Das Dschungelbuch

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  • Erschienen: Januar 2008
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Das Dschungelbuch
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJan 2008

Idee

Rudyard Kipling entwarf seinen Klassiker sehr viel ursprünglicher und wilder, als wir es aus der berühmten Disney-Verfilmung kennen. Die zahlreichen in sich abgeschlossenen Geschichten entführen darüber hinaus in Welten außerhalb des Dschungels.

Bilder

450 stimmungsvollen Illustrationen von Adolf Born die Kiplings bekannte Geschichten wunderbar neu beleben. Sie wirken eckig, wild und ursprünglich, wie die Welt, die der englische Autor einst entwarf.

Text

Die Sprache aus der fernen Kolonialzeit ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, doch gerade sie verströmt den besonderen Zauber der Geschichten.

Kinderbuch des Monats [01.2008]. ";Die Dschungel": Undurchdringliches Dickicht, geheimnisvoller Ort voller Gefahren. Hier wächst das Findelkind Mowgli bei dem ";Seeonee"- Wolfsrudel im indischen Dschungel auf. Den meisten bekannt durch die gleichnamige Disney-Verfilmung, erzählt die ";wahre" Geschichte von Rudyard Kipling von einer wilderen, ursprünglicheren Gemeinschaft, in der die Tiere friedlich nach dem strengen Gesetz des Dschungels zusammenleben. Ein generationsüberbreifendes Gesamtwerk, meisterhaft illustriert von Adolf Born.

";Äuget - äuget genau, o Wölfe!" Der Rat der Seeonee-Wölfe, der über die Aufnahme des kleinen Menschenkindes bestimmt, wie bei jedem anderen Jungtier ihres Rudels, wird von Schir Khan aufgehetzt. Der will als gefürchteter Jäger das Baby töten. Einzig Baloo, der Bär, und Bagheera, der schwarze Panther, legen ihr Veto ein, denn sie kennen die Gesetze ";der Dschugel" gut. Der Panther ";zahlt" den Wölfen sogar einen Büffel, den er gerissen hat, damit das Rudel sich des kleinen Menschenkindes annimmt. Die Wolfsmutter nennt es liebevoll ";Mowgli", ";kleiner Frosch". Mowgli wächst heran und lernt von Baloo, dem Lehrmeister der Wölfe, alles über die Gesetze des Dschungels. Eines Tages wird er von der wilden Affenbande, der ";Bandar-log" verführt, seinen Lehrmeister zu verlassen. Mowgli geht aus Trotz und Neugier mit ihnen, da er Baloos häufige Schläge übel nimmt. Die Bandar-log jedoch werden von allen Tieren des Dschungels verachtet. Vollkommen plan- und ziellos streifen sie durch den Dschungel und führen sich töricht, ja dumm auf. Auch Mowgli bemerkt schnell, dass er sich nicht in bester Gesellschaft befindet, doch da ist es schon zu spät. Baloo und Bagheera machen sich auf die Suche nach ihrem geliebten ";kleinen Frosch" und finden in der Riesenpython ";Kaa" einen wirkungsvollen, aber auch gefährlichen Mitstreiter. Um ein Haar gelingt es der Affenhorde den starken Panther in ihrer Übermacht zu töten, doch die Rettung gelingt in allerletzter Minute. In dieser Nacht wird Kaa noch viele Affen in seinen Bann ziehen und verschlingen ....

Mowgli, der die geheimen Worte des Dschungels gut kennt, kann sich auf die Hilfe der Tiere verlassen. Doch als es um eine neue Vormachtstellung im Rudel geht, verstossen die Wölfe Mowgli eines Tages. Mowgli muss zu den Menschen zurückkehren (eine sehr verstörende Zeit für ihn) und der zurückgekehrte Tiger, Schir Khan, trachtet noch immer nach dem Leben des Menschenjungen. Mit Hilfe der Büffel, die Mowgli für die Menschen im Dorf hüten muss, und seinen engsten Verwandten des Wolfsrudels gelingt es, den mächtigen Tiger zu töten. Die Büffel werden von den Wölfen so zusammengetrieben, dass sie den ahnungslosen Tiger niedertrampeln. Die Menschen jedoch halten Mowgli für einen bösen Zauberer und wollen ihn nicht länger in ihrem Dorf haben. Mowgli kehrt zurück und weiss sich, mit dem Fell des besiegten Tigers in Händen, vor allen Tieren zu behaupten. Als seine menschlichen Eltern, die ihn einst im Dorf aufgenommen haben, von den Dorfbewohnern zu Tode gesteinigt werden sollen, schreitet Mowgli mit seinen Freunden furchtlos ein. Am Ende kann er dem ";Meister der Dschungel", den Elefantenbullen ";Hathi" mitsamt seiner Herde dafür gewinnen, das Dorf dem Erdboden gleich zu machen. Viele Tiere helfen ihnen, zerstören die Ernten, fressen das Saatgut, überfallen die Ställe. Doch die Frau, die zu Mowgli immer gut gewesen war, und deren Mann bringt er mit Hilfe der Tiere in Sicherheit. Keines krümmt ihnen auf ihrem Weg durch das Dickicht des Dschungels auch nur ein Haar, denn Mowgli beherrscht das ";Meisterwort" mit dem er über jedes Tier Macht hat.

