Wenn ich eine Katze wäre...

Wenn ich eine Katze wäre...
Wenn ich eine Katze wäre...
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Kinderbuch Couch
88%1001

Kinderbuch-Couch Rezension vonJan 2009

Idee

keine Story im üblichen Sinne, aber viele geistreiche, anregende Überlegungen zu Möglichkeiten, die man in anderen (Tier-) Rollen hätte

Bilder

reduziert in der Darstellung, zumeist in dunklen Pastelltönen gehalten, äußerst gelungene Perspektivdarstellungen, die den Text bereichern

Text

kindgerecht prägnante Sätze, die oft sehr geschickt philosophisch doppelbödige Hintergründe transportieren

Katze, Eule, Eichhorn und weitere Tiere grüßen schon vom Cover und laden somit ein, den Buchtitel gleich auf sie auszuweiten. Doch was wäre, wenn wir Menschen wirklich wie Katzen klettern oder wie ein Glühwürmchen in der Nachtwelt leben könnten?! Warum also nicht den Traum zu Ende zu träumen? Es ist absolut ratsam, das Buch bis zur allerletzten Seite durchzublättern, denn unerwartete Betrachtungen im doppelten Wortsinn winken als Lohn ...

Was wäre, wenn ich eine Katze wäre? Wem kommt beim Lesen dieses Titels nicht gleich das melancholische alte deutsche Volkslied vom Vöglein, das nicht zu seinem Schatz fliegen kann, in den Sinn?! Genau damit ist der Leser auch schon auf der richtigen Ideen-Spur. Der italienische Autor Bardella Rapino wählt verschiedene Tiere aus und zeigt, welche neuen Möglichkeiten sich in der jeweils anderen Gestalt eröffnen würden. So bestiege man als Katze vielleicht die höchsten Dächer und sähe die Menschen aus einer erstaunlich „verkehrten" Perspektive. Oder bereiste gar als Schnecke dank huckepack mitgeführtem eigenen Domizil die ganze Welt ungleich komfortabler als in Menschengestalt. Was wäre, wenn man als Eule Träume ausfindig machen könnte? Auch eine angenehme Vorstellung: in Gestalt eines schnell dahin galoppierenden Pferdes Geschichten aus aller Herren Länder sammeln und sie weitererzählen.

All das klingt kindlich-phantastisch und reizt zum Weiterspinnen. Besonders poetische Einfälle geben der augenfällig leicht durchschaubaren Grundstruktur eine ausgefallene Note - dem Autor Bardella Rapino geht es nicht um das allzu Offensichtliche, er führt den Leser mit jeweils nur wenigen Zeilen weiter hinein in so noch nicht gedachte Gedankengespinste. Da wäre die bereits erwähnte Eule, die nicht - wie erwartbar wäre - auf nächtliches Herumfliegen reduziert bleibt. Nein, dieser Nachtvogel will mehr: er würde die Träume der Menschen nicht nur aufspüren, sondern in Aschenputtelmanier beherzt zensierend eingreifen, um die Schlechten sogar zu beenden! Mit welchen Folgen?!

Der Maulwurf, mit dem man emsiges, aber zielgerichtetes Graben verbinden würde, foppt uns unerwartet mit seiner „Der Weg ist das Ziel" - Attitüde, indem er möglichst viele neue Verzweigungen in sein Tunnelsystem einzubauen gedenkt, statt geradlinig voranzubuddeln. Käme er somit also nie ans Ende?
Die vom Autor angeregten Gedankenexperimente begeistern durch ihre geniale Doppelbödigkeit; bei oberflächlicher Betrachtung simple Gedanken, die auch für Kinder leicht nachvollziehbar erscheinen, bieten bei genauerem Hinsehen hochspannende philosophische Konzentrate. Inwiefern der (Vor-) Leser sich in diesen Tiefen versenkt, bleibt ihm selbst überlassen. Fest steht, dass es Vergnügen bereitet, wenn scheinbar unverrückbare Erwartungen so glaubwürdig geschickt durchkreuzt werden. Dass dies im vorliegenden Werk so gut gelingt, ist auch ein Verdienst des Illustrators, Matteo Gubellini. Ein Beispiel: Jeder Leser, der einen Wal und kleine Fischchen auf einer Seite präsentiert bekommt, würde die Opfer vor seinem geistigen Auge in das Maul des Räubers hineinschwimmen sehen. Nicht so hier: der ungewohnt gutartige Wal fungiert in Text und Bild quasi als Fisch-Lift. Er brächte - nach Annahme der Buch-Erschaffer - die armen Dunkelwesen wenigstens einmal in ihrem Leben vom öden Meeresgrund in seinem Maul ans Licht.
Alle Illustrationen sind mit dunklen zurückhaltend farbigen Pastellkreiden gestaltet und wirken ob ihrer oft bizarren Perspektivwahl und stark reduzierten Darstellung von Menschen und Dingen wie von Kinderhand erschaffen. Die Tiere blicken zumeist freundlich drein, das nimmt der Düsternis etwas die Schwere. Kinder werden die gewählten Ansichten mögen, erinnern diese bisweilen doch an großformatige Kamera-Einstellungen und geben vortrefflich den Blickwinkel des jeweiligen Tieres wieder.

Perspektiven und ihr Wechsel sind also das eigentliche verbindende Element dieser aneinander gereihten seitenfüllend bebilderten Konjunktive, die keine Geschichte im herkömmlichen Sinne erzählen. Kindern fällt es sicher leicht, die Ameisensicht nachzuvollziehen oder im Fall der Möwe dasselbe aus zwei verschiedenen Richtungen zu betrachten. So wähnt sich der erwachsene Leser denn sicher, dass alles bis dahin gelesene auch Kinderphantasien sein könnten.

Der Gedanke auf der letzten Doppelseite läßt ihn diese gesichert scheinende Annahme aber wiederum hinterfragen: „Wenn ich mir wie ein Kind ein Geburtstagsgeschenk aussuchen könnte ..." - Durch wessen Augen hat der Betrachter denn dann alles Bisherige gesehen?! Es lohnt unbedingt, diesen Kinderwunsch-Gedanken zu erfahren sowie auch die Ideen von Autor und Illustrator über Eichhörnchen-Loyalität und Esels-Stärken nachzublättern.

Fazit:

Ein in mehrerer Hinsicht anregendes Buch für Leser verschiedenster Alterstufen. Es lässt uns eigene und neue Perspektiven auf verblüffende Weise bewusst werden und bietet zahlreiche anregende Gesprächsanlässe.

Silvia Ströhmann

Wenn ich eine Katze wäre...

Eduardo Bardella Rapino, Bohem Press

Wenn ich eine Katze wäre...

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