Romane für Kinder

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonNov 2008

Idee

In Peter Härtlings fünf Geschichten liegt eine Wahrhaftigkeit, die, wie das Leben selbst einfach spannend, fesselnd und berührend sind.

Text

Erklärend, liebevoll und nicht selten lakonisch, was dem Humor von Kindern sehr nahe kommt, da er so unverfälscht und unbeschwert ist. Er findet Worte, die so einfach sind und doch alles sagen.

Ausgezeichnet mit dem Kinderbuch-Couch-Star*. Anlässlich des 75. Geburtstages von Peter Härtling hat der Verlag Beltz- und Gelberg eine Sammlung seiner schönsten Kinderromane herausgegeben. Die fünf Geschichten erzählen vom Leben der Kinder und ihrer ganz verschiedenen Schicksale. Da liebt Ben Anna, erzählt Kalle von seinem neuen Leben bei seiner Oma oder wir begleiten Theo, der immer wieder abhaut...

Ben liebt Anna:
Ben ist fast 10 Jahre und verliebt sich in Anna. Dabei ist es für Ben gar nicht leicht, zuzugeben, dass er die ";Neue" in seiner Klasse besonders mag. Noch dazu ist ja ein Mädchen - und die kann man doch nicht gut finden! Zum Glück versteht ihn sein Klassenlehrer und das, ohne viel Aufhebens darum zu machen. Anna und Ben erleben wunderschöne Momente miteinander und lernen, sich langsam einander anzunähern. Bens Leben steht auf dem Kopf. Doch dann muss Anna mit ihrer Familie fortziehen. Ben fällt der Abschied schwer, doch er geht reifer aus dieser Zeit hervor und wird seine erste große Liebe nie vergessen.

Oma:
Als Kalle zur Oma geht, muss er sein bisheriges Leben mit seinen Eltern für immer hinter sich lassen. Seine Eltern starben bei einem Verkehrsunfall. Kalle ist stark doch Oma ist sehr besorgt um ihn und findet auch noch im Nachhinein den Erziehungsstil ihrer Schwiegertochter zu nachlässig und einfach nicht richtig. So manches Mal ist sie tief in ihrem Innern eifersüchtig auf die immer noch unverrückbare Liebe Kalles zu seiner Mutter. Und nicht selten entbrennt ein Streit daraus. Sonst streiten Kalle und Oma nie. Sie verstehen sich. Vor allem, wenn sie vor dem ";Amtsschimmel" zusammenhalten müssen. Dann wird Oma ernsthaft krank und Kalle bekommt grosse Angst, dass Oma sterben könnte. Es wird Zeit, dass Oma und Enkel einmal offen über alles reden und Kalle weiß, dass Oma vielleicht nicht immer für ihn da sein kann...

Theo hat ab:
Theo hat die Nase voll von der Streiterei seiner Eltern, dass sein Vater trinkt und dann auch noch ihn oder seine Mutter schlägt. Er reisst aus. Dabei muss er sehr vorsichtig sein und übersteht so manch brenzlige Situation. Er hat Glück, dass er auch auf einen so lieben Menschen wie ";Papa Schnuff" vom Rummelplatz trifft. Viele Erwachsene wollen Theo helfen, wieder in seinem alten Leben Fuss zu fassen und es gelingt ihm, nachdem sich seine Eltern getrennt haben, auch fast. Doch nicht alles verläuft so einfach und die Sehnsucht zu Papa Schnuff treibt ihn noch ein weiteres Mal hinaus. Dieses Mal wird es aber richtig gefährlich.

Alter John:
Die Familie vom kleinen Jacob entscheidet sich, den Grossvater, der von allen nur ";Alter John" genannt wird, zu sich nach Hause zu holen. Nachdem das Probehalbjahr harmonisch verläuft, bleibt Alter John und eine turbulente Zeit beginnt, in der der Alte John mit seinen Eigenheiten den Alltag der Familie ordentlich aufmischt. Seine vielen kleinen Eigenheiten und Weisheiten werden bald für die ganze Familie unverzichtbar und sie nehmen die Schrullen des alten Mann mit einer Mischung aus Schmunzeln und liebevoller Gelassenheit hin. Dann, plötzlich, wird Alter John sehr krank und die Kinder müssen sich mit dem Gedanken befassen, dass Alter John schon bald sterben wird...

