Die Entdeckung des Hugo Cabret

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  • Erschienen: April 2008
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Die Entdeckung des Hugo Cabret
Die Entdeckung des Hugo Cabret
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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonApr 2008

Idee

Eine abenteuerliche Geschichte - ungewöhnlich inszeniert und spannend erzählt.

Bilder

Bleistiftzeichnungen mit atmosphärischer Dichte transportieren Spannung und Dramatik

Text

geradlinig und leichtgängig erzählt mit sauber eingefädeltem Plot

Ein Waisenjunge, ein Notizbuch, ein mechanischer Mann, ein Mädchen und ihr schrulliger Onkel, eine geheimnisvolle Zeichnung - und sie alle verbindet ein Geheimnis... Aber zunächst überrascht uns direkt der Auftakt des 544 Seiten fassenden Romans für Kinder und macht deutlich, dass wir uns nicht nur bei der Handlung auf ein Buch der anderen Art einstellen dürfen. Auf den ersten 60 Seiten verfolgen wir die Hauptfigur Hugo Cabret auf seiner Flucht durch die Bahnhofsanlage von Paris. Ungewöhnlich? - Ja, denn wir bekommen alles nur mit Bildern präsentiert!

Wir schreiben das Jahr 1931. Nach dem Tod seines Vaters lebt Hugo Cabret in den Pariser Bahnhofshallen bei seinem Onkel Claude, der für die Wartung und die Pünktlichkeit der Bahnhofsuhren verantwortlich ist. Dort ist der Junge aber ganz und gar nicht glücklich, denn sein Onkel ist ein Trinker und alles andere als um das Wohl von Hugo Cabret besorgt. Als eines Tages Onkel Claude nicht mehr auftaucht, macht sich Hugo aus dem Staub. Als er hungrig durch die engen Straßen der Stadt läuft, kommt er vor den Ruinen des ausgebrannten Museums vorbei - hier ist sein Vater in den Flammen gestorben. In den Ruinen entdeckt Hugo einen Automaten - den mechanischen Mann - an dem sein Vater jahrelang gearbeitet hatte, um ihn zu restaurieren. Hugo beschließt, den mechanischen Mann mitzunehmen und ihn wieder herzurichten. Das Notizbuch seines Vaters enthält dazu wichtige Informationen und so hofft Hugo eines Tages zu erfahren, was der mechanische Mann mit seinem Stift in der Hand zeichnen oder schreiben wird. Vielleicht sogar eine Nachricht seines Vaters?!

Zurück im Bahnhof ist Hugo auf sich allein gestellt. Um weiter den Schein zu wahren, dass sein Onkel noch bei ihm lebt, kümmert sich der Junge fortan allein um die Bahnhofsuhren und baut derweil - sorgsam verborgen - an seinem Maschinenmann weiter. Sein Überleben sichert sich Hugo durch kleinere Diebstähle an den verschiedenen Ständen im Bahnhof. Und auch das Material für die notwendigen Reparaturen muss sich Hugo ohne Geld beschaffen. Ein Spielwarenladen um die Ecke ist ein wichtiger Materiallieferant.

Doch eines Tages werden das Mädchen Isabelle und ihr schrulliger Großvater Papa Georges auf ihn aufmerksam. Nicht nur Hugo Cabrets persönliche Lebenssituation läuft Gefahr ans Tageslicht zu kommen, sondern auch sein besonderes Geheimnis. Wird ihm die Reparatur dennoch gelingen? Welche Botschaft hält der mechanische Mann parat? Und warum verhält sich Papa Georges so merkwürdig?

Als Hugo schließlich Etienne´ einen Freund von Isabelle, kennen lernt und sie das städtische Filmmuseum aufsuchen, stoßen sie auf eine unglaubliche Entdeckung...

";Ein Roman in Worten und Bildern" - so schlicht aber auf der anderen Seite doch so passend steht es auf den Eingangsseiten des Buches geschrieben. Immerhin gut ein Drittel der Geschichte wird allein mit den Illustrationen des Autors sowie weiterem Bildmaterial, wie z.B. Fotografien, erzählt. Die Bilder greifen also nicht Teile des Textes auf, sondern führen eigenständig die Geschichte weiter.