Noch viele Geschichten gibt es von Mowgli zu erzählen, viele wunderschöne Begebenheiten, die von ihm und den Tieren erzählen. Unbekümmerte, humorvolle Momente sind ebenso viele zu finden, wie überaus spannende und anrührende. Bei alledem kann der Leser erleben, wie Mowgli heranwächst. Mit jedem Jahr, das er älter wird, verfügt er bald über sehr viel mehr List und Intelligenz als die Tiere, denen er respektvoll gegenüber tritt. Sein wissender Blick schüchtert die Tiere ein, viele können seinem direkten Blick nicht standhalten und so akzeptieren sie Mowgli schließlich als ihren Meister. Doch bei allem muss man die Unerschrockenheit und die Klarheit des Jungen bewundern, der sich doch stets zerrissen fühlt zwischen der Welt der Tiere und seinen menschlichen Wurzeln.

Vergessen wir am besten ganz, was wir aus der ";weichgespülten" Disney-Verfilung kennen. Denn obwohl vieles bekannt klingen mag, erdachte der 1865 in Bombay geborene Rudyard Kipling seine Geschichten sehr viel ursprünglicher und wilder. Unverfälscht lässt er seine Tiere auf der Basis ihrer natürlichen Verhaltensmuster agieren. Sie sprechen zwar untereinander, doch gleichzeitig bricht Kipling niemals mit dem Zauber der Wildnis. Seine Geschichten erzählen von Geschichten, die noch älter als die Menschheit sind, von Wahrheiten, die die Tiere kennen, wir Menschen jedoch verlernt haben. Über die Natürlichkeit des Jagens zum Stillen des Hungers - über das Fressen und Gefressenwerden: Kipling schaut nicht durch die Augen des Menschen und er vermenschlicht seine Tiere nicht. Dabei ist Mowgli so etwas wie der vollkommene Mensch, denn er ist wie die Tiere und kennt keine Gier und keinen Geltungsdrang. Er will in ";die Dschungel" leben und sich nach deren Gesetzen richten.

In der Gesamtausgabe des Klassikers, den Rudyard Kipling in den Jahren 1894 - ";The Jungle Book" - und 1895 - ";The Second Jungle Book" - verfasst hat, finden sich aber noch eine ganze Reihe anderer zauberhafter Geschichten. Der erste Literaturnobelpreisträger Englands (1907) kehrt immer wieder in die Heimat seiner Kindertage zurück. Die Geschichte ";die Geheimnisse der Dschungel" erzählt ";Wie Angst kam" und wie das Gesetz des Dschungels entstand. Es wirkt ein wenig wie die Vertreibung aus dem Paradies, die gleichzeitig mit dem Auftauchen der ersten Menschen einhergeht - denn der Mensch ist die Angst. Interessant sind die Gespräche unter den verschiedenen Tiergattungen. Denn in der Trockenzeit dürfen die Raubtiere die Pflanzenfresser an den letzten Rinnsalen des Flusses nicht überfallen. Leider taucht hier Schir-Khan wieder auf, obwohl er in dem ersten Teil des Dschungelbuchs ja schon sein Ende fand. Doch die Geschichte ist so spannend und gut erzählt, dass man darüber sicherlich hinwegsehen kann.

In der für Kipling so typischen Art, erzählt die Geschichte von der ";weissen Robbe" über die Sicht der Dinge, die die Tiere auf das haben, was wir Menschen ihnen antun. In dieser Geschichte geht es allerdings ziemlich blutig zu, was meiner Meinung nach am Ende unnötiger Weise auch von der Robbe selbst ausgeht.

Besonders schön aber ist die Geschichte von ";Rikki-Tikki-Tavi", einem Mungo, der vom reissenden Fluss wie durch Zufall bei einer jungen Familie angespült wird. Der kleine verspielte Mungo rettet der ganzen Familie das Leben, indem er sie vor den giftigen Bissen der schwarzen Kobras rettet. Mutig tötet er die beiden großen Schlangen. Die Beschreibungen des kleinen Kerls und sein unfehlbarer Beschützerinstinkt der Famlie und vor allem dem kleinen Jungen gegenüber, werden jedem Kind gefallen und sind überaus spannend erzählt.

