Anne, Bankräuberkurt und der Platiktütenschatz

  • cbj
  • Erschienen: November 2007
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Anne, Bankräuberkurt und der Platiktütenschatz
Anne, Bankräuberkurt und der Platiktütenschatz
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Kinderbuch Couch
88%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2007

Idee

Viele unterschiedliche Charaktere, die tollpatschig, mutig, liebenswert und/oder „verzweifelt“ sind. Eine eigentlich traurige Geschichte, die zwischendurch von Witz und Abenteuer abgelöst wird.

Bilder

Am Anfang jeden Kapitels befinden sich ansehnliche, lustige und knappe, in schwarz-weiß gehaltene, Illustrationen.

Text

Abwechselungsreiche Passagen, Perspektivwechsel und wörtliche Rede erzeugen Mitgefühl, Spannung und Witz.

[ab 9 Jahren]

Erwin Grosche erzählt mit ";Anne, Bankräuberkurt und der Plastiktütenschatz" eine spannende und vielseitige Geschichte eines jungen Mädchens, das seit dem Tod ihrer Mutter mit ihrem Vater alleine leben muss. Skurrile und unvorhersehbare Umstände verstricken Anne, ihren Vater und ihren Stiefbruder in die kriminellen Machenschaften zweier Bankräuber. Eine mitreißende Jagd beginnt!

Anne ist seit dem Tod ihrer Mutter zutiefst traurig und in sich gekehrt. Von nun an müssen sie und ihr Vater den Alltag alleine bewältigen. Anne`s Vater ist jedoch so gefangen in der Trauer über den Verlust seiner Frau, dass er seiner Tochter keine Hilfe sein kann. Darum soll er eine Therapie beginnen. Da Anne aber noch nicht alleine bleiben kann, soll ihr Stiefbruder Berti, der einige Jahre älter ist als sie, ihren ";Babysitter" spielen - bleibt nur die Frage: wer muss hier auf wen aufpassen?

Während Anne und ihre Familie sich auf die Beerdigung der Mutter vorbereiten, wird in der Nähe eine Bank überfallen. Die beiden Bankräuber haben 80.000 € erbeutet, die sie - zwecks guter Tarnung - einfach in einer Plastiktüte verstecken. Jedoch verläuft ihre Flucht nicht wie geplant: sie müssen einen Zwischenstopp ausgerechnet auf dem Friedhof einlegen, wo Anne´s Mutter gerade zu Grabe getragen wird.

Auf merkwürdige und groteske Weise gelangt die Beute in Bertis klappriges Auto, das er am Friedhof geparkt hat. Und so nimmt dann das Chaos seinen Lauf! Berti, Anne und ihr Vater fahren nach der Beerdigung nach Hause - mit den 80.000 € im Kofferraum!
Die Räuber jagen natürlich ihrer Beute hinterher, doch die clevere Anne macht ihnen das Leben nicht einfach. Dabei brauchen sie doch nur Bertis Autoschlüssel! Aber es ist völlig egal, was die beiden Räuber sich einfallen lassen, Anne durchschaut jeden ihrer Pläne.
Ob Anne sich letztendlich wirklich gegen die beiden Schurken durchsetzen kann, möchte ich nicht vorweg nehmen!

Erwin Grosche, einer unserer wohl skurrilsten Zeitgenossen, erschuf dieses sowohl spannende und chaotisch witzige, aber auch tiefgehende Abenteuer. Passend seiner persönlichen Neigung zu einem auffälligen Ausdruck hat er auch dieses Werk mit vielfältigen, authentischen und grotesken Handlungssträngen sowie einschlägigen Perspektivwechseln ausgestattet. Dieses Buch trägt die ganz persönliche und hinreißende Note des Autors.

Die Hauptdarstellerin, Anne, ist ein neugieriges und cleveres Mädchen, das vor einer großen Herausforderung steht: sie muss, nach dem Tod ihrer Mutter, nur allzu schnell erwachsen werden und kann dabei leider nicht auf die Hilfe ihres Vater hoffen. Es ist eher umgekehrt: Anne gibt ihrem Vater Halt und Unterstützung, damit er seine Trauer besiegt und wieder auf die Beine kommt.

Die bewegende und authentische Darstellung gerade dieser beiden Charaktere lässt den Leser tief in die Geschichte eintauchen - man kann nachempfinden, wie Anne und ihrem Vater zu Mute ist.