So liegt die Faszination des Buches selbstverständlich zunächst in dieser doch ungewöhnlichen Inszenierung. Schon die schwarz gerahmten Buchseiten sind auffällig anders und greifen bereits an dieser Stelle den Aspekt ";Kino und Film" auf, der quasi als roter Faden des Buches verstanden werden kann. Denn - ohne allzu viel vorweg zu nehmen - letztlich kreist doch vieles rund um die auf Celluloid gebannte Phantasie. Die Bleistiftzeichnungen von Brian Selznick muten dabei durchaus ein wenig wie ein filmisches Storyboard an, sind aber dennoch von einer derart atmosphärischen Dichte, dass sie die Spannung und Dramatik der dargestellten Szene sehr gut transportieren und dabei auch das Umfeld und die Charaktere wirkungsvoll in Szene setzen.

Bei aller Intensität, die durch die attraktive Aufmachung entsteht, ertappe ich mich dabei, wie der Lesefluss doch gerade durch die längeren Bildpassagen etwas unterbrochen wird und der eigenen Phantasie beim Lesen durch das zahlreiche Bildmaterial verständlicherweise ein wenig die Freiheit genommen wird. Dennoch, das geht nicht auch auf Kosten der erzählerischen Qualität des amerikanischen Autors. Denn Selznick nutzt insbesondere dialoglose und bewegungsreiche Phasen der Erzählung für seine Bildsequenzen, die dann entsprechend für Tempo in der Dramaturgie sorgen und wirklich fesselnd umgesetzt sind. Und natürlich ist auch die Darstellung des mechanischen Mannes ein mehr als interessanter Anblick für das Publikum.

Bemerkenswert ist letztlich aber die Tatsache, dass es Brian Selznick gelingt, diese reichhaltige Mischung aus Foto, Illustration und Text überaus geradlinig und leichtgängig zu komponieren und schließlich mit einem sauber eingefädelten Plot abzuschließen. Selznick stützt sich wahrlich nicht nur auf die Aufmachung des Titels, sondern lässt mit jeder Seite erkennen, dass sie wichtiges Element der ganz eigenen Faszination und Logik des Buches ist.

In einem Nachwort erläutert Brian Selznick die Hintergründe zur Entstehung seiner Geschichte, die vorrangig begründet liegt in der Entdeckung einer Milardet-Automatensammlung des Filmemachers Georges Méliès - und damit der Entdeckung eines mechanischen Mannes, wie er eben im Buch eine wichtige Rolle spielt. Aufnahmen des mechanischen Mannes im Rahmen der Recherchen des Autors gibt es übrigens auf folgender Internetseite: www.fi.edu/learn/sci-tech/automaton/. Es fließt aber - wie eingangs erwähnt - auch die Faszination über die Anfänge des Kinos und bedeutender Werke dieser Zeit ein - eben auch von Georges Méliès, aus dessen Hand Filme wie z.B. ";Die Reise zum Mond" aus dem Jahr 1902 oder ";Das Verschwinden einer Dame" aus dem Jahr 1896 stammen. Bilder aus diesen Filmen finden dann auch Verwendung im Buch. Wenngleich die Geschichte also komplett frei erfunden ist, behält sie so doch auch ein wenig das Gefühl des Authentischen.

Fazit:

";Die Entdeckung des Hugo Cabret" ist ein ungewöhnlich inszeniertes Kinderbuch, das sich nicht nur auf seine konzeptionelle Besonderheit stützt, sondern auch inhaltlich überzeugen kann. Brian Selznick erzählt eine fesselnde und abenteuerliche Geschichte mit interessanten Figuren vor dem Hintergrund der Anfangszeit des Kinos und des Filmemachers Georges Méliès. Dieses Buch ist auf jeden Fall mehr als einen Blick wert.

Stefanie Eckmann-Schmechta

Die Entdeckung des Hugo Cabret

Brian Selznick, cbj

Die Entdeckung des Hugo Cabret

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