Galaktisch

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Kinderbuch Couch
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Kinderbuch-Couch Rezension vonJul 2009

Idee

Liam, der Außenseiter, sieht aus wie ein Erwachsener und nutzt diesen Umstand, um ein großes Abenteuer zu erleben

Text

dialogreiche, wie fantasievolle Handlung voller absurder Wendungen und eine Verbeugung vor Roald Dahl

Liam ist erst 12 Jahre alt und trotzdem sieht er aus wie ein Erwachsener. Diese Tatsache nutzt der Junge, um als Gewinner des ungewöhnlichen Wettbewerbs „Der beste Vater der Welt" bei einer geheimen bemannten Weltraummission mitzufliegen. Liam muss dafür nur vorgeben, ein guter Vater zu sein. Das ist nicht so schwierig, denn die gleichaltrige Florida übernimmt die Rolle der Tochter. Aber dann läuft alles schief. Liam und die Besatzung sind dazu verdammt, für immer „in den Tiefen des Weltalls" zu verschwinden. Das ist nicht nur galaktisch, sondern auch ziemlich verrückt.

Liam Digby ist nicht mit seiner Klassenkameradin Florida ins Freiluftjugendzentrum gefahren. Er schwirrt mit ein paar Kindern im All umher. Seine Rakete, genannt Unbegrenzte Möglichkeit, wurde aus der Erdumlaufbahn geschleudert und nun ist guter Rat teuer. Wie es dazu kam, beichtet Liam seinem Handy in der folgenden Geschichte. Der Junge sieht aus wie ein Erwachsener und so kommt es auch, dass ihn viele für volljährig halten. Liam hat bereits als Zwölfjähriger Bartstoppeln und auf dem Gymnasium hält man ihn für den neuen Lehrer des Bereiches Medienwissenschaften. Er schlittert immer wieder in Schwierigkeiten aufgrund seiner Aussehens und Auftretens. Trotz Kinderpass und Ermahnung der ängstlichen Mutter, nicht so schnell zu wachsen, die Versuchungen sich in der Welt der Erwachsenen umzusehen, sind zu groß.

Liam ist ein Außenseiter. Er kennt sich im Computerspiel World of WarCraft besser aus als im wahren Leben, denn immerhin ist er ein hochbegabter Nachtelf mit den Kräften eines Heilers. Hier kann er seine Talente und Fähigkeiten im Rollenspiel testen. Liams Vater kann den Jungen zu keinem Monopoly-Spiel bewegen, denn der Wechsel von Level zu Level ist reizvoller als jedes Brettspiel. Nachdem Liam mit seiner Schulkameradin Florida fast Porsche gefahren wäre, der Verkäufer im Autogeschäft hielt ihn für einen jungen Erwachsenen, beschließen die Eltern den Jungen mehr zu überwachen. Das alte Handy des Vaters soll als „Fußfessel" für den abenteuerlustigen Liam dienen. Der Junge soll endlich soziale Kontakte pflegen und muss in die Theatergruppe. Hier spielt er den Riesen im Stück „Sophiechen und der Riese" nach dem Kinderbuch von Roald Dahl. Doch dann erscheint auf dem Display seines Handys und zeitgleich beim Vater ein verlockendes Angebot. Mr Digby und Kind sind für den Wettbewerb „Der beste Vater der Welt" ausgewählt worden. Sie dürfen in einen neuen Freitzeitpark reisen und ein Riesenkarussell ausprobieren, wenn sie zurückrufen. Liam ist begeistert.

Nur Vater Digby ahnt, dass da jemand wieder einen Rückruf provozieren möchte, um ordentlich Geld abzuzocken. Er verbietet Liam den Anruf, um sich an dem Wettbewerb zu beteiligen. Da Liam aber das Handy hat, versucht er es natürlich und zählt am Ende zu den vier Gewinnern. Das Problem ist nur, er hat sich selbst als toller Vater ausgeben müssen und somit wäre noch ein Kind zu organisieren. Florida lässt sich überreden, denn sie kann einfach nicht widerstehen, zum einen etwas Neues auszuprobieren, zum anderen mit einer Promi-Limousine zu fahren. Dass dieser Freizeitpark in China sein wird, hat Liam ihr verschwiegen. Sie schreiben einen Brief an die Schule und die Eltern und geben vor, dass sie mit der Klasse einen Ausflug machen.