Ferner möchte ich an dieser Stelle auf einen, zu der mitunter skurrilen Geschichte passenden, bizarren Charakter aufmerksam machen: Anne`s Bruder Berti. Und sein Name ist Programm: er lässt kaum ein Fettnäpfchen aus, fährt ein klappriges Auto und hat sein Leben nicht im Griff. Kurz gesagt: er nimmt es mit dem Erwachsenendasein nicht besonders ernst. Es scheint, als müsste Anne auf ihn aufpassen und nicht umgekehrt. Berti gerät in manch verrückte Situationen, was einen, trotz der traurig-ernsten Gegebenheiten, schnell zum Schmunzeln bringt.

Die beiden Bankräuber, Bratkurt und Automeier, zählen wohl zu den ungeschicktesten Dieben, die ich je kennen gelernt habe. Egal, was sie planen: alles geht - auch Dank der gewieften Anne - schief! Erwin Grosche zeigt mit seinem ansehnlichen Humor, welche Pannen zwei trotteligen Dieben bei einem Banküberfall passieren können. Die tollpatschigen Langfinger verstricken sich immer tiefer in ihre Lügen. So scheint es letztendlich, als wüssten sie selber nicht mehr, was sie eigentlich als nächstes unternehmen sollen, um ihre Beute wieder zu bekommen.

Dieses Kinderbuch wird ursprünglich als Krimi ausgelegt.
Ich sehe die kriminalistischen Handlungen der Bankräuber sprachlich zwar im Vordergrund, inhaltlich aber für mich, und mit Sicherheit auch für einige der jungen Leser, eher zweitrangig. Für mich stehen die empfundene Trauer und ihre Bewältigung an vorderer Linie, denn genau sie sind der Ursprung und auch das Ende dieser vielen unterschiedlichen Gegebenheiten. So humorvoll und spannend dieses Kinderbuch auch ist, umrahmt wird der innewohnende skurrile Krimi von der Bewältigung der Trauer. Und genau dies führt auch letztlich dazu, dass Anne, ihr Vater und auch Berti wieder ihren traurigen Alltag bezwingen können.

Da sich die Handlungen an vielen unterschiedlichen Orten abspielen und wichtige Ereignisse in dem klapprigen Auto von Berti stattfinden, lässt sich auch nicht leugnen, dass dieses Kinderbuch etwas von einem ";Roadkrimi" widerspiegelt. Kennzeichnend für ";Roadmovies" ist nicht nur die Tatsache, dass die Handlung ";unterwegs" stattfindet, sondern auch, dass sich die Protagonisten auf der Suche nach einem Platz in der Welt befinden. Genau dies trifft auch auf Anne und ihren Vater zu: beide müssen ihre ";Sterne neu ordnen".

Der Sprachgebrauch orientiert sich an der anvisierten Leserschaft. Wörtliche Rede und witzige Passagen lockern die mitunter, aufgrund ihrer Länge, anspruchsvollen Gedanken der Ich-Erzählerin Anne auf. Jedoch wird die Geschichte nicht nur aus Anne`s Sicht erzählt. Anne und ein allwissender Erzähler wechseln sich in den Kapiteln ab. Der allwissende Erzähler berichtet aus der Sicht der Bankräuber. So bekommen die jungen Leser Einblick in mehrere Perspektiven und erhalten damit die Möglichkeit, aufgrund der sich gegenseitig ergänzenden und miteinander verwobenen Kapitel, die Geschichte aus zweierlei Sichtweisen zu betrachten. Durch diese gelungenen und unterschiedlichen Perspektiven erreicht Erwin Grosche ein höheres Identifikationspotential, Abwechselungsreichtum und lockert damit nochmals die Geschichte auf.

Fazit:

Anne erlebt eine traurige, spannende und teilweise ziemlich verrückte Zeit, an der Erwin Grosche seine jungen Leser sehr intensiv teilhaben lässt. Unterschiedliche Perspektiven und Abwechselungsreichtum, sowohl im Sprachgebrauch als auch in den Handlungssträngen, nehmen selbst ernsten Themen - auch durch den besonderen Humor Grosches- die Schwere. Insgesamt eine gelungen-kuriose Geschichte mit Tiefgang.

Anne Bruns


Anne, Bankräuberkurt und der Platiktütenschatz

Erwin Grosche, cbj

Anne, Bankräuberkurt und der Platiktütenschatz

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