Sehr schön ruhig erzählt und berührend ist auch ";Das Wunder des Purun Baghat". Ein sehr reicher, einflussreicher Mann aus einer so hohen Kaste, dass sie keiner Bezeichnung mehr bedarf, entscheidet sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Bettelmönch in die Berge zu ziehen. Nach langer Reise findet er einen Platz an dem er bleiben möchte. Das im Tal gelegene Dorf erkennt ihn als heiligen Mann an und lässt ihm jeden Tag Nahrung bringen. Er spricht mit niemandem und die dort lebenden Tiere verlieren am Ende ihre Scheu vor ihm. Sie sind es auch, die ihn vor dem gewaltigen Erdrutsch warnen, der auch das Dorf unter sich zu begraben droht. Gerade noch rechtzeitig kann Purun Baghat seine Bewohner mit Hilfe der Tiere vor der Lawine retten.

Noch so manche Begebenheit und Geschichte finden wir in dem gewichtigen Prachtband in außergewöhnlich großem Format. Ein verführerisches Buch, in das man gerne eintaucht; sei es, um in eine von Kiplings in sich abgeschlossene Geschichten zu versinken oder um die beeindruckenden Illustrationen von Adolf Born zu bewundern. Sie passen hervorragend in die Stimmung und in die Zeit, die Rudyard Kipling mit seiner so besonderen Sprache heraufbeschwört. Dem Übersetzer aus dem Englischen Dagobert von Mikusch ist es, um bei Kiplings Sprache zu bleiben, ";vortrefflich" gelungen, dies in die deutsche Sprache zu übernehmen. Gerade diese Sprache, die auch aus der fernen Kolonialzeit stammt, ist es, die den besonderen Zauber verströmt. Es gelingt, Unteröne, Sticheleien unter den Tieren ebenso treffend zu vermitteln, wie die Faszination der Wildnis einzufangen. Da gibt es zwar auch sehr alte Formulierungen wie ";ich spazierte singend durch die Dschungel, als wäre ich auf Freite im Lenz..." doch im großen und ganzen kann man sich gut in die etwas altertümliche Sprache einlesen und bald feststellen, dass sie so viel reicher an Ausdrucksformen ist. Etwas wundern wird sich wohl so mancher über den Artikel ";die" vor ";Dschungel". Doch lange, und dies besonders zu Kiplings Lebzeiten, war der deutsche Artikel für dieses Fremdwort noch weiblich. Erst 1986 entfiel die weibliche Form ganz. Heute ist in den Wörterbüchern ";der Dschungel" verzeichnet. Somit hat der Übersetzer, Dagobert von Mikusch, die seinerzeit (1936) geltende Form angewandt. Doch was zunächst störend wirkt, wird bald ein ganz natürlicher Teil der Erzählung und passt zu der für heutige Ohren blumigen und etwas ";umständlichen" Sprache.

Zu empfehlen ist das Buch daher erst für Kinder ab 10 Jahren und auch hier ist es ratsam, das Buch gemeinsam mit einem Erwachsenen zu lesen. Es ist ein Buch, das Menschen jeden Alters begeistern wird und sich bestens zum Vorlesen eignet. Zu Beginn oder im Anschluss seiner Geschichten hat Kipling stets ein Lied oder ein Gedicht angefügt. Sie sind so manches Mal eine echte Herausforderung, doch es lohnt sich, das eine oder andere zu entdecken.

Voll eigener Poesie sind auch die 450 stimmungsvollen Illustrationen von Adolf Born. Für diese opulente Ausstattung arbeitete der bekannte und erfolgreiche teschechische Illustrator über zwei Jahre nur an diesem Werk. Dabei hat der ";Altmeister der künstlerischen Buchillustration" eine ganz eigene Welt erschaffen, die Kiplings bekannte Geschichten wunderbar neu beleben. Seine Tiere sind nicht gefällig und niedlich, sondern wirken eckig, wild und ursprünglich, wie die Welt, die der englische Autor einst entwarf. Seine Menschen wirken eher dumpf, manchmal muffig und so einige Male kommt hier auch Borns bekannter humoristischer Unterton zum Vorschein. In ihren erdigen Farben und ihrer Geradlinigkeit sind sie zeitlose Begleiter der zahlreichen Abenteuer.

Fazit:

Die neue Gesamtausgabe von »Das Dschungelbuch« und »Das neue Dschungelbuch« ist in seiner ganzen Pracht ein echter Schatz für die ganze Familie. In die unvergänglich schöne und wilde Welt Rudyard Kiplings kann jeder, ob jung oder alt, jederzeit eintauchen. So fern sie auch heute ist, durch Kiplings Sprache und Darstellungskraft wird sie immer wieder von Neuem lebendig.

Stefanie Eckmann-Schmechta


Das Dschungelbuch

Rudyard Kipling, cbj

Das Dschungelbuch

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