Als Liam dann die anderen drei Väter kennen lernt, die ihre Kinder als perfekte Genies präsentieren, ahnt er, dass hier etwas ganz schief läuft. Um sich Unterstützung für die Vaterrolle zu holen, hat Liam seinem Vater den Ratgeber „Gespräche mit Teenagern" vom Nachttisch geklaut. Alles beginnt dann ziemlich galaktisch. Die Gewinner des Wettbewerbs werden von der Chinesin Dr. Dinah Drax empfangen. Ihr Imperium, dass der Vater ihr bereits mit 12 Jahren überschrieben hat, heißt Drax Communications und entwickelt modernes technisches Spielzeug, u.a. Handys. Sie fliegt die Teilnehmer nach China in den Park der Unendlichkeit. Hier wartet kein Karussell, sondern eine echte Rakete, die die Kinder in den Weltraum fliegen soll. Alles funktioniert angeblich per Fernsteuerung und ist absolut sicher. Die Besatzung fliegt dann um den Mond und die Erde und wieder um den Mond und dann zurück auf die Erde. Jedes der auserwählten Kinder hat eine besondere Fähigkeit, denn die Väter - außer dem kindischen Liam - sind sehr ehrgeizig. Florida hingegen kann nichts besonderes, sie will einfach nur ein Star werden.

Liam nutzt nun im Laufe der sich überschlagenden Ereignisse seine Kenntnisse aus den Computerspielen, seiner Play-Station und seinem Ratgeber, um über die Runden zu kommen. Die Kinder werden zu Taikonauten ausgebildet. Das ärgert Liam, denn erstens ist er auch ein Kind, muss aber den Erwachsenen spielen und zweitens will er unbedingt mitfliegen. Somit schlägt Liam vor, dass einer der Väter doch als Aufsichtsperson mitreisen sollte. Liam muss nun ein Formular nach dem anderen ausfüllen und Golf spielen. Die Wettbewerbsgewinner sind harte, ehrgeizige Geschäftsmänner. Hassans Vater kauft alles, was er haben möchte. Auch der Sohn eifert dem Vater in allem nach. Max und Samson Zwei sind wie ihre Väter auf Perfektion getrimmt und zielgenau darauf orientiert größtmöglichen Gewinn aus allem für sich zu schlagen. Liam verliert in Anbetracht dieser Väter und Kinder die Lust am Erwachsenenspiel.

Per Abstimmung wird nun entschieden, welcher Vater mitfliegen darf. Ein paar Tests, wie das Finden einer Fahne in der Wüste oder Schwerkrafttraining, sollen darüber entscheiden, welcher Vater geeignet ist. Als Liam Dünenspringen mit den Kindern spielt, verzweifeln die anderen Väter und finden Liam einfach nur kindisch. Die Kinder jedoch kennen keinen Spaß. Sie sind wie kleine gehorsame Lehrer, wie Erwachsene in der Ausbildung. Ziemlich verkorkst von ihren so genialen Vätern benehmen sich die Kinder sehr eigenartig. Am Ende entscheiden sich alle für Hassans Vater und Liam ist sauer.

Mittlerweile hat allerdings nur Liam verstanden, dass Dr. Drax Kindern und auch ihrer Tochter viel zu viel zutraut. Der Flug mit der Rakete ist jedoch ein zu gefährliches Abenteuer. Als entdeckt wird, dass Hassans Vater heimlich Fotos von einigen Dingen im neuen Freizeitpark gemacht hat und diese neuen Erfindungen zu Geld ummünzen wollte, steigen Liams Chancen. Er soll nun die Kinder ins Weltall begleiten. Trotz all seiner Zweifel erklärt er sich bereit, denn er muss Florida, die dieses Spiel mit ihm ja mitspielt, eine Freude machen. Sie beichtet ihrem „Vater" Liam, dass sie in Wirklichkeit gar keinen Vater hat, der angeblich immer auf Reisen ist. Liam steigt mit den Kindern ein und das Unglück geschieht. Die Technik versagt. Liam erkennt, Max, Hassan und Samson Zwei, haben Väter, die gar nicht auf sie aufpassen. „ Ihre Väter zwangen sie, all diese Dinge zu tun, um schlauer oder reicher oder erfolgreicher zu werden. Und dann waren sie abgeschoben worden, um im Weltraum zu versauern".
Liam muss nun wirklich Verantwortung übernehmen und die Erde finden. Dann wird alles gut. Wie das jedoch in die Wege geleitet wird, immerhin ist alles geheim und keine Rettungsmannschaften starten, soll nicht verraten werden.

