04.2006 Im Mai letzten Jahres wurde das Buch "Der wunderbarste Platz auf der Welt" das Kinderbuch des Monats und zudem von uns mit dem Kinderbuch-Couch-Star* ausgezeichnet. Der noch junge, in Hamburg lebende Autor und Illustrator Jens Rassmus schuf dieses überaus amüsante und wunderbar bebilderte Kinderbuch. Im Februar diesen Jahres kürten wir erneut ein Buch mit seinen Illustrationen: "Der große Klong". Gründe genug, uns einmal mit dem Vater von zwei Kindern zu unterhalten. In unserem Interview spricht er über seine Arbeit, seine Ziele und die Notwendigkeit, sich selber zu vermarkten.

Es gibt eine Idee, über der ich schon jahrelang brüte und bei der ich nicht weiß, ob jemals eine fertige Geschichte daraus wird.

Kinderbuch-Couch:
Sie haben in Hamburg und in Schottland am "Duncan of Jordanstone College of Art" studiert. Was war der Grund für den Weg nach Schottland?

Jens Rassmus:
Der Grund war der Wunsch, woanders zu sein und etwas anderes zu tun. Ich habe in Schottland Illustration und Druckgrafik studiert. Es gab dort wunderbare Druckwerkstätten und ich habe hauptsächlich farbige Linoldrucke gemacht, was für mich eine ganz neue und ungewohnte Technik war. Schottland fand ich schon immer sehr schön, dass es mich nach Dundee verschlug, war eher Zufall.

Kinderbuch-Couch:
Heute leben Sie mit Ihrer Familie in Hamburg. Wie wichtig ist Ihnen die Nähe bzw. der Bezug zum Meer oder Wasser allgemein? Ich frage deshalb, da gerade das Element Wasser oft sehr eindrucksvoll in Ihren Bildern in Szene gesetzt ist. Ich denke da z.B. an "Als die Gondolieri schliefen" und "Bauer Enno und seine Kuh Afrika".

Jens Rassmus:
Ich könnte sicher nicht auf Dauer in einem Bergtal leben, ohne darunter zu leiden. Trotzdem bin ich eigentlich kein Wassermensch und kann, obwohl ich aus Kiel komme, weder segeln noch surfen. Die Nähe zum Meer ist mir jedoch wichtig. Als Sehnsuchtsmetapher und des Horizontes wegen.

Kinderbuch-Couch:
Sie haben selbst zwei Kinder. Wie wichtig sind sie für Ihre Arbeit als Kinderbuchautor und -illustrator?

Jens Rassmus:
Ich glaube, dass mich die Bilderbuchvorlieben meiner Kinder in meiner eigenen Arbeit nicht allzu sehr beeinflussen, aber vielleicht täusche ich mich da auch. Auf jeden Fall beurteile ich Bücher, die ich mit meinen Kindern lese, viel mehr nach ihrem "Gebrauchswert". Einige Bücher, die ich früher banal fand, gefallen mir heute gut und andere, die ich für ausgezeichnet hielt, erscheinen mir völlig uninteressant. Was ich auch sehr zu schätzen gelernt habe, sind gereimte und lautmalerische Texte. Davon sollte es viel mehr geben.

Kinderbuch-Couch:
Ist Ihr heutiger Beruf Ihr Traumberuf? Wann und aus welchem Grund fiel die Entscheidung Kinderbücher zu illustrieren und zu schreiben?

Jens Rassmus:
Ich bin zufrieden mit meinem Beruf. Traumberuf klingt mir etwas zu romantisch verklärt, zumal es aufgrund der traumhaft niedrigen Auflagen und der traumhaft kleinen Honorare sehr schwer ist, vom Büchermachen zu existieren. Die Entscheidung, Kinderbücher zu illustrieren und zu schreiben, kam während des Studiums in Hamburg bei Rüdiger Stoye. Davor hatte ich keine klare Vorstellung davon, was ich eigentlich machen wollte, eher vielleicht Comiczeichner. Rüdiger Stoye ermunterte uns, ein eigenes Buchprojekt anzufangen. Das war bei mir "Bauer Enno und seine Kuh Afrika".

