Wolkenkind

  • Windy
  • Erschienen: September 2025
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Theresa Mürmann
82%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonDez 2025

Idee

Jede Neuerscheinung zum Thema Neurodiversität ist eine Bereicherung, denn sie gibt so vielen Kindern eine Stimme.

Bilder

Bunte, lebendige Zeichnungen mit viel Liebe zur Fantasie stehen ganz im Einklang zur Thematik. An die Mimik und Gestik der Figuren muss man sich teilweise ein bisschen gewöhnen.

Text

Kurze Textpassagen mit typographischen Hervorhebungen für ein lebendiges Vorlesen sind eine passende Ergänzung zum bunten Mix an Illustrationen.

Ein wichtiges und ermutigendes Buch, um Kinder mit ADHS besser verstehen zu können.

Bobby ist ein aufgeweckter, neugieriger und kreativer Junge, der jede Schnecke, jeden Stein und jeden vorbeifliegenden Vogel genau beobachtet. Er kann gar nicht anders. Selbst wenn er sich anstrengt: Im nächsten Moment ist Bobbys Aufmerksamkeit wieder ganz woanders. Seine Mutter und sein Lehrer Mr. Brian verzweifeln deswegen manchmal. Wie sollen sie zu ihm durchdringen, wenn schon ständiges Rufen, Erinnern und Ermahnen nichts bringt? Wenn sich Bobby in seiner Fantasie verliert, dann fängt er irgendwann an zu schweben. Die Träume tragen ihn immer weiter hinauf, hin zu den Wolken. Als seine Freunde Jess und Nelson ihn mal wieder am Schnürsenkel festhalten und zurück zum Boden ziehen, merkt Bobby, dass er etwas ändern muss.

Also versucht er fortan so zu sein, wie die anderen: Er möchte auch so perfekt Ordnung halten wie seine Mutter, ohne Ablenkung über ein Thema sprechen wie Mr. Brian, sich an alle Wörter eines Buches erinnern, wie Jess und einfach nur still sitzen inmitten der Natur wie Nelson. Doch egal wie viel Mühe Bobby sich gibt, es will ihm einfach nicht gelingen. Nur durch die Hilfe der anderen gelingt es Bobby auf dem Boden zu bleiben. Ab sofort soll eine Schnur an seinem Fuß verhindern, dass seine Fantasie ihn in die Wolken trägt. Es gibt nur ein Problem: Nach und nach verschwinden all seine Träume und Bobby fühlt sich innerlich leer. Als er schließlich zur Schere greift, saust er wie eine Rakete, die angestaute Fantasie als Antrieb nutzend, in den Wolkenhimmel hinauf. Seine Mutter, seine Freunde und Mr. Brian sind verzweifelt, denn sie wissen nicht, wie sie Bobby wieder zu sich holen sollen. Eine Lösung bleibt ihnen: Sie müssen ihrer eigenen Fantasie freien Lauf lassen…

„Er hatte gelernt, wie die anderen zu sein. Doch ohne seine hochfliegende Fantasie hatte er vergessen, er selbst zu sein.“

Es ist wunderbar, dass immer mehr Kinderbücher das Thema Neurodiversität in den Blick nehmen und Figuren erschaffen, mit denen sich die jüngeren Leserinnen und Leser identifizieren können. In „Wolkenkind“ von Autor und Illustrator Greg Stobbs geht es um ein Kind mit ADHS. Bobby fällt es wahnsinnig schwer, sich nicht von den noch so kleinsten Reizen ablenken zu lassen. Er nimmt die Welt um sich herum ganz anders wahr als seine Freunde und das macht ihm sehr zu schaffen. Das Gefühl anders zu sein und dies immer wieder von Außenstehenden vermittelt zu bekommen, wird am Selbstbewusstsein vieler neurodivergenter Kinder nagen. Bin ich normal? Warum kann ich mich nicht zusammenreißen? Diese Fragen bestimmen ihren Alltag. Bücher wie dieses sind regelrechte Mutmacher, denn sie geben aufgeweckten Kindern wie Bobby das Gefühl, richtig zu sein. Genau so, wie sie sind.

Geht es um das Thema ADHS, werden die Kinder in der öffentlichen Diskussion häufig als störend, problematisch und, leider nicht selten, als Außenseiter gesehen. Schnell identifizieren sich die Kinder mit dieser Bewertung und machen sich selbst schlecht. Kein Wunder, dass das Selbstwertgefühl in vielen Fällen mit der Zeit leidet. Dabei haben neurodivergente Kinder in diesem Spektrum so viele wundervolle Fähigkeiten und Eigenschaften: Sie sind nämlich, wie Bobby, nicht zuletzt ausgesprochen fantasievoll und kreativ. Möglicherweise ist das Bild vom fliegenden Bobby, der aufgrund seiner besonderen Fantasie anfängt zu schweben, für Kinder jedoch erst einmal schwer zu verstehen und bedarf einer Erklärung.

Für Klein und Groß

Das Bilderbuch dürfte auch für Erwachsene eine Bereicherung sein, denn gerade Eltern verzweifeln bisweilen an der enormen Energie und Neugier ihrer ADHS-Kinder. Ständige Diskussionen gehören zum Alltag dazu und es ist nicht immer leicht, sich stets wieder aufs Neue in das eigene Kind hineinzuversetzen. Warum fällt es ihm oder ihr gerade so schwer, sich auf das Essen zu konzentrieren? Warum klettert mein Kind auf jedes noch so wackelige Möbelstück? Warum klappt bei anderen Familien das Einkaufen so reibungslos und bei uns wird der ganze Laden in Aufregung versetzt? Was dem Bilderbuch fehlt, ist ein abschließender pädagogischer Teil für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie interessierte Erwachsene zum Thema ADHS. Denn so ergibt sich der inhaltliche Bezug tatsächlich nur aus der Verlagsbeschreibung.

Die Illustrationen schaffen eine bunte Mischung aus Humor und Fantasie. Die Figuren sind divers, Bobby gegenüber immer freundlich zugewandt und in ihrer Anzahl überschaubar. Ein bisschen gewöhnungsbedürftig sind hier und da die abrupten Wechsel in der Zeichnung der Augen (plötzlich übergroß) oder die unnatürlich offenen Münder. Magentafarbene Fäden, die sich in den Himmel ranken, stellen Bobbys unbändige Fantasie dar. Der Text ist kurz gehalten, nicht ausschweifend und auf das Wesentliche beschränkt. Passend zum Thema eignet sich das Bilderbuch damit für Kinder, denen es nicht so leicht fällt, sich auf eine längere Geschichte zu konzentrieren. Da bleibt noch genügend Zeit, um nach der Lektüre die Welt zu erkunden. Wer weiß, vielleicht schweben auch die Erwachsenen nun ein bisschen über dem Boden.

Fazit

Endlich bekommt das Thema Neurodiversität in der Kinderliteratur die Aufmerksamkeit, die es verdient. Dieses Bilderbuch ist eine weitere Neuerscheinung, die Mut macht sowie Verständnis und Sichtbarkeit schafft. Gerne mehr davon!

Wolkenkind

Greg Stobbs, Windy

Wolkenkind

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