Frank Cottrell Boyce ist bei uns durch seine Romane „Millionen" und „Meisterwerk" bekannt geworden. In seinem dritten Kinderbuch „Galaktisch" erzählt er die turbulente, leicht überdrehte Geschichte eines Jungen, der sich als Erwachsener ausgibt und damit auch durchkommt. Liam durchschaut die Welt der Erwachsenen und findet sich mit viel Witz in ihr gut zurecht. Nur die Erwachsenen scheinen, wenn es um Liam geht, blind zu sein. Bereits am Beginn klingt der Name Roald Dahl an. Im Laufe der Handlung entstehen immer mehr Parallelen zu Dahls Kinderliteratur. Der Leser kommt nicht umhin, in Anklängen an „Charlie und die Schokoladenfabrik" erinnert zu werden. Auch dort treten Eltern in Erscheinung, die ihre Kinder nur vorführen und sich kaum für ihr Innenleben interessieren. Die Rolle des Willy Wonka übernimmt bei Boyce Dr. Drax, die chinesische Wissenschaftlerin und reiche, wie gnadenlose Eigentümerin des Freizeitparks und der Rakete.

Boyce karikiert unsere auf Erfolg orientierte Gesellschaft, in der ein Star sein, auch wenn er schnell verglüht, alles ist. In seiner Slapstickkomödie bildet der britische Autor eine Welt ab, die auf Technik und Ruhm versessen, der Meinung ist, alles regeln zu können. Die Kinder und deren Väter, die durch den Wettbewerb „Der beste Vater der Welt" angelockt werden, verkörpern ein verzerrtes, übertriebenes Spiegelbild unseres modernen Denkens. Ehrgeiz, blinder Gehorsam und vor allem Perfektion sind gefragt. Der menschliche Verstand und Gefühle bleiben außen vor.

Frank Cottrell Boyce übersteigert diese Weltsicht in seiner temporeichen Handlung und die Sehnsucht seines Helden nach dem Leben eines Erwachsenen. Allerdings ist es leichter eine fremde Rolle im Computerspiel zu übernehmen, als in der wahren Welt ein Vater zu sein. Schnell erkennt der Junge, nur wer funktioniert, wird akzeptiert. Nur der erfolgreiche Vater ist der beste Vater. Auch Liams Vater, immerhin bemüht er sich, benötigt einen Ratgeber, um seinen Sohn zu verstehen.
Letztendlich ist Liam „Der beste Vater der Welt", denn er erkennt die Gefahr des Weltraumunternehmens und das ist die Ironie der Geschichte. Nebenher fließen viele Informationen über gescheiterte Weltraumflüge in die Handlung ein.

Frank Cottrell Boyce, Vater von sieben Kindern und Drehbuchautor ( Zusammenarbeit mit Michael Winterbottom) erzählt bildhaft, ein wenig schwarz und doch subtil, mit einem Schuss Weisheit und vor allem temporeich. Der Leser begibt sich in eine literarische Achterbahnfahrt, denn eine Szene folgt der nächsten und wer sich nicht auf die waghalsigen Kurven konzentriert, der verpasst auch die stillen Momente, in denen klar wird, wie ein toller Vater sein könnte.

Fazit:

„Galaktisch" von Frank Cottrell Boyce ist ein Kinderroman, der sich zwar durch seinen fantasievollen Verlauf von der Realität entfernt, aber eigentlich doch ganz nah am wahren Leben entlang geschrieben ist. Der britische Autor schlägt immer sehr eigene Wege ein, um in die Köpfe der Kinder zu finden. Mit diesem Buch schafft er es ohne Mühe.

Karin Hahn

 

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