Von Bullerbü, Pippi Langstrumpf und den Brüdern Löwenherz

Astrid Lindgrens Geschichten für Kinder und Jugendliche legen ihr Augenmerk zwar stets auf die kindlichen Hauptfiguren – unterschiedlicher könnten ihre Protagonisten jedoch nicht sein.

Mit ihrem Werk „Pippi Langstrumpf“ wurde Astrid Lindgren bekannt. Es war ein überwältigender Erfolg, der nach der Veröffentlichung im Jahr 1944 folgte. Entstanden waren die Geschichten rund um das unangepasste Mädchen Pippi Langstrumpf, das ganz allein in einer alten Villa mit ihrem Affen (Herrn Nilsson) und dem Pferd (Kleiner Onkel) lebt, eigentlich als Geschichten für Lindgrens Tochter Karin. Diese litt im Winter 1941 unter einer starken Lungenentzündung und forderte ihre Mutter auf: „Erzähl mir von Pippi Langstrumpf!“(1) Der Name blieb und so entstand der erste Band der Pippi Langstrumpf-Geschichten. Das Manuskript dieser Geschichten wurde zunächst vom Verlag Albert Bonniers abgelehnt. Verlagschef Gerhard Bonnier befürchtete, dass dieses Buch Kindern ein negatives Vorbild sein könnte: „Ich hatte selbst kleine Kinder und stellte mir voller Entsetzen vor, was passieren würde, wenn sie sich dieses Mädchen zum Vorbild nähmen.“(2) Lindgren passte ihr Manuskript an und nahm einige Stellen, die Anstoß erregten, heraus. Das ursprüngliche Manuskript von „Pippi Langstrumpf“ wird inzwischen auch „Ur-Pippi Langstrumpf“ genannt.

So schrieb Astrid Lindgren ein zweites Buch im Rahmen eines Wettbewerbs. Dieses Buch richtete sich an Leserinnen zwischen zehn und fünfzehn Jahren: „Britt-Mari erleichtert ihr Herz“ – und sie gewann! Im Verlag Rabèn & Sjögren wurde dieses verlegt – und hier gewann schließlich auch „Pippi Langstrumpf“ einen Wettbewerb und wurde verlegt. Pippi Langstrumpf fand neben viel Lob natürlich auch einige Kritiker in Schweden und später auch im Ausland. Mit der Zeit avancierte Pippi Langstrumpf zum modernen Klassiker und hat diesen Status bis heute behalten(3).

„Michel von Lönneberga“ und „Die Kinder von Bullerbü“ lassen die bäuerliche, wunderbare Welt, in der das Kind Astrid aufgewachsen ist, wieder aufleben. Kinder verleben hier leichte Tage, sie dürfen sich nach und nach ihre Umgebung erobern, mit Freunden spielen und Abenteuer erleben. Dabei wird immer wieder deutlich, dass auch in dieser Welt nicht nur eitel Sonnenschein herrscht, sondern die Kinder erleben mancherorts etwa Diebstähle, einen garstigen Schuster oder auch beängstigende Ausflüge in das örtliche Armenhaus. Auch im 1960 erschienenen Werk „Madita“, dessen Heldin in einer geordneten, glücklichen Familiensituation aufwächst, spart Lindgren diese Momente nicht aus.

Ihr 1954 veröffentlichte Buch „Mio, mein Mio“ sowie die 1959 erschienene Märchensammlung „Klingt meine Linde“ dringen tief in die kindliche Seele – und auch in die der erwachsenen Leser ein. Thematisiert werden Motive wie „Tod und Sterben“, „Adoptivkind sein“, „unerwünscht sein“ und „Krankheit“. Hier geht Lindgren nicht schonungslos mit ihren kleinen und großen Leserinnen um. Sie weiß, ein für die Rezipientinnen und die Hauptfiguren gütliches Ende zu finden. Dennoch versteht sie es, die seelische Situation der Kinder und ihre damit verbundenen Qualen und Ängste gekonnt in poetische und gleichsam schlichte Sprache zu fassen, was auch in den deutschen Übersetzungen als durchaus gelungen anzusehen ist.

Lindgrens letztes Kinder- und Jugendbuch „Ronja Räubertochter“ wurde 1981 herausgegeben. Und auch hier ist die Welt längst nicht so heil wie die der „Kinder aus Bullerbü“. Erzählt wird die Geschichte einer Freundschaft zwischen Ronja Räubertochter und Birk Borkasohn, die die beiden Kinder gegen den Willen der verfeindeten elterlichen Familien schließen. Neben dem großen und für Kinder bedeutsamen Thema „Freundschaft“ geht es hier um „Familienkonflikte“, das „Auf sich gestellt Sein“ und die „Angst sowie den Umgang mit alltäglichen Gefahren“. Hier dienen Ronja und Birk durchaus als prägsame Identifikationsfiguren.

(1) Gottschalk, Maren. Jenseits von Bullerbü. Die Lebensgeschichte von Astrid Lindgren. Beltz & Gelberg. 2006/2009. S. 80
(2) Strömstedt, Margareta. Astrid Lindgren. Ein Lebensbild. Deutsch von Birgitta Kicherer. Verlag Friedrich Oetinger. 2001. Zitiert nach: Gottschalk, Maren. Jenseits von Bullerbü. a.a.O. 83f.
(3)Vgl. Gottschalk, Maren. Jenseits von Bullerbü. a.a.O. S. 87ff.

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