Das war der Hirbel...
sagen die Kinder im Heim, wenn wieder jemand etwas angestellt hat. Denn der Hirbel ist ein ";schwieriger Junge" und er ist sehr krank. Obwohl seine Mutter der einzige Mensch ist, dem der Hirbel bedingungslos vertraut, besucht sie ihn nur selten im Heim. Hirbel kann nicht so lange stillsitzen, um Lesen und Schreiben zu lernen, doch er hat gelernt, in den Heimen und den Pflegefamilien zurecht zu kommen, weiss, wer gut zu ihm ist und wer nicht, lernt trotz seiner ständigen Kopfschmerzen zu spielen und wie er den Psychologinnen das vorspielt, was sie erwarten. Der Hirbel ist nicht dumm. Das weiss aber kaum jemand und viele denken, er sei kein liebes Kind. Doch der Hirbel, der sich selbst kaum mitteilen kann, gibt sein Bestes. Er wünscht sich einfach nur ein schönes Zuhause, doch die Erwachsenen lassen ihn nicht...

In Peter Härtlings fünf Geschichten, die im Zeitraum von 1973 bis 1981 entstanden, liegt jene Wahrhaftigkeit, die, wie das Leben selbst einfach spannend, fesselnd und berührend ist. ";Seine" Kinder setzen sich mit den Widrigkeiten, die nicht selten durch die Erwachsenen verursacht werden, lebendig auseinander. Peter Härtlings Leser, zu denen er schon über die vielen Jahre hinweg eine sehr enge Verbindung hat, können durch das Erleben und die Worte der kleinen Protagonisten nachvollziehen, was auch in ihrem Leben ähnlich ist.

Peter Härtling hat sich ganz bewusst von der, wie er es ausdrückt, ";kindertümelnden" Literatur abgewandt und zeigt mit jedem Wort, dass er seinen Lesern, ob jung oder alt, auf Augenhöhe begegnet. Er sucht den Dialog und ist selbst berührt, wenn er auch nach so vielen Jahren, seitdem seine Bücher erstmals veröffentlicht wurden, Resonanz bekommt. Er erkennt das Privileg der Anfänge, das Kindern allein gehört und zeigt, dass er Kinder ehrlich und aufrichtig mag, sie versteht und sie weder über- noch unterfordert. Er verwendet nie die Direkte Rede, kein in Anführungsstrichen gesetzter Wortwechsel, bei ihm wird alles in die Erzählung eingebunden, so, als würde er gerade jetzt, in diesem Moment seine Geschichte erzählen. Dies tut er erklärend, liebevoll und nicht selten lakonisch, was dem Humor von Kindern sehr nahe kommt - und den die Erwachsenen umso mehr lieben, da er so unverfälscht und unbeschwert ist. Er findet Worte, die so einfach sind und doch alles erklären. Sein Erzählstil ist warmherzig und bedächtig, wie er selbst.

In seinen fünf Geschichten geht es um Verlust; den Verlust von geliebten Menschen, um das Abschiednehmen und um den Prozess, einen Weg durch die oftmals schwierige Situation zu finden: Ben gewinnt Anna und muss sie doch am Ende wieder loslassen, Kalle verliert seine Eltern, findet aber in seiner Oma eine tapfere Mitstreiterin im Leben, Theo verliert den Boden unter den Füssen und riskiert viel, Jacob verliert seinen geliebten Grossvater und Hirbel verliert abermals ein Zuhause mit Menschen, die ihn wenigstens ein bisschen verstanden. Peter Härtling erspart seinen jungen Lesern nicht die Realität, die Tränen nicht und auch nicht die Verzweiflung. Aber mit seinen Worten bekommt er es immer so hin, dass es erträglich, dass es leicht wird. Er schildert es eben so, wie Kinder es tun würden, in ihrer unvoreingenommenen Art. Weder anklagend noch voller Selbstmitleid.

Seine ";Milieu-Studien" innerhalb der Familien haben auch heute noch Bestand. Er zeigt das Gefüge zwischen Eltern und Kindern, Erziehungsberechtigten und Behörden. Hier wird abermals der Einfluss der Erwachsenen deutlich und ihre manchmal hilflose Art, wie sie den Kindern helfen wollen. Doch immer wieder gibt es in Peter Härtlings Geschichten Erwachsene, die einfach nur versuchen, da zu sein und ein wenig Geborgenheit zu geben.

Fazit:

Peter Härtlings Geschichten prägen sich tief ein, da sie so nahe an der kindlichen Reallität, an den Gefühlen der ";Anfänge" sind. Sie sind damit Kinderliteratur, die zeitlos bleibt und sicherlich noch viele Kindergenerationen in den Bann des sanften Geschichtenerzählers ziehen wird.

Stefanie Eckmann-Schmechta

 

Romane für Kinder

Peter Härtling, Beltz & Gelberg

Romane für Kinder

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