Kinderbuch-Couch:
Sie illustrieren Bücher anderer Autoren und natürlich auch Ihre eigenen Geschichten. Wann entstand der Wunsch auch selber zu schreiben? Wie wichtig ist das Schreiben für Sie geworden? Und in welchem Verhältnis steht es zur Illustration?

Jens Rassmus:
Wenn ich einen Text illustriere, habe ich einen klaren Auftrag, muss mir über das "Warum-so-und-nicht-anders?" der Geschichte nicht den Kopf zerbrechen und kann mich stattdessen darauf konzentrieren, möglichst passende und gute Illustrationen beizusteuern. Bei eigenen Geschichten hat man alles selbst in der Hand und kann sich dann aber auch entsprechend schwer tun. Es gibt beispielsweise eine Idee, über der ich schon jahrelang brüte und bei der ich nicht weiß, ob jemals eine fertige Geschichte daraus wird.

Kinderbuch-Couch:
Sie kennen dadurch ja quasi das Arbeiten an beiden Seiten eines Bilderbuches? Hilft das bei der Arbeit und dem Umgang mit anderen Autoren?

Jens Rassmus:
Ich lerne die AutorInnen immer erst kennen, wenn das Buch schon fertig ist. Die "Zusammenarbeit" läuft nur über den Verlag, die AutorInnen haben meist wenig oder gar keinen Einfluss darauf, was mit ihrem Text geschieht.

Kinderbuch-Couch:
Als Illustrator eines Bilderbuches hat man einen wesentlichen, wenn nicht den wichtigsten, Einfluss auf den Erfolg eines Kinderbuches. Wie schaffen es Autor und Illustrator Ihre "Phantasiewelten" aufeinander abzustimmen? Wie viel Freiheiten hat jeder einzelne dabei?

Jens Rassmus:
Diese Abstimmung zwischen AutorIn und IllustratorIn fand bei den Büchern, die ich illustriert habe nicht statt. Der Verlag sucht sich eine Illustratorin oder einen Illustrator aus, die oder den er für geeignet hält. Die Abstimmung übernimmt also der Verlag. Für mich ist dies gut, denn ich fühle mich auf diese Weise frei, meine eigene Welt zu dem vorgegebenen Text zu erfinden, ohne den Vorstellungen der Autorin/des Autors verpflichtet zu sein.

Kinderbuch-Couch:
Würden Sie denn Ihre Geschichten auch einem anderen Illustrator anvertrauen können?

Jens Rassmus:
Wenn ich mehr schreiben würde, vielleicht. Z.B. Eva Muggenthaler.

Kinderbuch-Couch:
Gab es eigentlich z.B. während Ihrer Studienzeit ein Vorbild, einen Künstler, der Sie beeinflusst hat?

Jens Rassmus:
Nicht einen, sondern eine ganze Menge. Ich könnte aber nicht sagen, wer worin oder wer am meisten. Man sieht so vieles, das einen bewusst und unbewusst beeinflusst. Manchmal möchte ich etwas, das ich gesehen habe, übernehmen und es gelingt nicht und manchmal übernehme ich etwas, ohne es zu wollen.

Kinderbuch-Couch:
Sie wenden ja sehr verschiedene Techniken an. Welche mögen und verwenden Sie am liebsten?

Jens Rassmus:
Das weiß ich momentan selbst nicht so genau. Ich bin ganz froh darüber, dass ich mir die Freiheit nehme, unterschiedlich zu arbeiten.

Kinderbuch-Couch:
Stets beeindruckt bin ich immer wieder von dem sehr ausgeprägten Licht- und Schattenspiel in Ihren Bildern, die so eine unglaubliche Tiefe und Präsenz erhalten. Eine Technik, die Sie - wie ich finde - auszeichnet und unverkennbar macht. Ist diese Art Bilder zu komponieren ganz bewusst entstanden?

Jens Rassmus:
Wenn ich mir die Kompositon eines Bildes überlege, mache ich mir immer zunächst Gedanken darüber, woher das Licht kommt. Ohne Licht und Schatten würden die meisten meiner Bilder wahrscheinlich auseinanderfallen.

Kinderbuch-Couch:
Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung in der Kinderbuchillustration? Beobachten Sie diesen Markt aufmerksam oder wollen sich dadurch gar nicht erst beeinflussen lassen?

