich nie träumen lassen, einmal für Kinder verantwortlich sein zu müssen. Aus einem Pflichtgefühl heraus kümmert sie sich aber um Ada und Jamie und zeigt ihnen ein Leben abseits von Schmutz, Hunger und Unwissen. Die Kinder blühen regelrecht auf.  Jamie ist begeistert von dem neugebauten Flugfeld auf der anderen Seite des Feldes und Ada kümmert sich um Butter, das kleine Pony von Susans verstorbener Freundin. Ada bringt sich selbst die Pferdepflege und das Reiten bei und entdeckt ihre große Leidenschaft für diese Tiere. Bald hilft sie auch auf einem Pferdehof und schließt zum ersten Mal in ihrem Leben Freundschaft.

Doch der Krieg findet sie auch in diesem kleinen Dorf – und irgendwann auch ihre Mutter.

Erschütternd und heilsam

Selten bin ich einer so konstant boshaften Mutter in einem Kinderbuch begegnet. Die Armut, in Bezug auf die wenigen finanziellen Mittel als auch auf emotionaler Basis ist überaus realistisch und erschreckend zugleich erzählt. Diese Boshaftigkeit ist aber auch ein Sinnbild von fehlenden Möglichkeiten. Der Mangel an Bildung und die prekären Arbeitsverhältnisse haben in der Mutter falsche Annahmen wachsen lassen und jegliche Hoffnungen auf etwas Gutes im Keim erstickt.

Susan, die notgedrungen zur Ziehmutter wird, ist eine gebildete Frau, welche ihr Leben selbstbestimmt gestaltet hat, und ihre eigenen Entscheidungen treffen konnte. Mit all den dazugehörigen Konsequenzen.

Sie kümmert sich zuerst ganz praktisch um das leibliche Wohl der Kinder: Sauberkeit, eine gute Ernährung und wärmende Kleidung. In Kombination mit Susans selbstverständlichem Zuspruch und den neuen Möglichkeiten, sich auszuprobieren, ändern sich vor allem für Ada die Aussichten auf das Leben enorm. Die Kinder vermissen aber auch ihre Mutter, denn auch in schwierigen Beziehungen ist diese Liebe wohl am stärksten.

Adas Klumpfuß, der Grund für ihre Abgeschiedenheit vom Leben, bleibt für sie immer ein Makel, mit dem sie aber mehr und mehr umzugehen lernt. Vor allem der eklatante Unterschied von der Abscheu ihrer eigenen Mutter hin zu der Erkenntnis, dass dies eigentlich eine behandelbare Fehlstellung ist und dass diese auf andere gar nicht so abstoßend wirkt, ist erschreckend und sehr verständlich beschrieben.

Besonders gut gelungen ist aber die Schilderung der komplizierten Beziehung von Ada und Susan im Angesicht ihrer beider Geschichte und ihren schwierigen Erfahrungen mit Familie und Nähe. Verletzte Gefühle und Unverständnis wechseln sich ab mit ganz herzerwärmenden kleinen Gesten und Erkenntnissen.

Auch der Zweite Weltkrieg spielt eine große Rolle in diesem tiefgründigen und berührenden Kinderbuch. Die Evakuierungen englischer Stadtkinder aufs Land, die schmerzhafte Abwesenheit von Ehemännern und Söhnen, der Luftkampf, die Angst vor Spionen und die Geschehnisse der Schlacht von Dünkirchen zu Beginn des Krieges, wurden hier zu einem gut lesbaren, spannenden und ergreifenden Kinderbuch gesponnen.

Fazit

Gras unter meinen Füßen öffnet für die Lesenden eine riesige Gefühlswelt, die bis ganz zum Schluss des Buches fesselt. Die psychologische Tiefe der Geschichte zusammen mit dem historischen Hintergrund sind fabelhaft gelungen und machen dieses Kinderbuch überaus empfehlenswert.

Gras unter meinen Füßen

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