Jens Rassmus:
Es gibt viele tolle Bücher. Ich habe das Gefühl, das Niveau steigt eher, als dass es fällt. Ich schaue mir natürlich auch andere Bücher an. Da ich im Moment so viel arbeite, habe ich aber gar keine Zeit mich allzu sehr beeinflussen zu lassen.

Kinderbuch-Couch:
Wie gehen Sie eigentlich an ein Manuskript heran? Gibt es die typische Arbeitsweise? Wie entstehen die Bilder und Charaktere?

Jens Rassmus:
In der Regel mache ich ein sehr schludriges Storyboard und lege dann los. Mit der Arbeit am ersten Bild lege ich dann Raum, Stimmung, Farblichkeit und Figuren fest. Da dies viele Entscheidungen sind, dauert das erste Bild meistens am längsten. Für meine eigene Motivation ist es außerdem wichtig, dass mir das erste Bild gefällt. Bei dem Buch "Schlüssel verloren" brauchte ich ein sehr genaues Storyboard, da die ganze Geschichte an einem Ort, dem Strand, spielt und ich mir über die Bewegung der Figuren und die Position bestimmter Bildelemente Klarheit verschaffen musste. Die war jedoch eine Ausnahme. Da meine Bilder beim Machen meist ohnehin ihren eigenen Weg gehen und sich von der Vorstellung, die ich am Anfang hatte, verabschieden, ist es mir zu mühsam, detaillierte Vorzeichnungen zu machen. Ich arbeite immer chronologisch von vorne nach hinten und mache zum Schluss das Cover. Am Anfang und am Ende geht es langsam, in der Mitte meistens schnell.

Kinderbuch-Couch:
Wir haben Ihr Kinderbuch "Der wunderbarste Platz auf der Welt" im März letzten Jahres mit unserem Kinderbuch-Couch-Star* ausgezeichnet. Wir erleben immer wieder, welche große Anziehungskraft die Bilder auf Kinder ausüben? Wie entstand eigentlich die Idee zu dieser Geschichte?

Jens Rassmus:
Die Idee war, etwas über ein Tier zu schreiben, dass sich verkleidet. Als ich überlegte, warum sich ein Tier möglicherweise verkleiden könnte, kam ich auf diese Geschichte.

Kinderbuch-Couch:
Gibt es Inspirationsquellen, die immer wieder Bestandteil Ihrer Arbeit sind?

Jens Rassmus:
Keine, die mir bewusst wären.

Kinderbuch-Couch:
Muss sich ein Illustrator weitestgehend selbst vermarkten, um erfolgreich am Markt bestehen zu können? Wie entstehen die Kontakte zu Autoren und Verlagen?

Jens Rassmus:
Ja, man muss sich selbst vermarkten. Wenn man ein paar Bücher veröffentlicht hat, helfen sie einem jedoch dabei. Im Moment ergibt sich das meiste ohne mein Zutun und außerdem arbeite ich schon seit einiger Zeit kontinuierlich mit Cornelia Hladej vom Dachs Verlag (jetzt ist sie allerdings beim Residenz Verlag) und dem Sauerländer Verlag zusammen. Die Kontakte entstanden auf der Messe in Bologna.

Kinderbuch-Couch:
Gerade eben ist von Ihnen illustrierte Kinderbuch "Der große Klong" - ebenfalls von uns mit dem Kinderbuch-Couch-Star* ausgezeichnet - bei Dachs erschienen. Welche Projekte stehen momentan an?

Jens Rassmus:
Im Herbst erscheint ein Bilderbuch mit dem Titel "Der Großvater im rostroten Ohrensessel", geschrieben von Jutta Treiber, im Dachs Verlag. Im Frühjahr kommt im Residenz Verlag ein Buch mit eigenen kurzen Geschichten und Illustrationen heraus. Außerdem illustriere ich noch ein Buch für den Campus Verlag und ein Italienischlehrbuch.

Kinderbuch-Couch:
Gibt es einen großen Traum oder ein Ziel, das Sie gerne erreichen würden?

Jens Rassmus:
Morgen früh ausschlafen.

Kinderbuch-Couch:
Herzlichen Dank für das Interview.

  

Dieses Interview führte Stefanie Eckmann-Schmechta.

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